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Donna Leon plaudert aus ihrem Leben

Ironie und Sprachwitz - man kennt das von Donna Leon, wenn sie ihren Commissario Brunetti in Venedig auf Verbrecherjagd schickt. Nun legt sie Geschichten über ihr Leben vor - und die Ironie sprüht nur so.

»Ein Leben in Geschichten« von Donna Leon
Wahrheit oder Fantasie? Donna Leon erzählt aus ihrem Leben. Foto: Sebastian Willnow
Wahrheit oder Fantasie? Donna Leon erzählt aus ihrem Leben.
Foto: Sebastian Willnow

Die Krimi-Autorin Donna Leon bei einer Pyjama-Party wie ein Kaninchen über den Boden hüpfend? Oder wie sie geräuschlos Spioninnen entwischt? Donna Leon gar Ladendiebin? Alles dagewesen, aber ob wirklich oder in der Fantasie - da bleibt die Autorin in ihrem neuen Buch gern vage.

Die letzte Wahrheit wird man bei der Erfinderin des Commissario Brunetti aus Venedig wohl nie erfahren. Leon verrät in »Ein Leben in Geschichten«, was es mit ihrem ironischen Humor und dem Umgang mit der Wahrheit so auf sich hat.

Sie beschreibt ihre Mutter als Frau mit ungewöhnlichem Humor und einer Vorliebe für das Absurde: »Von ihr haben wir, fürchte ich, den großzügigen Umgang mit der Wahrheit geerbt.« Leon plaudert über ihre Erlebnisse in den USA, in Saudi-Arabien, dem Iran, Italien und der Schweiz. Einige Geschichten sind schon einmal als Artikel erschienen, knapp ein Viertel ist neu. Das Buch kommt am 24. August raus, einen guten Monat vor ihrem 80. Geburtstag (28. September 2022).

Ihr Denken kreist stets um Verbrechen

In einer Episode erzählt sie, wie sie in Modeboutiquen in Venedig immer wieder damit liebäugelt, mehrere Kaschmir-Pullis übereinander zu ziehen und sich zu verdrücken. Als Krimi-Autorin sei es doch normal, dass ihr Denken stets um Verbrechen kreise, schreibt sie verschmitzt. Diebstahl-Anzeigen gegen Leon sind nicht bekannt. Man kann daraus nur schließen, dass sie solchen Gelüsten entweder nur in ihrer Fantasie frönt oder eine gerissene Diebin ist, die nie erwischt wird. Leon wäre wohl begeistert von dieser Schlussfolgerung, denn sie ist eine Meisterin von Geschichten, die am Ende Fragen offen lassen.

Sie erzählt auch über ihren Großvater aus Nürnberg, der ihre Freude an Misthaufen weckte, oder über die Mutter als miserable Köchin, die den Truthahn an Thanksgiving zu Dörrfleisch verbrutzeln ließ. Sie beschreibt eine Tante, die beim Truthahn-Essen verstohlen die Handtasche auf dem Schoss behielt und mehrfach öffnete. Was dies womöglich mit dem verdörrten Fleisch zu tun hatte, überlässt Leon der Fantasie der Leserinnen und Leser.

Ihrer Mutter setzt sie ein rührendes Denkmal: »Mit einer Tasse Zucker, einem Pfund Butter, einem Dutzend Eiern und einer Tüte Mehl wurde diese Frau für Süßes, was Stradivari für die Geige war.«

Leon schreibt über Pyjama-Parties im Iran, wo sie einst Englisch unterrichtete. Wie Freunde sich die Zeit mit absurden Spielen vertrieben, wenn sie die Sperrstunde verpasst hatten und woanders übernachten mussten. Wie sie in China Spione austrickste: Sie könne bis heute leiser als ein Mäuschen Holztreppen hinunterschleichen »und es gibt keine Tür, die ich nicht geräuschlos öffnen könnte«.

Spielen in Saudi-Arabien

Mit Freunden erfand sie in Saudi-Arabien eine Art Monopoly-Spiel, um der öden Langeweile zu entgehen. Der Sieg war der Traum aller, für den man Feld 40 erreichen musste: »Verlasse den saudi-arabischen Luftraum«. Der Weg dahin sei aber mit so vielen Hindernissen gepflastert gewesen »wie der Weg der Seele ins Paradies«.

Herrlich ist die Beschreibung von Dackel Artù von Freunden in Venedig, wenn auf dem Canal Grande Touristenboote vorbeifuhren, von denen »O Sole Mio« tönte: »Völlig außer sich, sei es, weil die Musik ihn peinigte, sei es, weil er irrtümlich glaubte, sein Rudel habe sich unten versammelt und verlange nach seiner Dackelsolidarität, heulte Artù zum Gotterbarmen, während die Touristen auf den randvollen Booten Fotos schossen und ihm begeistert zuwinkten.«

Leon sinniert auch über das Alter, nachdem sie einmal zufällig hörte, wie eine Frau sie als »ältere Person« bezeichnete. Sie sei erst schockiert gewesen. Aber: »Irgendwann werden wir mit der Realität konfrontiert, dass wir plötzlich im Körper eines alten Menschen leben.« Leon nimmt das Altern ernst. Sie ist Botschafterin einer Langzeitstudie zum Altern am Universitätsspital Zürich. Leon, Amerikanerin mit Schweizer Pass, lebt seit langem in Graubünden.

Im November 2021 sprach sie dort bei einer Veranstaltung auch über das Tabu-Thema Stuhlgang. Ihr persönliches Rezept für gutes Altern, beruhend auf den Studienergebnissen: Omega 3, Vitamin D und körperliche Bewegung. »Ich will solange ich lebe gesund bleiben«, sagte sie der Nachrichtenagentur dpa. »Wenn ich etwas so Einfaches tun kann mit der guten Aussicht, dass es hilft, dann tue ich es auch.«

- Ein Leben in Geschichten, Donna Leon, Hardcover Leinen, 192 Seiten, 978-3-257-07209-9, 22 Euro.

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