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Aktuell Gruppe D

Frankreich bangt um Mbappé-Einsatz

Österreich gibt sich nach 100 rasanten Minuten kämpferisch

Ralf Rangnick ist in der bitteren Turnier-Realität angekommen.  FOTO: BECKER/DPA
Ralf Rangnick ist in der bitteren Turnier-Realität angekommen. FOTO: BECKER/DPA
Ralf Rangnick ist in der bitteren Turnier-Realität angekommen. FOTO: BECKER/DPA

DÜSSELDORF. Alles drehte sich um Kylian Mbappé, im Kabinengang scharten sich die Kinder begeistert um den Superstar, den momentan vielleicht besten Spieler der Welt. Und selbst wenige Minuten vor dem Anpfiff gab Mbappé noch Autogramme, bevor es auf den Rasen der Düsseldorf Arena ging. 100 Minuten später landete der zweimalige Europameister nach einem intensiven Spiel den erhofften Auftaktsieg gegen Österreich, Mbappé mit gebrochenem Nasenbein in der Uniklinik und Österreichs Teamchef Ralf Rangnick in der bitteren Turnier-Realität.

»Logisch, wir sind enttäuscht. Wir haben gegen eines der besten Teams auf diesem Planeten kein Tor zugelassen, am Ende entscheidet ein äußerst unglückliches Eigentor und wir stehen vor einem Endspiel gegen Polen«, analysierte Rangnick kurz und präzise. Der Mann aus dem Schwabenland genießt höchsten Respekt in Österreich, auch wenn sich die Journalisten der Alpenrepublik immer noch nicht erklären können, wie ausgerechnet dieser wortgewandte Stratege im Nachbarland dermaßen außergewöhnliche Erfolge feiern kann. Leipzigs Christoph Baumgartner sagt: »Rangnick ist das Beste, was Österreichs Fußball passieren konnte.« Rangnick widerstand dem Werben des FC Bayern, weil er das Projekt Österreich nach zweieinhalb Jahren engagierter Aufbauarbeit nicht gefährden wollte. Und fast hätte es in Düsseldorf zumindest zu einer verdienten Punkteteilung gegen den Favoriten gereicht.

Didier Deschamps hatte ein schnelles Tor gefordert. Frankreichs Vorzeige-Angriffsreihe wirbelte, ohne jedoch wirklich gefährlich zu werden, Eckbälle von Antoine Griezmann blieben ohne Wirkung, die erste Chance Mbappés ergab sich in der 9. Minute, die Österreichs großartiger Torwart Patrick Pentz von Bröndby IF aber zur Ecke entschärfen konnte. Erst danach machten sich die Österreicher bemerkbar und wurden durch einige Schnellangriffe gefährlich, es entwickelte sich ein faszinierendes Tempospiel.

Kein Vorwurf an Eigentorschütze

Aber die ganz großen Möglichkeiten ergaben sich erst nach einer halben Stunde. Die erste ging auf das Konto der Österreicher, als Dortmunds Marcel Sabitzer auf Baumgartner spielte, der den Ball aber nicht an Frankreichs Torwart Mike Maignan vorbeibrachte und in dessen Beinen hängen blieb (36. Minute). Nur zwei Minuten später die Entscheidung, dazu benötigte der zweimalige Weltmeister aber die Hilfe der Österreicher. Wieder war es Mbappé, der die halbe Mannschaft des Gegners auf dem rechten Flügel beschäftigte, den Ball scharf Richtung Elfmeterpunkt hereingab, Gladbachs Maximilian Wöber stellte sich unglücklich in den Weg und fälschte beim Klärungsversuch per Kopf unhaltbar in die lange Ecke ab. 0:1 in der 38. Minute. Es sollte das einzige Tor dieses Spiels bleiben. Rangnick: »Kein Vorwurf an Maxi, von keinem.«

Mbappé, Ousmane Dembelé und Marcus Thuram setzten offensiv mehr Akzente als die Österreicher, von der Bank kamen später noch der Ex-Frankfurter Randal Kolo Muani von PSG, Olivier Giroud vom AC Milan und Reals Eduardo Camavinga, keiner im Turnier verfügt über so viele Klassespieler wie Deschamps. Rangnick: »Wir wussten, dass die Franzosen energetisch anders auftreten würden als in den letzten Tests. Aber jeder Franzose war am Ende froh, dass das Spiel vorbei war. Das sagt alles über unsere Leistung.«

Mbappé vergibt die größte Chance des Spiels in der 55. Minute, als er allein auf Pentz zuläuft, den Ball aber nicht platzieren kann. Die Österreicher machen jetzt Druck. Und dennoch bleibt die enorme Geschwindigkeit der französischen Offensive beeindruckend. Das Theater um seinen seit Monaten bekannten Wechsel zu Real Madrid ist zwar lange Vergangenheit, aber selbst, wenn es immer noch ein Transfer im Schwebezustand wäre, Auswirkungen auf seinen Stellenwert in Frankreichs Nationalmannschaft hat das nie gehabt. Deschamps hegte nie Zweifel an seinem überragenden Superstar, der wie wenige ein Spiel ohne Mitwirkung von anderen entscheiden kann. Deschamps galt als umstritten, aktuell werden nur noch hinter vorgehaltener Hand Zweifel am »General« geäußert.

Superstar braucht OP

Das Spiel war fast vorbei, da passierte es. Mbappé (86.) krachte beim Kopfballversuch gegen die harte Schulter von Kevin Danso, ging zu Boden, blieb minutenlang blutüberströmt liegen, schnell war klar, dass das Nasenbein gebrochen war. Ob und wann Mbappé wieder zur Verfügung steht im Turnier, ist offen. Gestern Abend wurde bekannt, dass sich Mbappé operieren lassen muss – allerdings nicht zwingend in den nächsten Tagen. Zwei Stunden nach Mitternacht scherzte der Superstar bei X: »Irgendwelche Ideen für Masken?« Deschamps hörte sich anders an: »Die Equipe ohne ihn ist eine andere als die mit ihm.« Kontrahent Rangnick gibt sich nach beeindruckenden 100 Minuten weiter kämpferisch: »Österreich ist ein Land mit sehr interessanten Spielern, hat mit der Nationalmannschaft aber noch nicht viel erreicht. Das wollen wir weiterhin ändern. Das Spiel gegen Polen besitzt Endspielcharakter.« (GEA)