STUTTGART. Als der VfB Stuttgart im Juli die Verpflichtung von Maximilian Mittelstädt aus dem Ärmel schüttelte, wusste der 26 Jahre alte Linksverteidiger gleich zu Beginn, nach welchen Mustern der Wind die Fahnen in seiner neuen sportlichen Heimat schwenkt. Frei nach dem Motto »Nicht gemeckert ist genug gelobt« machte er direkt Bekanntschaft mit der schwabentypischen eher skeptischen Betrachtungsweise der Dinge.
Was will man mit einem Spieler, der für den Krisenclub und Absteiger Hertha BSC in der vergangenen Runde nur in 17 Partien auf dem Feld stand? Und der in den letzten beiden Spielzeiten sowieso nicht unbedingt zum Berliner Stammpersonal zählte? Doch Mittelstädt hat alle Skeptiker Lügen gestraft. Der gebürtige Berliner stand in drei der vergangenen fünf Partien in der Startelf und hat insbesondere am vergangenen Samstag beim 2:1-Auswärtscoup in Frankfurt Eindruck hinterlassen, indem er bei beiden Treffern seine Aktien entscheidend mit im Spiel hatte.
Er scheint im 4-2-3-1-System von Trainer Sebastian Hoeneß auf der linken Seite nun voll gefragt und gesetzt zu sein. Auch für das Spiel am Samstag gegen Werder Bremen (18.30 Uhr, Sky). Es stellt sich sogar die Frage: Ist Maximilian Mittelstädt besser als Borna Sosa, jahrelanger Publikumsliebling und Leistungsträger auf der linken Seite, der im Sommer für acht Millionen Euro zum niederländischen Rekordmeister Ajax Amsterdam wechselte? Der GEA klärt auf.
- Mit dem Ball:
Auf dem Papier stehen für Mittelstädt in bislang zehn Partien zwei Vorlagen zu Buche. Doch es wäre unangebracht, sein Einfluss auf das Stuttgarter Offensivspiel einzig an dieser Zahl zu bemessen. Laut den Daten der Fußballconsultancy CREATE FOOTBALL, die mit datenbasierten Analysen national wie international Proficlubs und Berateragenturen beraten, aber auch Medienanstalten wie Sky und ARD/ZDF mit Informationen beliefern, schlägt nur Union Berlins Christopher Trimmel von allen Außenverteidigern der Liga auf 90 Minuten gerechnet mehr Flanken als Mittelstädt, der mit einer Erfolgsquote von 50 Prozent zudem mit einer der präzisesten Spieler in dieser Statistik ist. Alles über 30 Prozent sei hier bereits ein ordentlicher Wert, betont CREATE FOOTBALL-Gründer Quirin Sterr. Auch Sosa kam in der vergangenen Saison auf einen starken Wert von 41 Prozent angekommenen Flanken.
Mittelstädt suche auch häufig die Eins gegen Eins-Duelle (4,3 pro Spiel) und schließe diese mit einer hohen Erfolgsquote ab. Schaut man ihm beim Spielen zu, sticht direkt auch seine feine Technik und Ballbehandlung ins Auge. Mittelstädts hohe Passqualität (84 Prozent, Sosa 78 Prozent) passt wie die Faust aufs Auge zum dominanten Spiel von VfB-Coach Hoeneß. »Er kann im Spielaufbau so mit einer hohen Qualität eingebunden werden und ist recht pressingresistent«, betont der Daten-Experte. Mit seiner Laufintensität erzeugt er zudem immer wieder Tiefe im Spiel und flankt auch deutlich häufiger von der Grundlinie – aus der besser positionierten, sogenannten »Assistzone« – als Sosa, der sich eher auf das Halbfeld konzentriert hatte. »Sosa hat eine deutlich geringere Laufintensität an den Tag gelegt, ist kaum in Dribblings gegangen und die Beweglichkeit, Speed und Antritt haben ihm gefehlt«, zieht Sterr den abschließenden Offensiv-Quervergleich.
- Gegen den Ball:
Der 1,80 Meter große Ex-Herthaner ist kein wirklich körperlicher Verteidiger, vielmehr kommt er vor allem über eine hohe Intensität. Spannend ist, dass Mittelstädt noch nie in seiner Karriere so viele Zweikämpfe geführt hat wie aktuell unter Hoeneß, der von seinem Team eben jenen intensiven Spielstil einfordert. Im Vergleich zu Sosa, der meist als Schienenspieler agiert hatte, bestreitet der 26-Jährige fast dreimal so viele Zweikämpfe am Boden (zehn) und gewinnt 62 Prozent dieser direkten Duelle mit dem Gegner (Sosa 57 Prozent). »Er unterstützt die Defensive deutlich mehr als Sosa. Mit dem Kroaten war der VfB über die linke Seite eines der anfälligsten Teams der Bundesliga«, berichtet Sterr. Auf 90 Minuten gerechnet verzeichnet Mittelstädt zudem 8,4 Ballgewinne. Sosa, der auch in einer Viererkette anders als der Sommerzugang enorm hoch stand, eroberte vergangene Saison durchschnittlich sechs Mal pro Spiel die Kugel.
- Das sagt der Daten-Experte:
»Maxi Mittelstädt ist ähnlich wie Borna Sosa ein recht offensivfreudiger Linksverteidiger, verkörpert aber mit dem Ball deutlich mehr Variabilität als der Kroate«, betont der CREATE FOOTBALL-Gründer gegenüber dem GEA. Mittelstädt sei dazu deutlich effektiver und aktiver gegen den Ball und deshalb klar besser geeignet für die »Viererkette von Hoeneß«, lautet das Fazit von Sterr. Er schaffe defensive Kompaktheit, helfe im Aufbau der Spieldominanz, könne dribbeln, flanken sowie Bälle in die Tiefe spielen.
- Das sagt Mittelstädt:
Mittelstädt, der im Dezember 2019 noch einen Marktwert von 14 Millionen Euro hatte (Quelle: transfermarkt.de), der inzwischen allerdings auf zwei Millionen Euro gefallen ist, sagte nach dem Frankfurt-Spiel: »Ich fühle mich generell sehr wohl und heimisch hier in Stuttgart. Nicht nur von den Leistungen. Privat läuft es auch sehr gut. Das gibt mir ebenfalls sehr viel Energie auf dem Platz.« Laut einem Bild-Bericht ist der Linksverteidiger frisch verliebt und die Beziehung zu seiner Stuttgarter Freundin erst wenige Monate alt. Im Gespräch mit dem GEA am vergangenen Samstag betonte er mit Blick auf das Sportliche, dass ihm der spielerische Ansatz im Spiel des VfB, der so explizit von Trainer Hoeneß auch eingefordert wird, entgegenkomme. »Es macht natürlich mehr Spaß, wenn man alles spielerisch lösen will und Mitspieler hat, die ebenfalls Fußball spielen wollen. Bei Hertha war es damals ein anderer Fußball, der auch seine Vorteile mit sich bringt. Jede Mannschaft ist auf ihre eigene Art besonders«, meinte der 26 Jahre alte ehemalige U-Nationalspieler Deutschlands. Grundsätzlich, das betonte Mittelstädt abschließend, helfe es natürlich enorm, wenn du einen Stürmer vorne drin hast, der einen »solchen Riecher wie Deniz oder Serhou hat«. (GEA)