GAMMERTINGEN-MARIABERG. »Wir erfahren ganz viel Dankbarkeit«, erzählt Katrin Roßbach vom Medizinischen Versorgungszentrum Mariaberg (MVZ). »Seit November erhalten wir viele Anrufe von Leuten, die ihre Erstimpfung gegen Covid-19 machen lassen wollen.« So auch von einem etwa 90-Jährigen, der seit Beginn der Pandemie sein Zuhause aus Selbstschutz fast nie verlassen hat. »Jetzt kam er aber ohne Impfnachweis nicht mehr in die Bücherei – das war für ihn ausschlaggebend«, berichtet Roßbach. Der Piks dauert nur wenige Sekunden – den größten Zeitaufwand haben die Mitarbeiter des MVZ mit der Vor- und Nachbereitung der Corona-Impfung, wie zum Beispiel der Dokumentation und dem Erstellen der Zertifikate.
»Am Ende der Woche wissen wir, ob und wie viel Impfstoff wir am Montag haben«, erzählt Roßbach. Jede Dosis muss von Hand mit Kochsalzlösung verdünnt werden. Aufgezogen ist der Impfstoff gerade mal fünf Stunden haltbar. Umso ärgerlicher, wenn manche Personen zum vereinbarten Termin nicht erscheinen und auch auf Anrufe nicht reagieren. »Bisher haben wir übrigen Impfstoff noch jedes Mal mit Rumtelefonieren an den Mann gebracht«, betont Roßbach.
»Was die Kolleginnen hier leisten, ist ein kolossal hoher administrativer Aufwand«, betont Allgemeinmediziner Friedrich Kähny, der die Impfungen im MVZ bis zur Übergabe an seinen Nachfolger Dr. Ralf Zarth im Frühjahr durchführt. Bereits seit Anfang 2021 stemmt die Belegschaft die Impfkampagne hoch engagiert mit – erst durch Unterstützung der mobilen Impfteams, die in Mariaberg Station machten, und seit Herbst in Eigenregie als Corona-Schwerpunktpraxis. Impfen lassen konnten sich hier die Patienten des MVZ, aber auch Externe sowie Mitarbeiter des Unternehmens Mariaberg und seiner Töchterfirmen. Bei den bisherigen Impfaktionen wurden rund 100 Personen pro Woche vom MVZ geimpft. Mitte Januar wurde die 1 600er-Marke überschritten. Hinzu kommen Hausbesuche und externe Impfaktionen in Firmen der Umgebung.
»Wir sind zu Telefondamen mutiert«, fasst es Roßbachs Kollegin Nicole Steinhart zusammen: »Unsere Leitung ist ständig belegt.« Neben der Anmeldung zum Impfen hätten viele Anrufer auch Fragen zu Quarantäneregelungen, zum Freitesten und zu den Impfstoffen. »Dass das Gesundheitsamt überlastet ist, merken wir natürlich auch, indem wir deren Beratungen übernehmen«, erklärt Steinhart. Vier Mitarbeiter des MVZ sind mit der Impfaktion vor Ort beschäftigt.
Vierte Impfung angefragt
Die Zusatzbelastung wird vom gesamten Team getragen, erklärt Praxismanagerin Cornelia Geisse: »Die Tests auf Corona laufen ja parallel weiter und auch die anderen Krankheiten ruhen in dieser Zeit leider nicht. Wir sind alle am Rand unserer Kräfte – Impfverweigerer zu akzeptieren, fällt auch uns zunehmend schwerer. Für deren Pflege schieben wir alle im Gesundheitsbereich Überstunden.«
Mittlerweile fragen Impfwillige schon für die vierte Impfung an. Die Mitarbeiter des MVZ sind bereit, appellieren aber nachdrücklich vor allem an die bisher Ungeimpften, die selbst in der Pflege oder Betreuung von Menschen tätig sind: »Überlegt euch doch bitte, wo ihr arbeitet und welche Klientel ihr betreut. Man muss sich fragen: Will ich wirklich schuld daran sein, wenn jemand durch mich angesteckt wird, krank wird oder stirbt?«
Ihr Fazit: »Wir haben den Wunsch, dass sich noch viel mehr Leute impfen lassen. Dann wird es für uns alle auch wieder leichter.« (vea)