NEW YORK. Es war Tag 579 in Donald Trumps Präsidentschaft. Der denkwürdige Dienstag war noch kaum vergangen, da waren sich die Kommentatoren schon einig: Es war einer der schlechtesten Tage, die der 45. Präsident der Vereinigten Staaten im Amt erlebt hat.
Sein ehemaliger Anwalt und Vertrauter Michael Cohen zog den Präsidenten mit einem eigenen Schuldeingeständnis in den Sog möglicher Kriminalität - und lässt ein Amtsenthebungsverfahren damit nicht mehr nur als theoretisches Konstrukt erscheinen.
Cohen, von hart ermittelnden Staatsanwälten in New York in die Enge getrieben, musste vor Gericht neben einer Reihe weiterer Straftaten zugeben, dass er Schweigegelder an zwei Frauen gezahlt hat. Und nebenbei erwähnte er dabei mit, dass er dies im Herbst 2016 getan hat, um Schaden vom Wahlkampf eines Kandidaten abzuhalten, der damals für ein Bundesamt kandidierte. Und dass dieser Kandidat eingeweiht und beteiligt gewesen sei.
Völlig offen ist, was Cohen noch alles weiß - und im Zweifel bereit ist, preiszugeben. Sein Anwalt Lanny Davis sprach von einer »Evolution bei der Loyalität« Cohens zu Trump. Vor Monaten rühmte sich Cohen noch, er sei sogar bereit, eine Kugel abzubekommen, wenn er Trump damit schützen könne. Das Trump-Lager arbeitete am Mittwoch hart, um Cohen als Lügner darzustellen.
Die Empfängerinnen des fraglichen Schweigegeldes waren - das geht schon allein aus den gezahlten Summen hervor - Ex-Porno-Star Stormy Daniels und das frühere Playmate Karen McDougal. Beide geben an, mit Donald Trump Affären gehabt zu haben. Der »Kandidat« kann niemand anders als Donald Trump selbst sein.
Der Präsident steht mit einem Mal im Verdacht, sich an einer Straftat - nämlich der illegalen Wahlkampffinanzierung - beteiligt zu haben. Dass sein früherer Wahlkampfmanager, den Trump selbst als »guten Mann« bezeichnet, praktisch zeitgleich in acht Anklagepunkten wegen Bank- und Steuerbetrugs schuldig gesprochen wird und womöglich für den Rest seines Lebens ins Gefängnis muss, verkommt fast zur Randnotiz.
Die oppositionellen Demokraten nehmen den Ball dankbar auf. Es müsse jetzt darum gehen, Sonderermittler Robert Mueller weiter arbeiten zu lassen und ihn davor zu schützen, von Trump entlassen zu werden, sagte die Senatorin Elizabeth Warren. Über ein mögliches Amtsenthebungsverfahren wollte sie noch nicht reden. Den Demokraten geht es offenbar darum, soviel Puzzleteile wie möglich zu sammeln.
Dass die derzeitige Opposition jede Möglichkeit zum Versuch eines Impeachments ergreifen wird, darüber sind sich die Strategen im Trump-Lager im Klaren. Der ehemalige Trump-Berater Steven Bannon sagt deshalb: »Die Wahlen im November werden zu einem Referendum über ein Amtsenthebungsverfahren.«
Die Affäre um die Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels und das ehemalige Playmate Karen McDougal hat damit eine neue, dramatische Wendung genommen. Cohen, der vor kurzem in einem Interview sagte, seine Loyalität gelte seiner Familie und seinem Land, belastet Donald Trump, der ein Jahrzehnt lang sein Chef war. Cohens Anwalt Lanny Davis spricht von einer »Evolution in der Loyalität«. Die Aussagen bringen den Präsidenten in Bedrängnis.
Cohen trägt einen dunklen Anzug und eine goldene Krawatte, als er am Dienstagnachmittag im Gerichtssaal sitzt und zuhört, wie der Richter die Bedingungen einer einvernehmlichen Absprache mit der Staatsanwaltschaft vorträgt. Der 51-Jährige bekennt sich in acht Punkten schuldig. Neben den Verstößen gegen Gesetze zur Wahlkampffinanzierung geht es dabei um Steuerhinterziehung und Bankbetrug.
»Schuldig, Euer Ehren«, sagt Cohen immer wieder. Er erklärt, er habe das Schweigegeld gezahlt, um Einfluss auf die Wahl zu nehmen. Am Ende der Anhörung fordert der Richter Cohen auf, seinen Reisepass abzugeben. Der 51-Jährige zahlt 500.000 US-Dollar Kaution, das Urteil soll im Dezember folgen.
Trump und sein Umfeld haben in den vergangenen Monaten verschiedene Darstellungen zu der Zahlung an Stormy Daniels abgegeben. Anfang April verneinte der Präsident an Bord der Air Force One eine Frage, ob er über die Zahlung an Stormy Daniels informiert gewesen sei. Er wisse auch nicht, woher das Geld gekommen sei. Als er damals gefragt wurde, warum sein Anwalt das Geld gezahlt habe, sagte Trump: »Das müssen Sie Michael Cohen fragen.«
Im Mai erklärte dann Trumps Anwalt Rudy Giuliani, der Republikaner habe Cohen entschädigt, nachdem dieser die 130.000 US-Dollar an die Pornodarstellerin gezahlt habe. Die Zahlungen seien nach dem Wahlkampf von einem »persönlichen Familienkonto« Trumps an Cohen gegangen. Am Dienstag sagt Giuliani, in den Anklagen gegen Cohen würden keinerlei Vorwürfe gegen den Präsidenten erhoben. Es sei Cohen, der über lange Zeit gelogen habe, darauf weise auch die Staatsanwaltschaft hin.
Das mag stimmen, aber die Entwicklungen vom Dienstag lassen Trump dennoch in einem schlechten Licht dastehen, schließlich war er es, der sich mit Menschen wie Cohen und Manafort umgab. Als er letzteren in sein Wahlkampfteam holte, hatte dieser sich längst einen zweifelhaften Ruf erarbeitet. Manafort war über Jahrzehnte als Lobbyist und Politikberater tätig, zu seinen Klienten zählten Diktatoren und Regimes in Afrika, Asien und Südamerika. Meist ging es um viel Geld. Mehrere Jahre lang machte er Lobbyarbeit für den damaligen ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch.
Es stimmt, dass Manaforts Verfahren nicht direkt etwas mit dem Kern der Russland-Ermittlung zu tun hat. Dabei untersucht der frühere FBI-Direktor und Sonderermittler Robert Mueller, ob es bei den mutmaßlich russischen Einflussversuchen auf die Präsidentschaftswahl 2016 geheime Absprachen mit Trumps Wahlkampflager gab. Aber die Vorwürfe gegen Manafort haben sich aus Muellers Ermittlungen ergeben und es war der erste Prozess, der dabei zustande kam. Auch im Fall von Cohen bekamen die Ermittler in New York den Tipp von Muellers Team.
Cohen ist zudem nicht der erste einstige Vertraute von Trump, der sich in einem Verfahren schuldig bekannt hat. Auch der ehemalige Nationale Sicherheitsberater des Präsidenten, Michael Flynn, hat das getan. Er hat eingeräumt, das FBI belogen zu haben. George Papadopoulos und Rick Gates sind zwei weitere ehemalige Berater aus Trumps Wahlkampflager, die sich schuldig bekannt haben.
Trump erwähnt bei seinem Wahlkampfauftritt am Abend weder Cohen noch Manafort. Er versucht, bei seinen jubelnden Anhängern mit einer deregulierten Energiepolitik und dem Zurückschrauben von Barack Obamas Klimapolitik zu punkten. In West Virginia gelingt das. (dpa)