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»Ausnahme-Erscheinung«: Rosemarie Trockel wird 70

Strickbilder, Herdplatten-Skulpturen und Tierfilme - Rosemarie Trockel zählt mit ihren vielseitigen, humorvollen Arbeiten zur Spitze der internationalen Kunstszene. Dass sie nie Interviews gibt, hat einen besonderen Grund.

Rosemarie Trockel
Die Künstlerin Rosemarie Trockel in einer Ausstellung im Schloss Morsbroich 2012. Foto: Oliver Berg
Die Künstlerin Rosemarie Trockel in einer Ausstellung im Schloss Morsbroich 2012.
Foto: Oliver Berg

Um 1980 wurde die damals bundesweit tonangebende Kölner Kunstszene von den »jungen Wilden« beherrscht - Männern wie Martin Kippenberger, Georg Herold oder Albert und Markus Oehlen. Sie traten unbekümmert, laut und martialisch auf. Aber dann kam eine Frau und etablierte ohne jedes Auftrumpfen, aber sehr reflektiert eine Gegenposition: Rosemarie Trockel.

Heute ist sie bekannter als die meisten Männer aus dem damaligen Kunstmilieu. Der in Deutschland erscheinende Kunstkompass listet Trockel regelmäßig unter den Top Ten der lebenden Künstlerinnen und Künstler auf. Am Sonntag (13. November) wird die 1952 in Schwerte geborene Wahl-Kölnerin 70 Jahre alt.

»Rosemarie Trockel ist eine Ausnahme-Erscheinung in der Kunst«, sagt Yilmaz Dziewior, der Direktor des Museums Ludwig, eines der wichtigsten deutschen Museen für zeitgenössische Kunst und Kunst der klassischen Moderne. Schon früh in ihrer Karriere wurde Trockel durch Ausstellungen etwa in New York auch international bekannt.

Sie nutzt das ganze Spektrum

Der Durchbruch kam mit ihren Strickbildern, die sich humorvoll mit dem Klischee der strickenden Hausfrau auseinandersetzen. In eine ähnliche Richtung gehen ihre Herdplatten-Skulpturen. »Was sie auszeichnet, ist eine Leichtigkeit, die den Einstieg in ihr Werk sehr unterstützt«, erläutert Dziewior. Ihre Arbeiten sind ästhetisch bravourös umgesetzt. Durch den scheinbaren Kontrast zu alltäglichen Themen wie Handarbeit oder Kochen fragt man sich als Betrachter unwillkürlich: Was hat das jetzt hier im Kunstkontext zu suchen? Schon ist man dabei, über Kunst nachzudenken.

Trockel ist aber auch eine auffallend wandelbare Künstlerin. »Es gibt nicht den einen Trockel-Stil«, betont Dziewior. Das wird schon dadurch deutlich, dass sie in den unterschiedlichsten Medien arbeitet. Sie fertigt Bilder an, Zeichnungen, Skulpturen, Installationen, Filme. »Sie nutzt also das ganze Spektrum und lässt sich nicht auf eine Handschrift oder ein Thema festlegen.«

Wertschätzung für Tiere

Für bis heute unterbewertet hält Dziewior Trockels Filme, insbesondere jene über Tiere. Vor allem Hunde und Affen sind in ihrem Werk präsent. »Die Wertschätzung und Achtung von Tieren, das Tier als gleichberechtigter Lebenspartner des Menschen - das ist ein wichtiger Aspekt.« Und dies eben schon vor 20, 30 Jahren, als das Thema noch lange nicht so im Fokus stand wie heute.

Dziewior selbst kennt Trockel schon seit Jahrzehnten. Noch als Student wurde er 1997 von ihr gebeten, für einen ihrer Filme in einem Che-Guevara-T-Shirt durch eine Installation von Sarah Lucas im Museum Ludwig zulaufen. »Das hebt mich aber gar nicht heraus, es ist eine gängige Praxis von ihr, ihr Umfeld, Bekannte und Freunde in ihre Arbeit zu integrieren.«

Trockel lässt ihre Werke für sie sprechen

Interviews gibt Trockel so gut wie nie. Ihr Werk soll sprechen, nicht sie selbst. »Ich kann das gut verstehen«, sagt Dziewior. »Sie sieht sich selbst einfach nicht als eine Instanz, die mehr über Kunst weiß als das Publikum. Sondern sie hat ein starkes Bewusstsein dafür, dass jede und jeder einen anderen Zugang zu ihrem Werk hat. Das interessiert sie viel mehr, als sich selbst darüber reden zu hören.« Als Trockel ihre Laufbahn begann, wurde zudem oft noch mehr über Aussehen, Frisur und Kleidung einer Künstlerin geschrieben als über ihr Werk. »Was man bei einem Mann absolut nicht gemacht hätte. Bei Gerhard Richter lesen Sie bei Texten aus dieser Zeit nirgendwo, was er anhatte.«

Mittlerweile gehört es sozusagen mit zur Trockels Marken-Kern, dass sie sich der Öffentlichkeit entzieht. Was nicht bedeute, dass sie unnahbar wäre, sagt Dziewior. »Im Gegenteil, sie ist sehr offen. Es hat mich immer beeindruckt, wie sie mit Menschen umgeht, etwa mit den Studierenden. Sie ist keine dozierende Autoritätsperson, sondern unglaublich neugierig. Sie lässt sich immer wieder auf neue Dinge ein - auch heute noch, mit nun fast 70 Jahren.«

© dpa-infocom, dpa:221111-99-474874/3