Mit sieben Auszeichnungen ist der Actionfilm »Everything Everywhere All at Once« der große Gewinner der diesjährigen Oscars - die deutsche Literaturverfilmung »Im Westen nichts Neues« hat vier Auszeichnungen gewonnen. Die Oscars wurden in der Nacht zum Montag in Los Angeles verliehen. »Im Westen nichts Neues« von Regisseur Edward Berger erzählt vom Ersten Weltkrieg und wurde als bester internationaler Film ausgezeichnet.
Vier Oscars für deutschen Film
Der Antikriegsfilm ist damit erst das vierte Werk aus Deutschland, das den Oscar in dieser Kategorie holt - nach »Das Leben der Anderen« (2007), »Nirgendwo in Afrika« (2003) und »Die Blechtrommel« (1980). Auszeichnungen gab es auch für Kamera, Szenenbild und Filmmusik. Die Geschichte des Films beruht auf dem gleichnamigen Roman von Erich Maria Remarque (1898-1970).
»Im Westen nichts Neues« war insgesamt neun Mal nominiert und gewann letztlich in vier Kategorien. Die Auszeichnung als bester Film verpasste er allerdings - erstmals war überhaupt ein deutscher Film in dieser Kategorie nominiert. Die Auszeichnung ging an »Everything Everywhere All at Once«. Der Science-Fiction-Actionfilm von Daniel Kwan und Daniel Scheinert erzählt von der Betreiberin eines Waschsalons, die sich durch mehrere Paralleluniversen kämpft.
Superheldin im Waschsalon
Schauspielerin Michelle Yeoh gewann für die Rolle der Waschsalonbetreiberin den Oscar als beste Hauptdarstellerin. In ihrer Dankesrede wandte sie sich an alle Jungen und Mädchen, »die aussehen wie ich und heute Abend zuschauen«: »Das ist ein Signal der Hoffnung und Möglichkeiten«, sagte die 60-jährige Malaysierin. Träume könnten wahr werden. »Und Ladys: Lasst euch von niemandem einreden, eure besten Jahre seien vorbei.«
Schauspieler Brendan Fraser bekam den Oscar als bester Hauptdarsteller. In »The Whale« von Regisseur Darren Aronofsky spielt der 54-Jährige einen stark übergewichtigen Mann, der sich seiner Teenager-Tochter wieder annähern will. Der Film wurde auch für das Maskenbild ausgezeichnet.
Anspielung auf Ohrfeigeneklat
Die Verleihung der 95. Academy Awards wurde von Jimmy Kimmel moderiert, der während des Abends auch auf den Eklat vom vergangenen Jahr anspielte. »Also wir haben strenge Richtlinien«, verkündete Kimmel zu Beginn des Abends. Wenn diesmal jemand gewalttätig werde - bekomme er den Oscar für den besten Darsteller.
Im vergangenen Jahr hatte Hollywoodstar Will Smith den Moderator Chris Rock wegen eines Gags über seine Frau geohrfeigt und wurde dennoch mit einem der wichtigsten Preise ausgezeichnet, dem Hauptrollenpreis für seine Darstellung im Drama »King Richard«.
In diesem Jahr traten unter anderem Rihanna und Lady Gaga auf. Gaga sang in Jeans und T-Shirt und augenscheinlich un- oder kaum geschminkt - nachdem sie zuvor auf dem roten Teppich noch mit Abendrobe und auffallendem Make-up zu sehen war.
Moderator Kimmel stand zwischenzeitlich auch mal mit einem Fallschirm oder einem Esel auf der Bühne - Anspielungen auf die Filme »Top Gun: Maverick« und »The Banshees of Inisherin«.
Der Film »Everything Everywhere All at Once« war mit insgesamt elf Nominierungen als Favorit ins Rennen gegangen und kam am Ende auf sieben Oscars. Neben dem Regiepreis waren darunter zwei weitere Schauspielpreise: Jamie Lee Curtis wurde als beste Nebendarstellerin geehrt - die 64-Jährige setzte sich unter anderem gegen Angela Bassett (»Black Panther: Wakanda Forever«) durch. Ke Huy Quan wurde als bester Nebendarsteller geehrt.
Aktualität angesichts des Kriegs in der Ukraine
Mit dem deutschen Beitrag »Im Westen nichts Neues« waren auch die Schauspieler Felix Kammerer, Albrecht Schuch und Daniel Brühl in die USA gereist. Der Film ist beim Streamingdienst Netflix zu sehen.
»Wir haben versucht, einen Film über unsere Vergangenheit zu machen, über unsere Verantwortung in Deutschland hinsichtlich unserer Vergangenheit«, sagte Regisseur Berger nach der Verleihung. »Und plötzlich, als wir den Film schon fertig hatten, ging es auch um unsere Gegenwart.« Der Film hatte angesichts des Kriegs in der Ukraine besondere Aktualität bekommen.
Kanzler Olaf Scholz (SPD) gratulierte den Machern. »Es handelt sich um den größten Erfolg, den ein deutscher Film jemals bei den Oscar-Auszeichnungen einfahren konnte«, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag in Berlin. Die Verfilmung des Romans von Erich Maria Remarque sei durch den Überfall Russlands auf die Ukraine hochaktuell geworden, sagte Hebestreit. »«Im Westen nichts Neues» zeigt auf sehr intensive Weise die Schrecken des Krieges mitten in Europa.« Die Oscars sowie weitere Preise für den Film könnten deswegen auch als »politisches Signal gegen den russischen Angriffskrieg« verstanden werden.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth rechnet mit Auswirkungen auf das internationale Ansehen deutscher Produktionen. »Das wird dem deutschen Film weltweit Beachtung bringen und ihm neue Bedeutung verschaffen«, sagte die Grünen-Politikerin in Los Angeles. »Es ist auch der richtige Film zur richtigen Zeit, da er einen Krieg in Europa in all seiner Grausamkeit und Brutalität beleuchtet, der gegenwärtig wieder mitten in Europa tobt, ausgelöst durch Putins verbrecherischen Angriff auf die Ukraine«, sagte Roth.
Das Werk »Nawalny« des kanadischen Regisseurs Daniel Roher gewann den Oscar als bester Dokumentarfilm. Roher hatte den Kremlkritiker Alexej Nawalny im Schwarzwald getroffen, als Nawalny sich dort von den Folgen eines Giftanschlags mit dem chemischen Kampfstoff Nowitschok erholte. Auch Nawalnys Frau Julija Nawalnaja kam zur Auszeichnung auf die Bühne. »Bleibe stark, mein Liebster«, sagte sie.
Der Preis für das beste adaptierte Drehbuch ging an Sarah Polley für »Die Aussprache«. Das Team von »Avatar: The Way of Water« wurde für visuelle Effekte ausgezeichnet, der Oscar für die beste Tongestaltung ging an den Blockbuster »Top Gun: Maverick«. Kostümbildnerin Ruth Carter bekam einen Oscar für »Black Panther: Wakanda Forever«.
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