MAINZ. Dass sich Dominik Kohr am Mittwoch in der 38. Minute mit einem fiesen Tritt gegen Angelo Stiller seine 141. Gelbe Karte seiner Karriere verdiente, dürfte wirklich niemanden mehr überraschen, der sich auch nur im Ansatz mit der Bundesliga beschäftigt. Der Mainzer ist der Bösewicht im deutschen Profi-Fußball. Dass aber Innenverteidiger-Kollege Andreas Hanche-Olsen bereits nach zehn Sekunden wegen eines rüden Einsteigens gegen Bilal El Khannouss eine Blitz-Verwarnung gezeigt bekam, war dann aber schon mit einer klaren Botschaft verbunden: Die Mainzer wollen im Pokal-Zweitrundenduell gegen den Titelverteidiger aus Stuttgart mit einer ruppigen und teils auch ungesunden Zweikampfhärte zum Erfolg kommen.
Der gute alte klassische Pokalfight. Doch die häufig als Feingeister betitelten Schwaben, die auf diese Art und Weise 2024 sensationell zur Vizemeisterschaft gestürmt waren und mit ihrem technisch feinen Kombinationsfußball à la Sebastian Hoeneß selbst den neutralen Zuschauer auf ihre Seite zogen, beherrschen in dieser Saison offenbar auch die rustikale Klinge. Wieder spielte der VfB die Sterne nicht vom Himmel wie zu seinen besten Zeiten und wieder war es lange Zeit eine enge Partie.
Doch das Resultat bleibt im Herbst 2025 - mit Ausnahme der beiden Europa-League-Auswärtsspiele - stets dasselbe: Die Stuttgarter präsentieren sich reif, schnörkellos, extrem abgezockt und gehen als Sieger vom Feld. Mit einem 2:0 (1:0)-Erfolg gegen die Rheinhessen zog das Hoeneß-Team ins Achtelfinale ein. Damit steht der VfB zum sechsten Mal in den vergangenen sieben Jahren in der Runde der letzten 16.
Hoeneß treibt seine Wechsel-Spielchen auf die Spitze
Dabei treibt Erfolgscoach Hoeneß seine Wechsel-Spielchen derzeit auf die Spitze. Nach dem Monopoly-Motto »Gehe zurück auf Los« schmiss der 43-Jährige wieder alle Feldspieler - der Pokal-Tausch auf der Torwartposition von Alexander Nübel zu Fabian Bredlow war klar - aus dem Mainz-Spiel am Sonntag vom Rasen und schickte die Europa-League-Formation vom vergangenen Donnerstag gegen Fenerbahce wieder aufs Feld. Einzige Ausnahme: Deniz Undav startete zum zweiten Mal in Folge von Beginn, nachdem Tiago Tomas das Aufwärmen mit Oberschenkelproblemen beenden musste. In Summe macht das dennoch 20 (!) Wechsel in der Startelf in zwei Spielen. Das muss erstmal jemand zeigen, dass es so etwas schon einmal gab.
»Es bietet uns einfach wieder die Chance, mit Power, mit Frische, mit Energie zu spielen«, begründete der Coach vor dem Spiel seine Entscheidung. Und seine Schützlinge enttäuschten ihn erneut nicht. »Das kann einen Trainer nur freuen, dass er so viele Spieler zur Auswahl hat, oder?«, meinte der zum Man of the Match ausgezeichnete VfB-Kapitän Atakan Karazor, der den Treffer zum 2:0 (73. Minute) erzielte und grinste. Das sei im Sommer sehr wichtig gewesen, dass man einen breiten Kader für diese Saison habe, sagte der 29-jährige zentrale Mittelfeldspieler. »Und in diesen zwei Spielen hat man das gesehen.«
Was war beim zweiten Erfolg gegen den 1. FSV Mainz 05 binnen 72 Stunden entscheidend? »Wir haben uns nicht provozieren lassen«, sagte der zuletzt lange verletzte Angreifer Undav, der die Vorlage zum 2:0 beisteuerte, mit Blick auf die ruppige Gangart der Hausherren, die bereits nach sechs Minuten die kalte Dusche bekamen. VfB-Verteidiger Luca Jaquez köpfte nach Ecke von El Khannouss zur frühen Führung ein. Danach übernahmen die Schwaben die Spielkontrolle, ohne sich jedoch Chancen wie am Fließband herauszuspielen.
Führich bestätigt gute Leistung vom Sonntag
Und die Mainzer? Offiziell kamen die Nullfünfer am Ende auf zehn Torschüsse. Über die Qualität der Abschlüsse lässt sich aber streiten. Denn VfB-Keeper Bredlow war zu keinem Zeitpunkt wirklich gefordert. Reines Unvermögen war das allerdings nicht. Egal, ob bei Kontersituationen, Standard-Situationen, Flanken oder Angriffsbemühungen aus dem Spiel heraus: Die Hoeneß-Mannschaft zeigte wieder eine hochkonzentrierte Leistung in der Arbeit gegen den Ball. Dass der VfB den letzten Gegentreffer aus dem Spiel heraus vor einem Monat in der Europa League beim FC Basel kassierte, ist ganz sicher kein Zufall.
Auf der anderen Seite machte der VfB nach einem Konter den Deckel auf die Partie. Zwar war Karazor der Torschütze, doch einen großen Anteil darf auch der eingewechselte Chris Führich für sich beanspruchen. Der Flügelflitzer sorgte erneut für viel Schwung und bestätigte seine gute Leistung vom Sonntag.
Kurz vor Schluss lieferte sich der 27-Jährige mit FSV-Kapitän Nadiem Amiri noch ein Kopf-an-Kopf-Duell. Für die beiden Streithähne gab's Gelb. Dominik Kohr gefällt das. Die verdiente Zweitrunden-Niederlage seiner Mainzer eher weniger. (GEA)

