Fans deutscher Filme und Serien müssen sich nach Einschätzung von Experten keine Sorgen wegen des Schauspielerstreiks machen. In der deutschen Filmbranche halten sich die Auswirkungen bislang in Grenzen.
Einzelne internationale Projekte mit deutscher Beteiligung sind derzeit pausiert. Konkrete Folgen seien ansonsten noch nicht abzusehen, heißt es von Verbänden, die gleichzeitig eine Chance für den deutschen und europäischen Markt sehen.
Noch keine Auswirkungen auf Film- und Serienstarts
»Ich glaube erstmal nicht, dass irgendjemand in Deutschland auf eine Serie oder einen Film warten muss«, sagt Martin Moszkowicz, Chef von Constantin Film, der auch im Vorstand der Allianz Deutscher Produzenten - Film & Fernsehen sitzt, der dpa. »Man darf ja nicht vergessen: Alles, was in den nächsten sechs bis acht Monaten auf die Plattformen, ins Kino oder ins Fernsehen kommt, ist schon produziert.« Der Streik betreffe Produktionen, die 2024 oder später erscheinen sollten.
Filmstarts von Constantin müssten in diesem Jahr nicht verschoben werden, so Moszkowicz. Aber: »Wir drehen jedes Jahr drei bis fünf englischsprachige Produktionen und die sind auf jeden Fall betroffen. In welchem Umfang, ist im Moment noch sehr schwer zu sagen.« Konkrete Projekte nennt Moszkowicz nicht.
Auswirkungen auf die Kinobranche in Deutschland ließen sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht genau vorhersagen, erklärt die Vorstandsvorsitzende des HDF Kino e.V., Christine Berg. Noch bemerke man keine Folgen im Kino, »aber jeder hat mitbekommen, dass Stars nicht zu Premieren gekommen sind. Diese Werbung ist für uns allerdings enorm wichtig.«
So schätzt es auch der Geschäftsführer des Verbands der Filmverleiher Peter Schauerte ein. Im Kino spüre man derzeit keine Auswirkungen, sagt er - bis auf Absagen von Stars. Die Schauspieler Margot Robbie und Ryan Gosling sagten vergangene Woche etwa ihre Teilnahme an der Deutschlandpremiere von »Barbie« ab.
Keine stockenden Verhandlungen in Deutschland
Die Mitglieder der US-Schauspielgewerkschaft SAG-AFTRA streiken seit einer Woche für eine bessere Vergütung und Regeln im Umgang mit der Künstlichen Intelligenz. Schon länger haben zudem die US-Drehbuchautorinnen und -autoren ihre Arbeit niedergelegt.
Deutsche Schauspielerinnen oder Schauspieler, die auch international arbeiten, können betroffen sein. So etwa Nina Hoss, die im Interview der »Zeit« sagte: »Auch ich streike, mein aktuelles Projekt in den USA ist verschoben worden.«
Moszkowicz zeigt Verständnis für die Forderungen der Streikenden. Auch das deutsche Pendant zur SAG-AFTRA - der Bundesverband Schauspiel - zeigt sich solidarisch. Verbandssprecher und Schauspieler Hans-Werner Meyer erklärt zugleich, dass die Lage in Deutschland teils eine andere sei, da es hierzulande keine stockenden Verhandlungen gebe. Ähnlich beschreibt es Moszkowicz: »Wir haben es bisher immer geschafft, unsere Positionen in Verhandlungen zu klären.«
Eigenständigkeit des deutschen Films als Chance?
Die Kinobetreiber in Deutschland betonen angesichts des Streiks die Bedeutung einer starken eigenen Filmlandschaft. »Es wird - wie schon in der Pandemie - klar, wie wichtig der deutsche Kinofilm für uns ist«, sagt die HDF-Vorstandsvorsitzende Berg.
»Er verschafft uns eine Unabhängigkeit gegenüber dem amerikanischen Film. Daher appellieren wir an Frau Roth, in der Neuaufstellung der Förderung unbedingt den publikumsstarken deutschen Kinofilm zu stärken.«
In Deutschland können Filmunternehmen für ihre Projekte finanzielle Unterstützung beantragen. Dazu gibt es Töpfe in den Bundesländern und beim Bund - ein Teil wird also von Kulturstaatsministerin Claudia Roth verantwortet. Die Grünen-Politikerin will die Filmförderung reformieren.
Falls der Streik länger andauere, könne das auch eine Chance für europäische oder deutsche Produktionsgesellschaften sein, sagt Moszkowicz. »Falls die amerikanischen Studios und Auswerter nicht genügend Produkt bekommen, um ihre Plattformen zu füllen, ist es durchaus möglich, dass sie auf Indie-Produktionen zurückgreifen, die aus Europa kommen, die eben gedreht werden konnten.«
Moszkowicz betont, dass es ihm »viel, viel lieber wäre«, es hätte nicht zum Streik kommen müssen. »Aber wenn es dazu kommt, dass ein größerer Bedarf an europäischen Produkten besteht, dann ist das natürlich etwas, das auf unser Geschäft auch Auswirkungen haben wird.«
Ähnlich äußert sich der Geschäftsführer des Verbands der Filmverleiher. »Die Hoffnung ist eindeutig, dass die Differenzen schnell beigelegt werden können«, sagt Schauerte. »Eine Chance besteht - wie auch in der Pandemie - jetzt einmal mehr für den deutschen Kinofilm, der den Ausfall von Studioproduktionen kompensieren helfen kann.«
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