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VfB Stuttgart: Es riecht verdächtig nach Mittelmaß

Der VfB Stuttgart gibt das Spiel gegen den SC Freiburg aus der Hand und kassiert im dritten Spiel die zweite Niederlage. Das große Problem: Die einst perfekt geölte Offensiv-Maschine aus Bad Cannstatt hat sich zu einem lauen Lüftchen zurückentwickelt.

Enttäuscht und niedergeschlagen: VfB-Kapitän Atkan Karazor (Mitte) und  Josha Vagnoman (links) nach der Niederlage in Freiburg.
Enttäuscht und niedergeschlagen: VfB-Kapitän Atakan Karazor (Mitte) und Josha Vagnoman (links) nach der Niederlage in Freiburg. Foto: Weller/dpa
Enttäuscht und niedergeschlagen: VfB-Kapitän Atakan Karazor (Mitte) und Josha Vagnoman (links) nach der Niederlage in Freiburg.
Foto: Weller/dpa

FREIBURG. »Ne, auf keinen Fall«, baffte Maximilian Mittelstädt am späten Samstagnachmittag im Freiburger Europapark-Stadion durch die Mixed Zone. Der Linksverteidiger des VfB Stuttgart war von einem Journalisten gefragt worden, ob er kurz für ein paar Fragen bereitstehen würde. Darauf hatte der 28-Jährigen nach der bitteren 1:3 (1:0)-Niederlage gegen den SC Freiburg aber überhaupt keinen Bock. Der sonst immer freundliche deutsche Nationalspieler, der sich im Normalfall für keine Extra-Minute bei den Medienvertreter der schreibenden Zunft zu schade ist, blickte mit versteinerter und maximal genervten Miene ins Leere. Diese Szene zeigte: Spätestens jetzt sollten bei allen, die es mit dem VfB halten, die Alarmglocken läuten.

Erschreckend war, dass sich die Schwaben im Baden-Württemberg-Derby in den gesamten 90 Minuten nur sieben Torchancen erspielten - nur drei davon gingen übrigens auf das Gehäuse von Freiburg-Keeper Noah Atubolu. Noch beängstigender ist, dass der VfB bis zur 81. Minute mit 1:0 in Führung lag und nach dem Ausgleichstreffer des eingewechselten Igor Matanovic danach wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiel. Da spielt es auch keine Rolle mehr, dass die Stuttgarter es zuvor 80 Minute lang »Weltklasse verteidigt haben«, wie Kapitän Atakan Karazor nach der zweiten Niederlage im dritten Saisonspiel der Meinung war.

107 zu 91 gewonnene Zweikämpfe für den VfB, aber...

Damit hatte der defensive Mittelfeldspieler einen Punkt. Weltklasse ist zwar ein heikler Begriff, doch am Einsatz lag es beim Team von Trainer Sebastian Hoeneß gewiss nicht. 107 zu 91 gewonnene Zweikämpfe sprechen eigentlich eine deutliche Sprache. Allein 17 davon gewann übrigens der starke VfB-Abwehrboss Jeff Chabot, der gleich so viele brenzlige Situationen per Kopf klärte, dass ihm noch zum Wochenbeginn mächtig der Schädel brummen dürfte. Nein, an der defensiven Haltung des DFB-Pokalsieger lag es weniger.

Das große Problem Stand 14. September 2025 lautet folgendermaßen: Die einst perfekt geölte Offensiv-Maschine aus Bad Cannstatt hat sich zu einem lauen Lüftchen zurückentwickelt. Wo in der Formel 1 die Teams mithilfe von verschiedenen Upgrades über die Saison immer schneller werden, scheint irgendjemand in Stuttgart auf die Bremse zu treten. Natürlich tut der Abgang von Nick Woltemade zu Newcastle United enorm weh. Und selbstverständlich sorgt auch der verletzungsbedingte Ausfall von Deniz Undav für keine Verbesserung der ohnehin angespannten Lage im Angriff. Doch an irgendetwas scheint es im Hoeneß'schen Offensiv-System derzeit zu kranken. Immer wieder blickte Mittelfeld-Regisseur Angelo Stiller am Samstagmittag im Spielaufbau ratlos zu seinem Trainer. Nach dem Motto: Was soll ich denn jetzt machen?

VfB auf der Suche nach der Entlastung in der Offensive

»Unter dem Strich waren es zu wenige Dinge, die wir mit dem Ball kreiert haben. Wir sind über Ansätze nicht hinausgekommen«, bemängelte der Coach. Kapitän Karazor sagte: »Wir haben es nicht geschafft, aus der defensiven Haltung heraus offensiv für Gefahr zu sorgen. Ich glaube nicht, dass wir strukturelle Probleme hatten. Das war auch unser Plan, mal tief zu verteidigen.« War das also die klare Vorgabe? Auch mal einen dreckigen Auswärtssieg im stets schwer zu bespielenden Freiburg einzufahren und stattdessen auf die feine Klinge des Fußballsports zu verzichten? Nein, wenn man den Worten von VfB-Torschütze Ermedin Demirovic Gehör schenkt: »Die Vorgabe, dreckig zu gewinnen, gab es nicht. Wir wollten Fußballspielen wie immer.«

Ja was also? »Wir sind nicht zufrieden, überhaupt nicht zufrieden«, betonte Hoeneß zerknirscht. Wie könnte es auch anders sein? Zu keinem Zeitpunkt der Partie ist es seiner Elf gelungen, richtig für Entlastung in der Offensive zu sorgen. Nach einer Viertelstunde waren die Stuttgarter in der zweiten Hälfte gefühlt zum ersten Mal in der Freiburger Hälfte. Bis zum Schlusspfiff folgte dann ein Powerplay der bis dato noch sieglosen Freiburger, das eigentlich kein Powerplay war, weil die klaren Chancen fehlten. Dennoch gab es unzählige Einwurf-, Ecken- und Flanken-Versuche, die alle 34.700 Zuschauer permanent wach hielten.

Zehn Niederlagen aus den letzten 20 Spielen

Der Ausgleich hatte sich definitiv abgezeichnet. Die Stuttgarter, bei denen die Last-Minute-Zugänge Bilal El Khannouss (21) und Badredine Bouanani (20) ein unauffälliges Debüt gaben, bettelten förmlich darum. Auch ein 2:1-Sieg, den zweiten Freiburger Treffer erzielte der ebenfalls eingewechselte Derry Scherhant, wäre verdient gewesen. Der 3:1-Endstand, den Joker Matanovic vom Elfmeterpunkt herstellte, ist aber um ein Tor zu hoch ausgefallen. »Jeder Spieler muss sich selber hinterfragen. Auch wie wir es schaffen, von der ersten bis zur 90. Minute voll da zu sein«, sagte Karazor. Genau das ist das Thema beim VfB.

Und so stellt sich abschließend die Frage: Muss man sich als Stuttgart-Fan also um seinen VfB Sorgen machen? In den letzten - saisonübergreifenden 20 Bundesliga-Spielen - kassierte das Hoeneß-Team zehn Niederlagen und feierte sieben Siege. Das klingt weder nach Spitzenteam, noch nach knochenhartem Überlebenskampf in der Bundesliga. Es riecht vielmehr verdächtig nach Mittelmaß in Bad Cannstatt. (GEA)