REUTLINGEN. An seinem Autoschlüssel hat Andreas Grupp einen Anhänger mit dem Wappen des VfB Stuttgart. Der 40 Jahre alte Reutlinger ist seit jeher Fan des schwäbischen Traditionsclubs. Nun will er ihm helfen. »Die Fans und Mitglieder wollen, dass man ehrlich mit ihnen umgeht«, sagt der Neffe des schillernden Trigema-Bosses Wolfgang Grupp. Am 28. Juli stellt er sich bei der Mitgliederversammlung zur Nachwahl als Präsidiumsmitglied für den zurückgetretenen Tübinger Osiander-Chef Christian Riethmüller.GEA: Ihrem Gegenkandidaten Dr. Bertram Sugg wird eine gute Vernetzung in der Fanszene nachgesagt. Warum wird dies am Ende nicht ins Gewicht fallen?
Andreas Grupp: Sein Name ist natürlich deutlich bekannter, weil er unter anderem schon einige Zeit Mitglied im Aufsichtsrat war. Das ist allerdings eher mein Vorteil, weil ich der Meinung bin, dass der VfB jetzt unbedingt Veränderung braucht. Persönliche Bekanntschaften zu amtierenden Gremienmitgliedern sind auf der Beziehungsebene immer etwas behaftet. Das könnte im Fall der Wahl von Herrn Sugg meines Erachtens negativ mitschwingen. Ein Neuanfang kann nur gelingen, wenn jemand unvoreingenommen ist. Dies sehe ich als meinen Vorteil an.
Wie sieht Ihr Wahlkampf bis zur Mitgliederversammlung am 28. Juli aus?
Grupp: Ich werde in den kommenden Tagen und Wochen zu einigen Fanclubs gehen und mich dort persönlich vorstellen. Am kommenden Dienstag bin ich beim VfBxSTR-Podcast zu Gast. Zudem sind auf der VfB-Homepage bereits ein »Werbe«-Film und mein persönlicher Steckbrief online gestellt und für alle öffentlich einsehbar.
Sie sind der Neffe des schillernden Trigema-Chefs Wolfgang Grupp. Dieser Name hat eine gewaltige Strahlkraft. Werden Sie mit diesem Pfund wuchern?
Grupp: Es mag sein, dass der Name Grupp ein Begriff ist. Die Mitglieder sollen mich aber nicht wegen meines Vaters, meiner Schwester oder meines Patenonkels wählen. Mit ihm habe ich zum Beispiel darüber noch gar nicht gesprochen. Ich lasse diese familiäre Verbindung bewusst raus.
Trotzdem heißt es, dass Ihnen die »Grupp-Kante« zueigen ist. Was zeichnet Sie diesbezüglich aus?
Grupp: Ich möchte auch in Zukunft meinen eigenen Weg gehen, selbst etwas gestalten und mich dadurch beweisen.
Ihr Vater führt auf der Schwäbischen Alb das gut aufgestellte Familienunternehmen Plastro Mayer, wo Sie sich ins gemachte Nest hätten setzen können. Haben Sie das bewusst nicht gemacht?
Grupp: Ich wollte schon immer tun, was mir Spaß macht. Nicht, dass mir der Einstieg bei meinem Vater keinen Spaß gemacht hätte. Nach dem Studium wollte ich jedoch anderswo meine ersten beruflichen Erfahrungen sammeln. Mein Arbeitgeber Aldi Süd hat mir dann die Möglichkeit gegeben, dass ich in den vergangenen 16 Jahren die verschiedensten Facetten des Berufslebens als leitender Angestellter kennenlernen durfte, wobei ich dabei immer mehr Verantwortung übernommen habe – inklusive Auslandsaufenthalt: Verkauf, Logistik und mittlerweile Immobilienverwaltung. Das war so spannend und gut, dass ich bei Aldi geblieben bin.
»Ich bin dazu bereit, viel von meiner Freizeit für den VfB zu opfern«
Welche beruflichen Qualifikationen würden sich in die Aufgabe als Präsidiumsmitglied beim VfB einbringen lassen?
Grupp: Auf jeden Fall meine Führungs- und meine Kommunikationsstärke. Aber auch das strategische und wirtschaftliche Denken. Und natürlich die Tatsache, dass ich ein Teamplayer bin. Bei Aldi arbeitet man immer im Team – alleine hätte ich es nicht so weit gebracht.
Wie würden Sie sich charakterisieren?
Grupp: Ich sehe mich als führungsstark, empathisch und zuverlässig. Empathie ist im Umgang mit Menschen sehr wichtig. So kommt man ins Gespräch.
Das Thema Kommunikation wird wohl ein ganz entscheidendes sein. Wie würden Sie sich diesbezüglich als Gremiumsmitglied einbringen wollen?
Grupp: Bei Kommunikation geht es für mich auch viel um zuhören. Ich möchte mich nahbar zeigen: Mit der Basis, den Mitgliedern und Fans in den Dialog treten und mir ihre Belange anhören. Ich glaube, dass viele diese Kommunikation zwischen Gremien, Präsidium und den Anhängern des Vereins vermissen. Natürlich wird man es nicht jedem recht machen können. Aber: Wichtig ist, dass man so viele wie möglich mit auf die Reise nimmt. Mit den Menschen in den Dialog zu treten, ist für den VfB, meines Erachtens, der Schlüssel zum Erfolg.
Was interessiert denn die Basis?
Grupp: Die Fans und Mitglieder wollen, dass man ehrlich mit ihnen umgeht. Dass man ihnen offen und transparent erklärt, wieso was gemacht wird. Und sie wollen eben nicht, dass ihnen ein Versprechen gegeben wird, das dann nicht eingehalten wird oder ihnen etwas suggeriert wird, das nicht umgesetzt wird. Werte, Grundsätze und Traditionen berücksichtigen und pflegen sind wichtige Belange für die Mitglieder. Weil ihnen das versprochen wurde, haben sie damals der Ausgliederung der Profiabteilung aus dem Verein zugestimmt.
Sehen Sie den Zurückgewinn des Fan-Vertrauens in die handelnden Personen also als weitere große Baustelle?
Grupp: Ja. Es sieht so aus, als wäre dieses Vertrauen komplett abhanden gekommen. Beim Dunkelroten Tisch musste ich feststellen, dass die Mitglieder Fragen stellen und schockiert sind über die gegebenen Antworten. Sie sagen dann auch gar nichts mehr.
Konkret?
Grupp: Die ganze Thematik um den Porsche-Investoren-Einstieg beim VfB. Auf die Details will ich nicht eingehen, aber wie der Präsident mit diesem Thema gegenüber den Mitgliedern, dem Vorstand und Porsche umgegangen ist, ist weder im Sinne des VfB, noch seiner Mitglieder; und auch nicht im Sinne von Porsche. Die Mitglieder wurden weder einbezogen noch rechtzeitig informiert, und als klar war, dass Vogt den Aufsichtsratsvorsitz abgeben musste, hatte man noch nicht mal die Weitsicht, wenigstens übergangsweise eines der beiden anderen Präsidiumsmitglieder dafür zu nehmen, was Porsche ja angeblich akzeptiert hätte. Was aktuell im Raum steht, ist indes ein riesiger Vertrauensbruch. Das hätte man besser machen können, ja müssen.
Wie würden Sie denn Ihren persönlichen Bezug zum VfB beschreiben?
Grupp: Der VfB hat in unserer Familie eine ganz lange Tradition. Schon mein Opa war großer Fan. Er hatte Dauerkarten. Und mein Vater hat auch schon seit fast 50 Jahren Dauerkarten. So konnte ich immer mit ins Stadion, habe also schon unzählige Spiele live gesehen. Seit 1997 bin ich selbst Mitglied, brenne für den VfB. Der Verein liegt mir am Herzen.
Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an den VfB denken?
Grupp: Leidenschaft und pure Emotion. An die deutsche Meisterschaft 1992 kann ich mich als 40-Jähriger zwar nicht mehr so richtig erinnern, aber ich werde nie im Leben vergessen, wie Kevin Kuranyi 2003 gegen Manchester United in der Champions League das 2:1-Siegtor macht. Oder als Krassimir Balakov im Mai 2001 gegen Schalke in der 90. Spielminute das 1:0 erzielt, das für den VfB den Klassenverbleib bedeutete. Ich durfte mit meinem Vater 1997 nach Stockholm, als der VfB im Finale des Europapokals der Pokalsieger gegen Chelsea spielte. Das sind alles schöne Erinnerungen. In den Jahren ab 2009 bis Ende vorletzter Saison habe ich mich aber auch über die sportliche Talfahrt geärgert – und auch über das Präsidium und den Vereinsbeirat, die ein schlechtes Bild nach außen abgegeben haben. Man denke nur an das Verhindern der Einführung eines Wahlausschusses bei der letzten Mitgliederversammlung.
»Ich bin kein typischer Grupp, der das Rampenlicht sucht«
Anders als Ihrem Gegenkandidaten wird Ihnen unterstellt, dass Sie keinen Bezug zu Gremienmitgliedern des VfB haben. Andererseits heißt es aber auch, dass Sie im Vorstandsvorsitzenden Alexander Wehrle einen keineswegs unbedeutenden Befürworter haben. Können Sie da vielleicht bitte ein wenig Licht ins Dunkel bringen.
Grupp: Ich kenne in der Tat keines der Mitglieder des Vereinsbeirats. Genauso wenig wie die Vorstandsmitglieder und die Präsidiumsmitglieder. Zum Beispiel wurde ich anders als Herr Sugg beim Dunkelroten Tisch von Alexander Wehrle und Claus Vogt mit »Sie« angesprochen. Ich weiß nicht, ob Herr Wehrle mein Befürworter ist. Sollte das so sein, habe ich ihn vielleicht beim Dunkelroten Tisch überzeugt.
Hatten Sie als potenzieller Nachfolger eigentlich mal Kontakt zum ausgeschiedenen Präsidiumsmitglied, dem Tübinger Osiander-Geschäftsführer Christian Riethmüller?
Grupp: Neben einem kurzen beruflichen Kontakt vor über einem Jahr gab es, bevor ich mich für die Bewerbung entschlossen hatte, tatsächlich ein Gespräch. Ich hatte den Kontakt zu ihm gesucht, weil ich wissen wollte, ob es sich lohnt und Sinn macht, dass ich mich bewerbe. Auch der zeitliche Aufwand hatte mich interessiert. Christian Riethmüller ist ebenfalls ein glühender VfB-Fan und er hat mir viel Erfolg gewünscht. Es war ein richtig nettes Gespräch.
Es geht Ihnen also nicht nur um ein »Ämtle« beim VfB. Ist das richtig?
Grupp: Ganz genau! Es geht mir darum, etwas zu gestalten. Ich würde mich auch nicht auf dieses Amt bewerben, wenn Friede, Freude, Eierkuchen wäre und beim VfB alles top laufen würde. Ich möchte mit meiner umgänglichen Art helfen. Es geht mir dabei nicht um meine Person. Diesbezüglich bin ich kein typischer Grupp, der das Rampenlicht sucht. Es geht mir um den VfB. Und ich bin dazu bereit, viel von meiner Freizeit dafür zu opfern.
Sie sehen es also als Problem, dass sich beim VfB zu viel um Personen dreht?
Grupp: Ja, die tollen sportlichen Erfolge des VfB werden davon überschattet.
Gibt’s also auch Dinge, die gut laufen?
Grupp: Es läuft definitiv sehr viel gut – insbesondere sportlich. Die Bundesliga-Vizemeisterschaft der Profis steht da an vorderster Front. Aber auch die Jugendarbeit im Nachwuchsleistungszentrum. Dann die Leichtathletik und natürlich auch die Erfolge der Fußballfrauen. Der Verein hat mittlerweile über 100.000 Mitglieder. Das zeugt von Geschlossenheit und Identifikation der Mitglieder. Was ich auch als gut ansehe, ist die Tatsache, dass sich starke Partner wie Porsche und Mercedes zum VfB bekennen, ihn wirtschaftlich stabilisieren und in die Zukunft begleiten. Es besteht das Potenzial, um noch viel mehr zu erreichen. Allerdings hemmt man sich durch negative Emotionen, weil die Zusammenarbeit der Gremien im e.V. und auch der Personen untereinander nicht gut ist.
Wo sehen Sie den VfB in fünf Jahren?
Grupp: Als wirtschaftlich stabilen, sportlich erfolgreichen Verein mit einer gut funktionierenden internen Struktur und deutschlandweit einem der besten NLZs. Dass die Vereinsführung nahbar und transparent ist und auch die Werte des VfB spürbar lebt und verkörpert. Ein VfB, der stolz auf seine Vergangenheit ist und optimistisch in die Zukunft blickt.
Müssen Vereine wie der VfB die Jugendarbeit voranbringen, um im Konzert der Großen mitmischen zu können?
Grupp: Insbesondere wenn man als Verein finanziell noch nicht in einer Liga mit dem FC Bayern oder Dortmund spielt, geht es um eine gesunde Basis sowie die Möglichkeit für junge Spieler, sich zu entfalten und zum sportlichen Erfolg im Profibereich beizutragen. Der Verein profitiert dann durch die Ablösesummen für solche Talente oder durch das Einsparen von hohen Ablösesummen, wenn diese Spieler den Übergang zu den VfB-Profis schaffen.
Wann ist aus der Idee der Entschluss geworden, sich für die Nachwahl als Präsidiumsmitglied zu bewerben?
Grupp: In den vergangenen Jahren haben mich immer wieder mal Freunde und Bekannte darauf angesprochen, ob ich mir nicht vorstellen könnte, beim VfB etwas zu machen. Nach dem Rücktritt von Christian Riethmüller habe ich dann den Entschluss gefasst, mich für dieses Amt zu bewerben, musste die Sache aber natürlich erst noch mit meinem Arbeitgeber abklären. Dann ging’s los.
Haben Sie keine Angst davor, dass sich das Fan-Sein bei Ihnen verändern wird, wenn Sie ein Amt beim VfB innehaben?
Grupp: Wahrscheinlich wird sich da etwas ändern. Ich werde dann ja ganz andere Einblicke in den Verein bekommen und auch eine andere Meinung zu Vorgehensweisen sowie von den handelnden Personen bekommen. Aber ich möchte dem VfB helfen. Denn wenn das mit den Nebengeräuschen so weiter geht wie jetzt, macht es ja auch nicht so recht Spaß, VfB-Fan zu sein.
Zum Abschluss noch kurz und knapp: Warum sollte man Ihnen beim VfB eine Chance geben?
Grupp: Ich bin jung, dynamisch, bringe frischen Wind mit und ich hatte in der Vergangenheit noch kein Amt beim VfB. Der Verein braucht Veränderung – deshalb sollte man mich wählen. (GEA)
ZUR PERSON
Andreas Grupp wurde am 25. November 1983 in Albstadt-Ebingen geboren. Aufgewachsen ist er mit seiner Schwester Isabel in Trochtelfingen, wo der heute 40-Jährige beim dortigen TSV neben Tennis auch Fußball spielte. 2005 schaffte der rechte Defensivspieler unter dem damaligen Trainer Heinz Rudloff mit den Aktiven den Aufstieg in die Landesliga, Staffel 4. Nach seinem Studium an der Hochschule in Reutlingen startete er 2008 bei Aldi Süd ins Berufsleben. Derzeit lebt der Neffe von Trigema-Boss Wolfgang Grupp mit seiner Partnerin in Reutlingen. (wil)