Bei der Oscar-Verleihung in gut einer Woche könnte nach 93 Jahren erneut eine Verfilmung von »Im Westen nichts Neues« abräumen. Die Netflix-Produktion ist bei den Oscars am 12. März für neun Trophäen nominiert.
Eine frühe Filmversion von Erich Maria Remarques Roman, der englischsprachige Steifen »All Quiet on the Western Front«, war am 5. November 1930 mit vier Nominierungen ins Oscar-Rennen gegangen - und holte zwei wichtige Preise: als bester Film und für die Regie von Lewis Milestone. In den Sparten Drehbuch und Kamera ging er damals leer aus.
Der jüdische Schwabe Carl Laemmle, der 1912 in Hollywood die legendären Universal Studios gegründet hatte, und sein Sohn Carl Jr., der den Film produzierte, wurden gefeiert. Bei den dritten Academy Awards im vor etwa 17 Jahren abgerissenen Ambassador-Hotel in Los Angeles gab es lediglich acht Preis-Sparten, darunter auch für Schauspieler, Ton und Ausstattung.
Bei Kritikern und an den Kinokassen in den USA war Milestones Tonfilm mit seiner schonungslosen Darstellung des Ersten Weltkriegs ein großer Erfolg. »Variety« etwa lobte damals den fesselnden Realismus. Der Film solle Jahr für Jahr in allen Sprachen und allen Ländern gezeigt werden, »bis das Wort Krieg aus den Wörterbüchern gestrichen wird«, schrieb das Filmblatt.
Geschichte eines Kinofilms
Der Kinostart in Deutschland wurde dagegen von heftigen Protesten, Zensurauflagen und Verboten begleitet. Bei den ersten Vorführungen in Berlin im Dezember 1930 randalierten Nationalsozialisten unter Anleitung des späteren NS-Propagandaministers Joseph Goebbels im Kino. Der Film wurde als Verunglimpfung deutscher Soldaten angeprangert, zeitweise verboten und erst nach Kürzungen wieder gezeigt. Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers wurde auch das Buch »Im Westen nichts Neues« verboten - es war eines der Werke, die im Mai 1933 bei der berüchtigten Bücherverbrennung vernichtet wurden.
Ein weiteres Mal wurde der Roman 1979 in Hollywood verfilmt. US-Regisseur Delbert Mann holte mit seiner TV-Neuauflage den Golden Globe für den besten Fernsehfilm.
Die erste deutschsprachige Version von Edward Berger hat nun sensationelle neun Oscar-Chancen, darunter in der Königssparte »Bester Film«, internationaler Film, Musik, Kamera und adaptiertes Drehbuch. Bei den britischen Filmpreisen räumte »Im Westen nichts Neues« kürzlich sieben Baftas ab, auch als »Bester Film« und für Regie.
Von den meisten US-Kritikern wurde die Netflix-Produktion begeistert aufgenommen. In Deutschland dagegen gab es auch Kritik - etwa, dass Berger häufig von der Vorlage abweiche, Handlungen und Personen als Effekthascherei hinzufüge.
Informationen zu den Nominierungen
© dpa-infocom, dpa:230304-99-825622/2