CANNES. Wenn der Jubel vor Filmbeginn ein Gradmesser wäre, dann hätte Quentin Tarantino die Goldene Palme beim Filmfest Cannes sicher.
Denn noch bevor im Premierensaal an der Croisette sein mit Spannung erwartetes Werk »Once Upon a Time... in Hollywood« begann, wurden der Regisseur und seine Stardarsteller Brad Pitt, Leonardo DiCaprio und Margot Robbie im Saal und am roten Teppich frenetisch gefeiert. So eine Hysterie löste in diesem Jahr keine andere Premiere beim Festival aus - genau ein Vierteljahrhundert, nachdem Tarantino in Cannes die Goldene Palme für »Pulp Fiction« gewonnen hatte.
Bemerkenswert war auch, welche Sogwirkung »Once Upon a Time... in Hollywood« auf andere Prominente hatte: Zu den Galagästen gehörten am Dienstagabend Fatih Akin, Adrien Brody, Andie MacDowell und Timothée Chalamet. Ein bisschen mussten sie sich aber alle gedulden, denn Tarantino ließ zunächst noch eine Nachricht verlesen: Er wünsche sich, dass nichts Entscheidendes über den Film verraten wird. Dann ging es aber endlich los.
»Ich habe mich sofort mit meinem Charakter identifiziert«
Es ist das Jahr 1969. Leonardo DiCaprio spielt Rick Dalton, einen Fernseh- und Kinostar, der vor allem auf die Rolle des Bösewichts gebucht ist. Brad Pitt gibt dessen Stuntman und loyalen Freund Cliff Booth, der Dalton ans Set und durch die Stadt chauffiert. Immer wieder schneidet Tarantino Ausschnitte aus Daltons Filmen und TV-Serien dazwischen - wie schon der Titel »Once Upon a Time... in Hollywood« erahnen lässt, ist dies auch eine Hommage ans Hollywood längst vergangener Tage.
»Ich habe mich sofort mit meinem Charakter identifiziert«, sagte DiCaprio am Mittwoch auf einer Pressekonferenz. Auch er sei in der Filmindustrie aufgewachsen. »Ich habe viele Freunde in diesem Business und ich bin extrem dankbar für das, was ich habe.« Außerdem sei die Zusammenarbeit mit Brad Pitt wunderbar gewesen. »Es ist unglaublich leicht und angenehm, ihn an seiner Seite zu haben.« Pitt gab das Kompliment zurück. »Ich hoffe, dass wir das bald einmal wiederholen können.«
Tarantino (56) nutzte die Chance, seiner Frau Daniella Pick (35) eine öffentliche Liebeserklärung zu machen. »Ich habe vor sechs Monaten geheiratet, das habe ich vorher noch nie gemacht - und jetzt weiß ich auch, warum: Ich habe auf das richtige Mädchen gewartet.«
In seinem Film allerdings schlingert die Geschichte dann ein bisschen zu unentschlossen und gemächlich dahin. Wer auf Tarantinos Markenzeichen - lange Dialogsequenzen, pumpende Musik und explosive Gewalt wie in »Inglourious Basterds« oder »The Hateful 8« - wartet, wird enttäuscht. Erst langsam kristallisiert sich heraus, was der zweifache Oscarpreisträger dieses Mal erzählen will. Doch genau darüber soll ja nichts verraten werden.
Was allerdings nicht lange ein Geheimnis bleiben wird, sind die Performances seiner Helden: Leonardo DiCaprio glänzt als sinkender, an sich zweifelnder Schauspielerstern. Vor allem aber Brad Pitt ist in Hochform und strahlt eine Coolness aus, wie man sie lange nicht mehr bei ihm gesehen hat. Margot Robbie gibt die Ehefrau von Daltons Nachbar Roman Polanski, während Al Pacino und Kurt Russell eher Nebenrollen haben; ebenso wie der im März überraschend gestorbene »Beverly Hills, 90210«-Star Luke Perry.
Auch Dakota Fanning ist auf der Leinwand zu sehen - ihre jüngere Schwester Elle sitzt in diesem Jahr in der Cannes-Jury und wird mit darüber entscheiden, ob »Once Upon a Time... in Hollywood« am Samstag einen Preis bekommt. Ob Tarantino aber 25 Jahre nach seinem Kultfilm »Pulp Fiction« den Triumph von damals wiederholen kann? Das scheint trotz aller Euphorie im Vorfeld nun doch unwahrscheinlich. (dpa)