STUTTGART. Das Gute am Schlechten: Den Spielern des VfB Stuttgart blieb das Gebruddel erspart, das sich gerne von der Haupttribüne der Mercedes-Benz-Arena breitmacht, sobald einem Spieler mit dem roten Brustring der erste Fehlpass unterlaufen ist. Das Schlechte am Guten: Die Stuttgarter Spieler erlebten nicht die Euphorie, die ein Stadion nach einem nicht für möglich gehaltenen Comeback erfasst. Mit dem 3:2 (0:2)-Heimsieg im stimmungslosen Spitzenspiel der 2. Fußball-Bundesliga, dem Corona-Kracher gegen den Hamburger SV, schob sich der VfB am HSV in der Tabelle vorbei auf Platz zwei. Sechs Spieltage vor dem Saisonende liegt die Mannschaft von Trainer Pellegrino Matarazzo nun zwei Punkte vor den Hamburgern. Es war ein verrückter Auftritt mit zwei völlig unterschiedlichen Halbzeiten. Erst trafen für den HSV Joel Pohjanpalo (16. Minute) und Aron Hunt (45.+2); dann für den VfB Wataru Endo (47.), Nicólas González und der eingewechselte Gonzalo Castro (90.+2).
HSV zunächst souverän
Corona-Fußball ist puristisch: Wo bisher in dieser Saison im Durchschnitt 51 657 Zuschauer für Jubel und Trubel gesorgt haben, hörte man unmittelbar vor dem ersten Pandemie-Heimspiel die Raben – von außerhalb des Stadions. »Auf geht’s Männer, auf!«, gab nach dem Anpfiff VfB-Torhüter Gregor Kobel seinen Vorderleuten mit auf den Weg. Und so sah der Schlachtplan aus, den ihnen Trainer Pellegrino Matarazzo an die Hand gegeben hatte: »Lange die Null halten und das Spiel kontrollieren.« Die Stuttgarter mussten früh umplanen – was wäre das eine Bruddelei gewesen. Das Unheil kam mit dem ersten Eckstoß in der 16. Minute. VfB-Stürmer González verlängerte am kurzen Pfosten mit dem Kopf, HSV-Stürmer Joel Pohjanpalo nickte ein – 0:1. Der von Matarazzo angekündigte große Optimismus und das extreme Feuer waren einmal mehr selbst mitverschuldet erloschen. Und die Lunte zu einer Leistungsexplosion blieb gegen souveräne Hamburger nass. Der HSV lief mehr, gewann viel mehr Zweikämpfe.
Der VfB Stuttgart wollte im Geisterspiel am Wasen begeistern, spielte aber völlig entgeistert. Was man notgedrungen als VfB-Chancen in der ersten Halbzeit bezeichnen musste: Ein González-Kopfball nach dem ersten Eckball (26.) und ein Schüssle von Holger Badstuber (30.). Den Stuttgartern fehlten nach dem dritten Rückstand im dritten Spiel nach dem Re-Start der Plan, die Entschlossenheit und das Führungspersonal. Pascal Stenzel war das beste Beispiel dafür. Da Kapitän Marc Oliver Kempf wie zuletzt auf der Bank saß und sein Vertreter Daniel Didavi beim 2:3 in Kiel am Sonntag vom Platz geflogen war, übernahm der Rechtsverteidiger Stenzel das Amt. Der 24-Jährige spielte unglücklich. Eine Trilogie der Tragik: In der 19. Minute rasselte er mit Holger Badstuber zusammen – Pohjanpalo kam so zum Abschluss. Kurz vor dem Pausenpfiff missriet Stenzel eine Ballverlagerung völlig. Und in der Nachspielzeit wurde er vom hinter ihm schiebenden Timo Letschert am Arm angeköpft, Schiedsrichter Christian Dingert entschied auf Strafstoß. Eine Fehlentscheidung. Aaron Hunt war’s egal, verwandelte quasi mit dem Pausenpfiff flach in die Mitte zum 0:2.
Endo trifft per Kopf
Doch das ist Fußball, Geisterspiel hin oder her: Der totgeglaubte VfB kam tatsächlich zurück. Es war ein Spiegel der ersten beiden Tore: Erst köpfte Wataru Endo eine Freistoßflanke zum Anschlusstreffer (46.), dann pfiff Dingert einen umstrittenen Strafstoß. Diesmal war der zarte Kontakt von Orel Mangala mit HSV-Schlussmann Daniel Heuer Fernandes eigentlich nicht ahndungsreif. González übernahm die Verantwortung und schoss den VfB nach einer Stunde zurück ins Spiel, das nun hin- und herwogte. Den Schlusspunkt hätte beinahe Pascal Stenzel gesetzt: Sein Freistoß landete in der 89. Minute aber nur am Pfosten. Und dann schloss Gonzalo Castro in der Nachspielzeit einen Konter nach einer Hereingabe von González mit dem 3:2 ab. Die VfB-Fans hätten getobt. (GEA)
STUTTGARTER VERLIEREN TALENT
DFB-Sportgericht verhandelt VfB-Einspruch am 8. Juni
Der Einspruch des Fußball-Zweitligisten VfB Stuttgart gegen die Wertung des Spiels beim SV Wehen Wiesbaden (1:2) wird am 8. Juni mündlich verhandelt. Stuttgart hatte das Spiel am 17. Mai in letzter Minute durch einen Handelfmeter verloren, der erst nach der Intervention des Video-Assistenten gegeben wurde. »Das Verhalten des Schiedsrichters bei der Entstehung des Siegtreffers stellt nach unserer Überzeugung einen Regelverstoß dar, der einen unmittelbaren Einfluss auf das Endergebnis des Spiels hatte«, hat Stuttgarts Sportdirektor Sven Mislintat den Einspruch begründet.
Der VfB verliert im Sommer das 19 Jahre alte Talent Per Lockl an die zweite Mannschaft des Bundesligisten Borussia Mönchengladbach. »Wir hätten Per gerne weiterhin in unseren Reihen gesehen und bedauern seinen Abgang«, sagte VfB-Nachwuchschef Thomas Krücken. (SID/dpa)