STUTTGART. Unter normalen Umständen brechen nach diesen 90 Minuten stets alle Dämme. Nicht in Zeiten der Coronakrise, wo das Virus weiter den Fußball bestimmt. Der VfB Stuttgart hat das letzte Saisonspiel der 2. Bundesliga mit 1:3 (1:1) gegen den SV Darmstadt 98 verloren, das gesetzte Saisonziel zuvor schon erreicht und ist als Tabellenzweiter nach nur einem Jahr der Zweitklassigkeit zurück in der Fußball-Bundesliga. Die Führung der Darmstädter durch Serdar Dursun in der 32. Minute glich Mario Gomez in der 43. Minute aus, der Darmstädter Matthias Bader traf in der 53. Minute und Tobias Kempe entschied das Spiel nach einem Bilderbuchkonter in der 88. Minute.
Schon die Anfahrt zur Mercedes Benz-Arena wirkt immer noch seltsam unwirklich, auch, wenn es schon seit dem Neustart so ist. Wo vor drei Jahren fast 100 000 Menschen die Rückkehr in die Bundesliga feierten, gähnende Leere, keine Fans, nichts los auf den Straßen. In der Cannstatter Kurve ein einsames Spruchband »Der Fußball wird leben, Euer Business ist krank!«, ansonsten: Nichts.
Und trotzdem alles bestens, der VfB Stuttgart ist zurück in der Bundesliga. Jetzt fängt die Arbeit an. Nach einer sportlich durchwachsenen Saison, einem überzeugenden Endspurt und einem letzten Auftritt des ehemaligen Nationalstürmers Mario Gomez, der seine Mission in Stuttgart erfüllt hat. »Ich will alles tun, damit der VfB direkt wieder aufsteigt«, hatte Gomez vor der Saison gesagt. Und Gomez hielt Wort, obwohl er in den vergangenen Spielen bei Trainer Pellegrino Matarazzo keine Rolle mehr spielte. Was nun wird, ist weiter offen. Vermutlich wendet sich Gomez anderen Dingen zu.
Die Geschichte seines letzten Spiels für den VfB Stuttgart ist schnell erzählt. Matarazzo setzte in der Abwehr auf eine Dreierreihe aus Pascal Stenzel, Atakan Karazor und Marcin Kaminski, davor agierten Wataru Endo und Orel Mangala, in der offensiven Reihe spielten Silas Wamangituka, Philipp Förster, Philipp Klement und Nicolas Gonzalez, Mario Gomez bildete die einzige Spitze. Für die Mannschaft von Trainer Dimitrios Grammozis ging es nur noch darum, sich anständig in die Sommerpause zu verabschieden.
Stuttgart machte das Spiel - wie eigentlich immer in dieser Saison mit diesem Kader, der teuerste in der Liga. Allein 13 Millionen Euro überwies der VfB auf die Konten von Beratern, das gab es in der 2. Bundesliga noch nie. Die Überlegenheit der Stuttgarter änderte aber nichts daran, dass die Gegenangriffe der »Lilien« weit gefährlicher ausschauten als die Versuche der Stuttgarter, Gomez im Strafraum anzuspielen. Wenig überraschend, dass Darmstadt in der 32. Minute in Führung ging. Karazor kam mit einem Abwehrkopfball seinem aufnahmebereiten Torwart Gregor Kobel zuvor, den hochspringenden Ball verwertete Torjäger Serdar Dursun mit einem Fallrückzieher zum ersten Tor.
Es dauerte elf weitere Minuten, ehe auch die Stuttgarter erstmals trafen. Über den für den früh verletzten Gonzalez eingewechselten Ex-Kölner Darko Churlinov kam der Ball zu Wamangituka, der über die linke Seite perfekt in die Strafraummitte passte. Dort stand Gomez goldrichtig und traf zum 1:1, es war das 319. Tor seiner Karriere und zugleich das Tor Nummer 110 für den VfB, womit Gomez in der internen Wertung Cacau übertraf. Mit dem 1:1 ging es in die Pause.
Nach Wiederanpfiff setzte sich die Überlegenheit von Stuttgart fort. Ohne jedoch vor dem Darmstädter Tor zwingender zu werden als im ersten Durchgang. Daher auch fast keine Überraschung, dass die Darmstädter wieder in Führung gingen. Matthias Bader traf in der 53. Minute. Palsson sah nach einem Handspiel die gelb-rote Karte. Bei numerischer Überlegenheit vergaben Stenzel und Churlinov die Chancen zum Ausgleich (75./80.).
Sportdirektor Sven Mislintat hatte vor der Saison den Kader ausgewechselt, 20 neue Profis geholt und war damit hohes Risiko gegangen. Die mutige Verpflichtung von Trainer Tim Walter erwies sich als Fehler. Dass Mislintat dann den unerfahrenen Matarazzo holte, war eine fast noch größere Überraschung. Als die Kritik an dem Italo-Amerikaner zunahm, verlängerte Mislintat seinen Vertrag vorzeitig. Mehr Risiko ging nicht, aber Mislintat behielt Recht.
»Ich bin nicht unzufrieden mit der Mannschaft, wir waren dominant wie immer. Und ich finde, dass es unsere Mannschaft gegen tiefstehende Mannschaften nun besser macht«, sagte der Vorstandsvorsitzende Thomas Hitzlsperger. Und zu Mario Gomez sagte Hitzlsperger: »Mario hat sich immer für das Team eingesetzt, weil er weiß, dass in einer Saison wie dieser nichts wichtiger für den Club ist als der Wiederaufstieg. Da können Einzelschicksale keine Rolle spielen. Danke Mario, für deinen Einsatz.« (GEA)