REUTLINGEN. Mit acht Jahren war er Vollwaise, kam nach Reutlingen ins Kinderheim, als Autodidakt brachte er es in der Leichtathletik zum deutschen Juniorenmeister im Dreisprung, ehe er als Fußballer beim SSV Reutlingen für Schlagzeilen sorgte. Die Rede ist von Max Pleikies, der auch später im Berufsleben sehr erfolgreich agierte und 42 Jahre eine Firma führte. Am 24. März wurde Pleikies 80 Jahre alt.
In Pleikies schlummerte ein sportliches Multi-Talent. In seiner Jugend blieb das aber lange Zeit unbemerkt. Nachdem er jedoch bei Bundesjugendspielen immer wieder mit spektakulären Leistungen aufhorchen ließ, trat er als 15-Jähriger beim SSV Reutlingen in die Leichtathletik-Abteilung ein. Dort fühlte sich der kleine Max überaus wohl. »Wir hatten eine gute Jugend-Mannschaft und eine tolle Kameradschaft«, erinnert er sich in einem Gespräch in den Redaktionsräumen des GEA.
Im Jahr 1965 feierte er seine größten Erfolge als Leichtathlet. Zunächst wurde er zu zwei Junioren-Länderkämpfen gegen Frankreich und Polen eingeladen. »Deutschland hat beide Wettkämpfe gewonnen und ich habe mit Siegen im Dreisprung dazu beigetragen«, erzählt er voller Stolz. Schließlich wurde er deutscher Juniorenmeister im Dreisprung, ursprünglich nicht seine Parade-Disziplin. »Ich habe es einfach mal probiert.« Aus dem Probieren wurde Gold. Pleikies triumphierte mit 14,65 Metern.
Pleikies wurde 1965 württembergischer Juniorenmeister über 200 Meter Hürden und im Dreisprung. Seine große Liebe galt aber dem Zehnkampf. 6.700 Punkte nach alter Wertung lautete seine Bestmarke. Die Einzelleistungen sind auch heute noch beachtlich. Wenn man die Umstände betrachtet (Ausrüstung, Aschenbahn), sind sie definitiv außergewöhnlich gut. Die 100 Meter sprintete er in 11,1 Sekunden, im Weitsprung landete er bei 7,10 Metern, die Kugel stieß er 14 Meter weit hinaus, im Hochsprung überquerte er 1,90 Meter, die 400 Meter rannte er in 51 Sekunden, über 110 Meter Hürden kam er nach 15,2 Sekunden ins Ziel, im Diskuswurf wurden 42 Meter notiert, mit dem Stab schaffte er 3,60 Meter, im Speerwurf wurden 50 Meter gemessen und die 1.500 Meter absolvierte er in 4:50 Minuten. »Die 1.500 Meter waren eine saumäßige Disziplin, die waren tödlich«, erzählt er mit einem Lächeln im Gesicht.
Angebote von anderen Vereinen
Pleikies' Leistungen sind auch deshalb aller Ehren wert, weil er tagsüber als Flaschner-Installateur gearbeitet und abends drei bis vier Stunden trainiert hat. »Wir hatten beim SSV keinen Trainer. Ich habe alles aus eigener Erfahrung gemacht und gleichzeitig die anderen Athleten trainiert.« Das Talent war zweifellos vorhanden, mit Sicherheit hätten aus ihm noch viel bessere Leistungen herausgekitzelt werden können, wenn er unter fachkundiger Aufsicht trainiert hätte und wenn er nicht so häufig von Verletzungen zurückgeworfen worden wäre. »Ich hatte Angebote von den Stuttgarter Kickers, vom VfB Stuttgart und von Salamander Kornwestheim.« Und weshalb blieb er dem SSV treu? »Wegen der guten Kameradschaft bin ich hiergeblieben.« Urkunden aus seiner Zeit als Leichtathlet hat er viele eingeheimst. »Die waren alle in einem Karton, ehe sie meine Frau Dorothea sauber in Ordern abgelegt hat.« Nach einer kurzen Pause fügt Pleikies hinzu: »Ich weiß nicht mal, wo der Ordner steht.«

Ordner füllen könnte man auch mit den fußballerischen Erfolgen des Max Pleikies. Die ersten Berührungspunkte mit den SSV-Fußballern hatte er an einem Sonntagvormittag nach dem Waldlauf-Training. "Da haben wir Leichtathleten immer gekickt." Eines Sonntagmorgens, es lagen 15 Zentimeter Schnee auf dem Platz, habe ihn der damalige Vertragsspieler Horst Sattler gefragt, ob die Leichtathleten gegen die Fußballer ein Spiel machen wollen. Die Leichtathleten wollten - und verloren nur denkbar knapp gegen die Fußball-Asse. Sattler fragte Pleikies nach Spielende, bei welchem Verein er Fußball spiele. "Er konnte es nicht fassen, dass ich nur sonntags mit den Leichtathleten aus Spaß ein bisschen kicke." Dass in Pleikies auch ein Fußball-Talent steckt, machte in der Führung des SSV schnell die Runde. "Als ich beim Hauptverein fragte, ob wir für den Stabhochsprung einen Glasfiberstab anschaffen können, sagt der damalige Geschäftsführer Ernst Thumm: "Den bezahlen wir, aber erst wenn du bei uns auch Fußball spielst."
Bild-Reporter kommt zu Besuch
In der Saison 1970/71 stand Pleikies in den Reihen der SSV-Amateure, die in der Schwarzwald-Bodenseeliga um Punkte kämpften. Zur Erklärung: Das war damals die dritthöchste Spielklasse unter der Bundesliga und Regionalliga, in der die Erste der Reutlinger angesiedelt war. Ein Jahr später, es war der dritte Spieltag, gab der SSV in der Regionalliga Süd seine Visitenkarte beim 1. FC Nürnberg ab. Der »Club« war damals eine große Nummer, deutscher Rekordmeister und für Regionalliga-Verhältnisse mit zahlreichen Starspielern besetzt. SSV-Trainer Willibald Hahn hatte vor der Partie in Nürnberg große Personalnot. »Der damalige Abteilungsleiter Charly Degen hat mich gefragt, ob ich mit nach Nürnberg fahren will.« Pleikies wollte.
Dann kam der erste Auftritt des Max Pleikies auf der großen Fußballbühne. Pleikies sollte Gustl Starek beschatten. Von dem hatte er zuvor nie etwas gehört. Dabei war Starek ein Großer, wurde mit Nürnberg 1968 und mit Bayern München 1969 deutscher Meister, war zudem österreichischer Nationalspieler. Starek wurde nach 45 Minuten ausgewechselt, der SSV gewann 3:2. Der Kicker schrieb damals: »Trainer Hahn hatte das letzte Aufgebot zusammengetrommelt. Er steckte sogar den Mehrkämpfer Pleikies, der nur ab und zu in der Amateurelf aushilft, in ein Spielertrikot.« Der GEA schrieb in der Ausgabe vom 30. August 1971: »Der junge Pleikies aus der Amateurmannschaft raubte Österreichs Nationalspieler Starek den Unternehmungsgeist.« In manchen Gazetten wurde Pleikies als Skirennläufer oder Handballer bezeichnet. »Einige Tage nach dem Spiel in Nürnberg kam ein Reporter der Bild-Zeitung zu uns ins Training und machte eine Story über mich«, erinnert sich der damalige Emporkömmling.
Pleikies kam in zwei Regionalliga-Spielzeiten auf 33 Einsätze. Nach dem Abstieg 1973 wurde der SSV in der Saison 1973/74 deutscher Amateurmeister. Ein Jahr später stieg der Kreuzeiche-Club in die 2. Bundesliga auf. »Die Spiele um die Amateurmeisterschaft und die Aufstiegsrundenspiele waren absolute Highlights meiner Fußball-Laufbahn«, blickt er zurück. Gerne erinnert sich Pleikies an zwei Duelle mit Dieter Hoeneß, dem späteren Nationalspieler. Als es gegen den VfR Aalen um die württembergische Meisterschaft und 1975 in der Aufstiegsrunde zur Sache ging, ging Hoeneß mit den Ostälblern unter. »Hoeneß war einen halben Kopf größer als ich, hat aber kein Kopfballduell gewonnen«, erzählt der seit zwölf Jahren in Wannweil wohnende Pleikies. In der Zweitliga-Saison 1975/76, in der die Reutlinger als Tabellenletzter in den sauren Abstiegsapfel beißen mussten, kam er auf 18 Einsätze. Danach war Schluss mit Fußball. In der darauf folgenden Runde absolvierte er noch einige Spiele für die zweite Mannschaft. »Im Februar 1977 absolvierte ich in Pfullingen mein letztes Spiel und bin vom Platz gestellt worden.« Was war geschehen? Torhüter Siggi Grüninger sei hart angegangen worden, er habe beim Schiedsrichter reklamiert, und der verwies ihn des Feldes. »Der SSV bekam eine Geldstrafe in Höhe von 500 Mark. Ernst Thumm war damals ziemlich sauer.«
Viele Jahre in der Tennis-Abteilung engagiert
Danach stieg Pleikies auf der beruflichen Karriereleiter nach oben. Von 1977 bis 1979 war er im Iran Fertigungsleiter von lufttechnischen Anlagen. Nach seiner Rückkehr baute er per Abendkurs in Stuttgart seinen Meister und gründete schließlich am 1. August 1979 eine Flaschner- und Installateurfirma. Später spezialisierte er sich auf Lackier-Anlagenbau. In der Tennis-Abteilung des SSV engagierte er sich als Jugendwart und bekleidete 17 Jahre das Amt des 2. Vorsitzenden. Seine Frau und er haben zwei Kinder und fünf Enkelkinder, die in den USA und in der Schweiz leben. Zwei Mal pro Woche absolviert Pleikies ein Fitnesstraining. Und wie ist der Gesundheits-Zustand? »Ich habe zwei neue Knie, zwei neue Hüften, ein Sprunggelenk und die Wirbelsäule sind versteift.« Der Leistungssport hat seine Spuren hinterlassen. Pleikies blickt dennoch voller Zufriedenheit zurück: »Wenn ich auf dem Platz stand, wollte ich immer gewinnen.« Er hat mit dem SSV und für den SSV als Fußballer und Leichtathlet häufig und einiges gewonnen. (GEA)