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Kreiskliniken – Rund um die Uhr werden auch am Reutlinger Steinenberg Leben gerettet

Was in der Notaufnahme Priorität hat

Der kleine Mann hinter dem großen Bildschirm hatte einen Unfall. Die Ärztin schaut nach, was ihm fehlen könnte. Glücklicherweise ist alles in Ordnung Foto: PR
Der kleine Mann hinter dem großen Bildschirm hatte einen Unfall. Die Ärztin schaut nach, was ihm fehlen könnte. Glücklicherweise ist alles in Ordnung
Foto: PR

Reutlingen.Es ist ein Ort, den niemand gerne besucht – aber man dennoch dankbar ist, dass es ihn gibt. Denn die Notaufnahme des Klinikums am Steinenberg hat schon viele Leben gerettet. »So wie jetzt ist es ein ungewöhnlich ruhiger Montagabend«, sagt die leitende Oberärztin Dr. med. Barbara Lindenstrauß. Womit sie keinesfalls die Geräuschkulisse meint, denn ständig sind tiefe leise Töne aus den Überwachungsmonitoren zu hören, dazu klingelt das Telefon, sind die Rollen von Bahren des Rettungsdienstes zu hören. Ruhig ist es, erklärt die Medizinerin, »weil wir aktuell nur 30 Patienten in Behandlung haben. Unlustig wird’s ab 50«

Die leitende Oberärztin Dr. med. Barbara Lindenstrauß am Bett einer Patientin. Foto: PR
Die leitende Oberärztin Dr. med. Barbara Lindenstrauß am Bett einer Patientin.
Foto: PR

Eine Stunde bevor um 22 Uhr die sechs Pflegerinnen und Pfleger sowie vier Ärztinnen und Ärzte der Tagesschicht abgelöst werden, liegen in der Notaufnahme Menschen, die Glück gehabt haben, neben tragischen Fällen. Im Gang hinten rechts untersucht eine Ärztin den kleinen Mann, der einen Unfall hatte. Rechtes Bein und Arm stecken in Bandagen. Jetzt schaut die Medizinerin aufmerksam mit Ultraschall in den Bauch des Jungen. Wenig später können er und sein Vater wieder nach Hause gehen. Puh, der Schrecken steht ihnen wirklich ins Gesicht geschrieben. Aber die alte Dame mit weit über 80 Lebensjahren, die Barbara Lindenstrauß besucht, ist wirklich schlimm dran. Ganz blass ihr Gesicht, ängstlich der Blick. Sie hat Schmerzen, ist im Pflegeheim gestürzt, wobei sie sich die Hüfte gebrochen hat. Für diese Patientin beginnt ein langer Behandlungsweg, an dessen Ende man ihr nur wünschen kann, dass sie wieder halbwegs mobil wird.

»Die Notaufnahme ist ein eigener Mikrokosmos«, erklärt die Oberärztin, »die Arbeit ist nie planbar, nie vorhersehbar. Mann muss improvisieren und darf trotzdem nie den Überblick verlieren«. Wobei Improvisieren niemals experimentieren bedeute, »sondern alle unsere Möglichkeiten extrem schnell auf eine neue Situation anzuwenden«. Beispielsweise bei einem Mann, der vom Rettungsdienst als »Sturzverletzung« mit einer Platzwunde am Kopf eingeliefert wird. Tatsächlich hat er sich aber einen Riss in der Milzzugezogen. Wäre das nicht schnell im Computertomografen des Schockraums entdeckt worden, hätte es bedrohlich werden können. »Der Mann ist jetzt im OP«, sagt Lindenstrauß.

Der Rettungsdienst bringt eine Frau mit akuter Atemnot in den Raum zur Ersteinschätzung. Hier wird schnell entschieden, wie ihr bestmöglich geholfen wird. Foto: PR
Der Rettungsdienst bringt eine Frau mit akuter Atemnot in den Raum zur Ersteinschätzung. Hier wird schnell entschieden, wie ihr bestmöglich geholfen wird.
Foto: PR

Kooperation zwingend

Minuten später wird sie den Chirurgen auf dem Gang treffen, der diesen Patienten operierte. Der Kollege lächelt, wirkt trotz stundenlangem Dienst entspannt. Überhaupt ist auf der Notaufnahme bei allem Ernst eine überaus gute Stimmung bei denen zu spüren, die hier Dienst haben. »Warum arbeitet man hier«, fragt Lindenstrauß – um gleich zu antworten: »Wegen des Teams. Ohne die Pflege wäre ich als Ärztin nichts.« Alle duzen sich hier. Wenn’s wirklich darum geht, schnell zu entscheiden, zu behandeln, Leben zu retten, ist Kooperation zwingend erforderlich.

»Es geht darum, jedem Patienten gerecht zu werden«, betont die Oberärztin. Wer es besonders nötig hat, wird immer zuerst behandelt – egal, wer da sonst noch wartet. Und es nötig zu haben, ist keine beliebige Bewertung. Im Raum zur Ersteinschätzung arbeitet Daniel Lange. Gerade schiebt der Rettungsdienst eine Frau in den Raum, die unter akuter Atemnot gelitten hat. Die jungen Rettungssanitäterinnen beschreiben den Zustand der Patientin, die mit einem Sauerstoffschlauch unter der Nase auf der Rolltrage wartet. Daraus zieht Lange die korrekten Konsequenzen, und ordnet der Frau nach dem Emergency Severity Index (ESI) in die gelbe Kategorie ein. Diese Farbe signalisiert, dass die Frau mehr als zwei medizinische Behandlungsressourcen benötigt: Laboruntersuchung ihres Blutes plus einen Behandlungsplatz mit Sauerstoff und natürlich auch eine ärztliche Anamnese. In der ESI-Skala wären rot jene Menschen, bei denen wegen Lebensgefahr eine sofortige Intervention nötig ist. Wer die Arbeit in der Ersteinschätzung beobachtet, für den sind Wartezeiten in der Notaufnahme sehr verständlich. »Bei uns läuft es nach Priorität. Das größte Missverständnis ist, dass wer mit dem Rettungsdienst kommt, sofort behandelt wird«, sagt Lange. Nein, direkt dran kommt der, dem es wirklich dreckig geht. Ganz gleich wie er die Notaufnahme erreicht hat. Die Tagesschicht des Personals hat ihren Feierabend um 22 Uhr erreicht. Die Arbeit aber, die endet hier niemals. (GEA)