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Aktuell Begegnung

Kontakte knüpfen in der Patch World

Nähen, stricken, kennenlernen: Neuer Kreativ-Treff in Trochtelfingen bringt Frauen aus aller Welt zusammen

Magdalena Kuhn sieht genauer hin: Sockenstricken in der chinesischen Variante ist anders, funktioniert aber genauso gut.
Magdalena Kuhn sieht genauer hin: Sockenstricken in der chinesischen Variante ist anders, funktioniert aber genauso gut. Foto: Marion Schrade
Magdalena Kuhn sieht genauer hin: Sockenstricken in der chinesischen Variante ist anders, funktioniert aber genauso gut.
Foto: Marion Schrade

TROCHTELFINGEN. Zwei aus ihrer Heimat geflohene Chinesinnen, eine Frau aus Nigeria und eine 22-Jährige aus Eritrea, eine Engländerin, die schon seit fast 30 Jahren in Deutschland lebt, und mehr als ein Dutzend Trochtelfingerinnen: Für den Anfang war der internationale Handarbeitstreff in der Pfarrscheuer schon ganz schön multikulturell und generationenübergreifend. Genau darum geht’s den Organisatorinnen auch, die mit ihrem wöchentlichen Angebot etwas schaffen wollen, das bisher im Städtle fehlt: eine regelmäßige Begegnungsmöglichkeit, einen Treffpunkt von und für Frauen, mit Sachen, die vielen Frauen Spaß machen. Handarbeiten, Tee trinken, schwätzen – kurzum: einen guten Nachmittag miteinander verbringen. Von jetzt an immer jeden Mittwoch von 16 bis 18 Uhr.

Von der Anfängerin bis zum Profi

In der Frauengemeinschaft wie auch in der Asylarbeit Engagierte waren es, die die Idee hatten, das Prinzip der traditionellen Lichtstube in einer modernen Variante auszuprobieren. Der Handarbeitstreff, der den kreativen Namen »Patch World« trägt, ist für alle gedacht, die Gesellschaft suchen, gerne nähen, stricken, häkeln oder sonst in irgendeiner Form textil kreativ sind – oder sein möchten. Die 22-jährige Ruta Abrahale, die aus Eritrea stammt, sitzt zum ersten Mal an einer Nähmaschine. Die Trochtelfingerin Esther Assagour zeigt ihr die wichtigsten Handgriffe, zwei Stunden später ist die weiße Tasche fertig und Ruta strahlt. Dabei bedarf es gar nicht vieler Worte, Kommunikation gelingt beim gemeinsamen Werkeln ganz von selbst.

Ann Schulz ist ihre britische Herkunft – obwohl sie seit fast drei Jahrzehnten in Deutschland lebt und die Sprache perfekt spricht – noch in Gestalt eines charmanten Akzents anzuhören. Dank ihrer Muttersprache kann sie sich gut mit Peace Etumudor verständigen. Der Nigerianerin ist Englisch als Alltagssprache ebenso vertraut wie die Arbeit an einer Nähmaschine. In ihrer Heimat habe sie als »Fashion Designer« gearbeitet, erzählt die junge Frau, deren Baby selig in einem Tuch auf ihrem Rücken schlummert, während sie ihren Blick konzentriert auf Nadel, Faden und Stoff richtet und sich versiert Stich um Stich vorarbeitet.

Die anderen Frauen am Tisch sind derweil in ihre Stricksachen vertieft. Die Socke von Ursel Lempp ist schon so gut wie fertig, die beiden chinesischen Frauen gegenüber haben gerade erst Faden geschlagen und die ersten Maschen gestrickt. Wolle und Nadeln gibt’s im Handarbeitstreff genauso wie zwei Nähmaschinen, Stoffe und sonstige Materialien – dank großzügiger Spenden, die die Organisatorinnen bereits im Vorfeld erhalten haben und über die sie sich auch künftig freuen.

Die Arbeitstechnik der Chinesinnen wird von den Trochtelfingerinnen staunend beobachtet: Das Nadelspiel hat eine Nadel weniger als in der schwäbischen Variante, außerdem wird der Faden eher mit den Fingern auf die Nadel gewickelt als mit zwei Nadeln gestrickt. Wer einfach eine Weile zusieht, versteht, wie’s geht. Nachfragen quittieren die Chinesinnen mit einem freundlichen Lächeln und Nicken: In ihrem Fall ist die Sprachbarriere besonders groß, weiß Ursel Lempp, die auch Sprachkurse für Flüchtlinge gibt und die beiden schon kennt: »Sie sprechen überhaupt kein Englisch, sodass eine Vermittlungsebene völlig fehlt.«

Trotzdem: Schweigsam oder schüchtern geht’s an diesem Nachmittag nicht zu, in der Pfarrscheuer herrscht eine offene und betriebsame Atmosphäre. Magdalena Kuhn aus Mägerkingen genießt sie offensichtlich, die generationenübergreifende Gemeinschaft. »Der Altersunterschied spielt überhaupt keine Rolle«, findet auch Senta Hummel. Was spricht dagegen, dass eine 20-Jährige sich gut mit einer 70-Jährigen versteht? Gar nichts. »Wir können nur voneinander lernen«, ist Senta Hummel überzeugt. Handarbeitstechniken aus anderen Ländern natürlich, aber nicht nur.

»Wir wollen intensiveren Kontakt zu den geflüchteten Frauen suchen, ihnen die Möglichkeit bieten, auch mal außerhalb ihrer Familien etwas zu unternehmen«, beschreibt Senta Hummel, die auch in der Trochtelfinger Frauengemeinschaft engagiert ist, ihre Motivation, dabei zu sein. »Ich lasse mich einfach überraschen, was ich geben kann und was ich mitnehmen kann«, hofft sie auf noch viele schöne gemeinsame Nachmittage, an denen man sich Stück für Stück ein bisschen näher kommt. (GEA)

WÖCHENTLICHE TREFFEN

Patch World heißt der neue internationale Handarbeitstreff, den Trochtelfinger Frauen gegründet haben. Zu den wöchentlichen Treffen – immer mittwochs von 16 bis 18 Uhr in der Pfarrscheuer – sind alle willkommen. Regelmäßige Besucherin oder sporadischer Gast, Strick-Profi oder absolute Anfängerin, in Trochtelfingen verwurzelt oder gerade erst angekommen: Alle, die Spaß an Handarbeiten und Begegnungen haben, sind eingeladen. Mit jedem Treffen wird die Gemeinschaft so ein Stück bunter und größer – frei nach dem Patch-Work-Prinzip, nach dem sich die Gruppe benannt hat. (ma)