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documenta: Neuer Antisemitismus-Vorwurf steht im Raum

Nach dem Antisemitismus-Eklat um die documenta 15 im vergangenen Jahr werden neue Vorwürfe gegen ein Mitglied der Findungskommission für die Leitung der kommenden Schau laut.

documenta fifteen
Die documenta 2022 war überschattet von einem Antisemitismus-Skandal. Foto: Uwe Zucchi/DPA
Die documenta 2022 war überschattet von einem Antisemitismus-Skandal.
Foto: Uwe Zucchi/DPA

Erneute Kritik an der documenta in Kassel: Dem indischen Schriftsteller Ranjit Hoskoté wird vorgeworfen, im Jahr 2019 eine Petition mit dem Titel »BDS India« unterzeichnet zu haben. Hoskoté ist Mitglied der Findungskommission für die künstlerische Leitung der kommenden Ausgabe der Weltkunstausstellung. BDS steht für »Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen«.

Die Kampagne ruft zum Boykott des Staates Israel und israelischer Produkte wegen des Vorgehens gegen Palästinenser auf. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) drohte der documenta finanzielle Konsequenzen an.

»Ich bin zutiefst betroffen von der indirekten Anschuldigung, ich sei 'antisemitisch'« erklärte Hoskoté am Freitag gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Zuerst hatte die »Süddeutsche Zeitung« berichtet.

Mit der Unterzeichnung der Erklärung habe er sich »insbesondere gegen den Hindutva-Extremismus, der erklärtermaßen von Nazismus und Faschismus inspiriert ist«, gestellt. Er habe sein Leben der Ablehnung autoritärer Ideologien gewidmet. »Unterdessen habe ich mich öffentlich und deutlich gegen jeden kulturellen Boykott Israels ausgesprochen. Ich lehne die Ziele der BDS-Bewegung ab und unterstütze sie nicht«, so Hoskoté. Insbesondere nach dem 7. Oktober 2023, dem Hamas-Terror in Israel und seinen Folgen, seien seine Gedanken sowohl beim jüdischen als auch beim palästinensischen Volk, bei der leidenden Zivilbevölkerung in Israel und Palästina.

Claudia Roth fordert glaubwürdigen Neustart

Die von Hoskoté unterzeichnete Erklärung sei »ganz klar antisemitisch und strotzt vor israelfeindlichen Verschwörungstheorien«, teilte Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) mit. Sie droht der documenta finanzielle Konsequenzen an. »Eine finanzielle Beteiligung des Bundes wird es für die nächste documenta nur geben, wenn es einen gemeinsamen Plan und sichtbare Reformschritte hin zu klaren Verantwortlichkeiten, einer echten Mitwirkungsmöglichkeit für den Bund und Standards zur Verhinderung von Antisemitismus und Diskriminierung gibt. Ich sehe hier noch keine Grundlage erreicht.« Es brauche einen glaubwürdigen Neustart bei der documenta.

Der Geschäftsführer der documenta gGmbh, Andreas Hoffmann, nannte die Unterzeichnung der Erklärung laut Mitteilung aufgrund ihrer »explizit antisemitischen Inhalte nicht im Ansatz akzeptabel«. Die Unterschrift Hoskotés sei der documenta bis Donnerstag nicht bekannt gewesen. »Ebenso wenig war uns das Statement selbst bekannt.« Hoffmann betonte: »Die Aufarbeitung der antisemitischen Verfehlungen auf der documenta 15 ist für uns ein sehr ernstes Anliegen.«

Bereits die documenta fifteen war von einem Antisemitismus-Eklat überschattet worden. Die Schau gilt neben der Biennale in Venedig als wichtigste Ausstellung für Gegenwartskunst. Hoskoté war im März neben fünf weiteren Mitgliedern von ehemaligen künstlerischen documenta-Leiterinnen und -Leitern für die Findungskommission ausgewählt worden. Die Gruppe soll bis Ende 2023 oder Anfang 2024 einen Kurator, eine Kuratorin oder ein Kollektiv für die kommende Ausgabe der documenta im Jahr 2027 vorschlagen. Die 16. Ausgabe der documenta soll vom 12. Juni bis 19. September 2027 in Kassel stattfinden.

© dpa-infocom, dpa:231110-99-901613/3