STUTTGART. Schenkt man Instagram das volle Vertrauen, was für den Seelenfrieden generell tunlichst zu vermeiden ist, dann könnte man meinen: Die Stimmung im Fan-Lager des VfB Stuttgart ist spätestens nach der jüngsten 0:1-Niederlage bei Eintracht Frankfurt und dem bereits sechsten sieglosen Spiel in Folge endgültig gekippt.
»Meld die Mannschaft ab«, »Hauptsache das Konto ist voll«, »Dumm, dümmer, VfB« oder »Hoeneß geh Heim« - an dieser Stelle vier Kommentare von frustrierten Anhängern, die ihrem Frust auf dem Instagram-Profil des VfB freien Lauf ließen. Wie schnell sich Dinge im Fußball ändern können. Erst vor wenigen Monaten waren Deniz Undav und Co. noch die gefeierten Helden, jetzt sind sie plötzlich die Deppen. Instagram als verlässlichen Seismograph für das Stimmungsbild rund um den Traditionsclub heranzuziehen, wäre allerdings ein grober handwerklicher Fehler. Es gibt ja schließlich eine altbekannte Faustregel: Den lautesten Schreihälsen wird meistens die größte Aufmerksamkeit zuteil. Mit anderen Worten: Die Mehrheit treibt sich nicht in irgendwelchen Kommentarspalten auf Social Media umher.
Die hartgesottenen Fans stehen voll hinter der Mannschaft
Dafür reicht ein Blick in den Deutsche-Bank-Park nach Frankfurt. Völlig niedergeschlagen formierten sich die Stuttgarter Profis am Samstagabend nach der Partie in einer Reihe vor dem Gästeblock und blickten bedröppelt zu den wie immer zahlreich mitgereisten VfB-Anhängern. Die waren mindestens genauso enttäuscht vom Auftritt »ihrer« Jungs. Hatten sie doch wieder einmal ihre Familien zuhause versetzt, um ihrem Herzensclub das halbe Wochenende lang hinterherzureisen. Und doch griff der Vorsänger auf dem Zaun in der Stunde des vorläufigen Tiefpunktes zum Megafon und rief in Richtung Nübel, Stiller und Co.: »Wir haben gerade echt schei... am Fuß. Aber am Mittwoch wird ganz Stuttgart hinter euch stehen!« Noch Fragen?
Man muss es definitiv nicht dramatischer machen als es ist. Aber: Im Pokal-Halbfinale gegen das ebenfalls kriselnde RB Leipzig (20.45 Uhr/ZDF und Sky) hat der VfB die große Chance, in gerade einmal 90 Minuten plus x einer Saison, die zuletzt weder nach dem Geschmack der Fans noch nach der Vorstellung der letztjährigen Fußball-Überflieger mit dem roten Brustring verlaufen ist, eine ganz andere Richtung zu geben.
Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen
Böse Zungen würden an dieser Stelle wohl noch weitergehen und behaupten: Der VfB Stuttgart kann gegen den Brauseclub aus Sachsen und mit einem möglichen Finaleinzug eine, aus ihrer Sicht, vor allem in den letzten Wochen komplett verkorkste Spielzeit retten. Schließlich qualifiziert sich der Pokalsieger bekanntlich direkt für die Europa League. Um diese überspitzt formulierte These zu überprüfen, ist es natürlich entscheidend, was die jeweiligen Erwartungen des Einzelnen an die Mannschaft vor dem Saisonstart waren.
Das ist aber wieder ein anderes Thema. Was man allerdings nicht von der Hand weisen kann: Sechs sieglose Partien in Serie haben dazu geführt, dass die Schwaben eine erneute Champions-League-Teilnahme fast sicher verspielt haben. Und auch auf einen Platz, der immerhin noch zu Spielen und sehenswerten Europareisen in der international zweitklassigen Europa League berechtigt, beträgt der Rückstand schon fünf Punkte bei noch sieben ausstehenden Partien. Alles noch machbar. Doch dafür muss nun schleunigst ein Turnaround her. Sonst ist's zu spät.
Auch dafür soll die Halbfinal-Begegnung laut Trainer Sebastian Hoeneß herhalten. »Natürlich ist das Spiel erstmal für sich enorm wichtig, weil wir die Chance haben, ins Finale zu kommen. Fakt. Das steht erstmal für sich alleine«, sagte der 42-Jährige auf der Pressekonferenz am Dienstag und ergänzte einen entscheidenden Satz: »Neben dem Reiz, es ins Finale nach Berlin zu schaffen, ist es die Hoffnung, über das Spiel für die nächsten Partien in der Bundesliga Impulse zu bekommen.« Zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Das wär's doch. Mal schauen, was bestimmten Instagram-Usern dann in den Kommentarspalten plötzlich von der Tastatur geht. (GEA)