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Nichts zu holen für den Rekordmeister

Arie Haan, Karl Allgöwer und Hansi Müller über den VfB Stuttgart und den »Südgipfel« mit dem FC Bayern

Zwei Tore in seinem ersten Bundesligaspiel gegen den FC Bayern 1977:  Hansi Müller. FOTO: FRANK/EIBNER
Zwei Tore in seinem ersten Bundesligaspiel gegen den FC Bayern 1977: Hansi Müller. FOTO: FRANK/EIBNER
Zwei Tore in seinem ersten Bundesligaspiel gegen den FC Bayern 1977: Hansi Müller. FOTO: FRANK/EIBNER

STUTTGART. Das Theaterhaus ausverkauft, alle wollten sie sehen – es wurde ein wunderbarer Abend. Professionell moderiert vom letzten Stuttgarter Meister-Präsidenten Erwin Staudt, eingeleitet durch die Zeilen von Oskar Beck, dem herausragenden Fußball-Kolumnisten der Republik, und befeuert von den Stuttgarter Legenden Arie Haan, Karl Allgöwer und Hansi Müller als würdige, eloquente Vertreter einer Zeit aus dem letzten Jahrtausend, als der Fußball noch anders war, und die Leute, die ihn spielten, noch mehr zu sagen hatten als die vorgegebenen Zeilen ihrer Kommunikationsdirektoren nachzuplappern.

Zwei Tage vor dem »Südgipfel« erwarten alle einen Sieg des VfB, der sich nach zwei Spielzeiten am Rande des Abgrunds wieder auf dem Niveau der Champions League präsentiert. »Was Sebastian Hoeneß und sein Trainerteam aus dieser Mannschaft gemacht haben, ist eine Sensation«, sagt Hansi Müller. »Was ich in dieser Saison im Stadion sehe, macht mir sehr viel Freude«, sagt Karl Allgöwer und erinnert an bahnbrechende Zeiten, als Arie Haan als Trainer nach Stuttgart kam. Hatte die Mannschaft unter der schwäbisch knauserigen Vereinsführung unter Gerhard Mayer-Vorfelder noch stets in besseren Jugendherbergen nächtigen müssen, kehrte 1987 mit Haan endgültig der Profifußball in Stuttgart ein. »Endlich durften wir in vernünftigen Hotels übernachten« sagt Allgöwer, der ungemein unterhaltend von seinen permanenten Auseinandersetzungen mit »MV« berichtete: »Ich konnte an dem damaligen Mutlangen-Protest der Friedensbewegung nur deshalb nicht teilnehmen, weil ich gegen den FC Bayern spielen musste.«

Haan trug auf der Bank nicht mehr Ballonseide, sondern einen Anzug: »Ich war ja schließlich der Chef.« Unvergessen, sagt Staudt, Haans brauner Mantel und der legendäre weiße Schal. Sie haben in der ersten Saison von Haan beim VfB gegen den FCB gewonnen, weil Haan seiner Mannschaft die Angst vor Niederlagen gegen den die Bayern austrieb. Und dafür sorgte auch einer, der sich per Videobotschaft aus Los Angeles meldete: Jürgen Klinsmann, der Arie Haan nichts weniger als seine Weltkarriere verdankt. Und das lag auch an einem Fallrückzieher, der 1987 beim 3:0 gegen die Bayern zum Tor des Jahres wurde. Arie Haan erinnert sich: »Ein langer Ball auf den Flügel, Günter Schäfer, nicht gerade ein Filigrantechniker des Fußballs, nimmt den Ball direkt perfekt mit der Innenseite, spielt ihn über Hansi Pflügler. Zu hoch für einen Kopfball wusste Klinsmann instinktiv, was man mit dem Ball machen musste, legte sich quer in die Luft und hämmerte den Ball unter die Querlatte.« Pflügler und Jean Marie Pfaff im Tor schauten sich an, als wären sie Zeugen eines Weltwunders geworden. »Ich habe Arie Haan alles zu verdanken«, sagt Klinsmann per Video, Arie Haan lächelt gütig. Der Niederländer sagt fast ehrfürchtig, wie an andere Stelle auch schon einmal Felix Magath: »Die Zeit in Stuttgart war eine wunderbare Zeit, unglaublich, unvergessen.«

Karl Allgöwer fällt ein: »Ich hatte erwartet, dass Jürgen mir den Ball weitergibt, es wäre ein sicheres Tor gewesen, aber eben nur ein normales Tor von mir, so wurde es ein ganz besonderes von Jürgen.« Sie fuhren jeden Morgen zusammen zum Training, Klinsmann und Allgöwer. Unnachahmlich, wie Allgöwer erzählt, als Arie Haan die beiden von einem lästigen Spiel bei Lokomotive Leipzig im Rahmen dieser komischen deutsch-deutschen Sportkontakte befreite, MV die beiden aber zur Mitreise verpflichtete – per Anordnung aus dem Ministerium. »Rechtsaußen« MV wollte »Linksaußen« Allgöwer loswerden. Allgöwer sagt, »dass der Präsident mich nötigenfalls mit der Schubkarre an die Landesgrenzen gebracht hätte, habe ich als Respekt begriffen.« Und blieb.

Hansi Müller, Europameister 1980, auch einer der Großen der Szene, erlebte sein erstes Bundesligaspiel 1977 gegen den FC Bayern. Keinem Geringeren als Sepp Maier ließ er bei zwei Elfmetern unbeeindruckt nicht die Spur einer Chance, spricht aber doch viel lieber über den VfB der Gegenwart. »Wie Sebastian Hoeneß Spieler entwickelt, wie er mit ihnen spricht, Nationalspieler macht, Führungsspieler wie Waldemar Anton, das ist besonders. Hoeneß hat die Mannschaft wieder dahin gebracht, wo der VfB hingehört.« Jubel im Theaterhaus. Der FC Bayern kann kommen. Müller tippt 1:0, Allgöwer 2:1, Staudt 2:1, Haan 3:0 und Beck 3:1. Bei allem Respekt, für den Rekordmeister gibt es aktuell in Stuttgart nichts zu gewinnen. (GEA)