STUTTGART. Nach 90 nervenaufreibenden Minuten verteilte Trainer Sebastian Hoeneß eine Umarmung nach der anderen. Eine besonders feste verdiente sich Bilal El Khannouss. Der Sommer-Zugang des VfB schoss seine Stuttgarter im Schwaben-Duell gegen den 1. FC Heidenheim zu einem schwer erarbeiteten 1:0 (0:0)-Sieg und verabschiedete sich kurz nach seinem Treffer mit verkrampften Beinen in die Länderspielpause.
Krampfig trat auch seine Mannschaft über weite Strecken auf, sodass die Einzelaktion des 21-jährigen Fußballers am Sonntagnachmittag den Unterschied machen musste. In der 65. Minute zog der feine Techniker von links außen Richtung Strafraum, ließ drei Heidenheimer stehen, verzögerte kurz und schlenzte den Ball dann unhaltbar ins lange Eck. Genau so machte er es bereits gegen Celta Vigo in der Europa League. Sein Solo war das Highlight des Tages.
Vor der spielentscheidenden Szene sahen die 60.000 Zuschauer in der MHP Arena in Stuttgart viel Ballbesitz beim VfB, sonst aber wenig. Wie schon einige Male in dieser Saison war die Hoeneß-Elf zu behäbig und erzeugte gegen das Heidenheimer Defensivbollwerk im letzten Drittel keine Durchschlagskraft. »Ich glaube, dass wir alle in der ersten Halbzeit das Spieltempo vermissen lassen haben«, analysierte der VfB-Trainer. »Wir hatten nach vorne nicht die Dynamik, die so ein Spiel braucht.«
Heidenheims Plan geht fast auf
Ein einprägsames Bild, das es permanent zu bestaunen gab: Die beiden Innenverteidiger Jeff Chabot und Luca Jaquez passten sich in der eigenen Hälfte immer wieder den Ball hin und her, oder standen auch mal nur einige Sekunden mit der Kugel am Fuß da. Hätten sie ein Handy dabeigehabt, sie hätten nebenbei kurz mal eine Whatsapp-Nachricht verschicken können. Oder ein Foto knipsen. Auf dem wäre eine blaue Heidenheimer Wand vor ihnen zu sehen gewesen. Teilweise sechs Kicker der Gäste standen direkt vor Keeper Diant Ramaj. »Das war der Plan, dass wir in der letzten Linie immer einen Mann mehr haben«, verriet Abräumer Niklas Dorsch. »Es hat sich stabil angefühlt. Der Plan, dass wir wenig zulassen, ist gut aufgegangen.«
So sah es auch FCH-Coach Frank Schmidt. »Ich finde, in der ersten Halbzeit war es ein komplett ausgeglichenes Spiel.« In den zweiten 45 Minuten sei dann der Druck etwas größer geworden, aber er habe gedacht, »dass wir es durchhalten können«. Doch El Khannouss erlöste seinen VfB. »Das ist einfach Qualität. Eigentlich waren wir dran, aber er macht das gut«, lobte Heidenheims Omar Traore, Dorsch stimmte zu.
Punkte sind verdient
Selbst der sonst häufig eher nüchterne Hoeneß kam ein wenig ins Schwärmen, als er nach der Partie über den Matchwinner sprach. »Er ist technisch gut, agil, beidfüßig und hat einen super ersten Kontakt.« El Khannouss' Schuss ins Glück lobte der 43-Jährige als »überlegt«. Trotz des über weite Strecken holprigen Spiels sagte er: »Ich bin stolz auf die Jungs. Es ging viel über den Willen und die Mentalität heute.«
Und so ehrlich darf man sein: Unverdient waren die drei Punkte, die den VfB auf Tabellenplatz vier befördern, nicht. Zwar hatte man nicht viele hochkarätige Chancen, im Vergleich zu den Gästen aber immer noch die besseren. Aus spitzem Winkel verpasste Mittelfeldmann Badredine Bouanani (6.) nur knapp. Sonst waren es Distanzschüsse von Jamie Leweling (23.), Jeff Chabot (30.) oder Lorenz Assignon (43.), die entweder vorbeigingen oder von Keeper Ramaj stark pariert wurden. VfB-Schlussmann Alexander Nübel musste einzig gegen Mikkel Kaufmann eingreifen (20.).
Erst nach dem 1:0, als Heidenheim offensiver pressen musste, zeigten die Bad Cannstatter, was in ihnen steckt und konterten immer wieder gefährlich. Abschlüsse von El Khannouss (72.), Leweling (77.) und Ermedin Demirovic (86.) sorgten allerdings nicht für die Vorentscheidung. Vom Gegner kam zu diesem Zeitpunkt fast nichts mehr Richtung Tor.
Demirovic-Tor zählt nicht
In der 90. Minute überlupfte der sonst unauffällige Demirovic Ramaj und stellte auf das vermeintliche 2:0. Doch sein robuster Zweikampf im Vorfeld wurde von Schiedsrichter Tobias Stieler als Foul gewertet. Und so gab es noch mal einen Schreckmoment, als Gäste-Verteidiger Patrick Mainka in der Nachspielzeit im Fünfmeterraum zum Kopfball kam. Die Kugel ging knapp vorbei, die Situation aber zeigte, wie nah die Heidenheimer dem Zähler am Ende doch noch waren.
Durch den Erfolg besserte der VfB nebenbei seine durchwachsene Bilanz im Süd-Duell auf. Zuvor waren die Clubs viermal in der Bundesliga aufeinandergetroffen. Nur einmal hatte Stuttgart gewonnen. Dafür durften die Cannstatter über den vierten Heimsieg in Serie jubeln. (GEA)

