So dürfte er sich seinen Abschied nicht vorgestellt haben: Der Direktor des British Museum, Hartwig Fischer, tritt angesichts der kürzlich an die Öffentlichkeit gekommenen Diebstahlserie in dem renommierten Haus vorzeitig ab. Das teilte das Museum am Freitag mit. Der Deutsche wollte eigentlich erst im kommenden Jahr seinen Posten abgeben - »nach acht erfolgreichen Jahren an der Spitze des Hauses«, wie es in einer Mitteilung Ende Juli geheißen hatte. Nun ist »mit sofortiger Wirkung« Schluss, wie das Haus mitteilte. Fischer gab an, er werde die Leitung abgeben, sobald eine Übergangslösung gefunden sei.
Kurze Zeit später gab das Museum bekannt, dass Vize-Direktor Jonathan Williams seine Aufgaben für die Dauer einer unabhängigen Untersuchung mit sofortiger Wirkung freiwillig ruhen lässt.
Zum Verhängnis wurde dem deutschen Kulturmanager eine unerhörte Diebstahlserie, die in der vergangenen Woche an die Öffentlichkeit gekommen war. Wie das British Museum mitgeteilt hatte, waren mehrere Objekte gestohlen oder beschädigt worden. Unter anderem gehe es um Goldschmuck, Juwelen aus Halbedelsteinen und Glas. Die Gegenstände stammen den Angaben nach teilweise aus dem 15. Jahrhundert vor Christus bis zum 19. Jahrhundert nach Christus.
Mehr als 1000 Objekte sind verschwunden
Im Verdacht steht ein früherer Mitarbeiter, der im Zusammenhang mit den Vorfällen entlassen wurde und gegen den rechtliche Schritte eingeleitet wurden. Wie die Polizei mitteilte, wurde ein Mann im Zusammenhang mit den Vorfällen verhört. Eine Festnahme gab es zunächst aber nicht.
Beinahe täglich kamen neue Details ans Licht. Medienberichten zufolge sollen deutlich mehr als 1000 Objekte über einen Zeitraum von mehreren Jahren gestohlen worden sein. Zudem soll es schon 2021 Hinweise gegeben haben - etwa, dass Objekte aus dem Museum auf einer Online-Auktionsplattform zum Verkauf angeboten wurden. Die Hinweise seien jedoch nicht ernst genommen worden.
Fischer gab sich zunächst trotzig und schien die Schuld abschieben zu wollen. Es sei »frustrierend«, dass der Hinweisgeber im Jahr 2021 nicht mehr Informationen übermittelt habe. »Es wurden nur Bedenken hinsichtlich einer kleinen Anzahl von Gegenständen geäußert, und unsere Untersuchung kam zu dem Schluss, dass alle diese Gegenstände vorhanden waren«, betonte der Deutsche. Nun äußerte er Bedauern über diese Mitteilung und zog sie zurück.
Innerhalb der letzten Tage habe er im Detail die Ereignisse rund um die Diebstähle am British Museum und deren Untersuchung geprüft, teilte er in seiner Stellungnahme am Freitag mit. Es sei offensichtlich, dass das Museum auf die Warnungen im Jahr 2021 und auf das Problem, das nun vollständig zu Tage getreten sei, nicht so umfassend reagiert habe wie es nötig gewesen wäre. »Die Verantwortung für dieses Versagen muss letztlich beim Direktor liegen«, sagte Fischer laut Mitteilung.
Das British Museum in London gehört zu den wichtigsten Museen der Welt. Es beherbergt einige der bedeutendsten Kulturschätze der Menschheit. Dazu gehören ein erheblicher Teil der Parthenon-Skulpturen, der Stein von Rosetta und ägyptische Mumien.
Das Museum befinde sich in einer äußerst ernsten Situation, wurde Fischer zitiert. »Ich glaube aufrichtig, dass es diesen Moment überstehen und daraus stärker hervorgehen wird. Aber leider bin ich zu dem Schluss gekommen, dass meine Anwesenheit nicht hilfreich ist. Das ist das Letzte, was ich will.«
Der Aufsichtsratschef des Museums, George Osborne, sagte in der Mitteilung, das Gremium habe Fischers Rücktritt angenommen. Er habe sich ehrenhaft verhalten, indem er sich mit den begangenen Fehlern auseinandergesetzt habe. »Niemand hat jemals an Hartwigs Integrität, seinem Engagement für den Beruf oder seiner Liebe für das Museum gezweifelt.«
Fischer hatte vor seinem Posten in London bedeutende deutsche Museen geleitet. Er war von 2006 an Direktor des Museums Folkwang in Essen. Im Jahr 2012 wurde er Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Dann wurde er nach London berufen. Ende Juli gab er bekannt, den Posten im Jahr 2024 abgeben zu wollen und teilte mit, in einer neuen Rolle künftig »über den institutionellen Rahmen eines einzelnen Museums hinausgehen« zu wollen.
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