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Der VfB Stuttgart kann mal wieder nicht wie gewohnt, will aber unbedingt

Der VfB Stuttgart erkämpft sich ein 2:2-Unentschieden bei Werder Bremen. Was der Torjubel von Doppelpacker Ermedin Demirovic verrät und worin sich viele Fans des Vizemeisters geirrt haben.

Sieben Treffer nach zwölf Spieltagen: Stuttgarts Angreifer Ermedin Demirovic.
Sieben Treffer nach zwölf Spieltagen: Stuttgarts Angreifer Ermedin Demirovic. Foto: Jaspersen/dpa/dpa
Sieben Treffer nach zwölf Spieltagen: Stuttgarts Angreifer Ermedin Demirovic.
Foto: Jaspersen/dpa/dpa

BREMEN. Beim Blick auf den Spielplan ertappt man sich als Fußball-Fan immer wieder dabei, wie man im Kopf bereits automatisch die Punkte zusammenzählt, die sein Herzensclub gegen die kommenden Gegner den eigenen - meist gut gemeinten - Prognosen zufolge einfahren wird. Auf den VfB Stuttgart übertragen, der den Großteil der Hinrunden-Duelle gegen die Top-Teams der Bundesliga schon mehr oder minder erfolgreich überstanden hat, hätte das vor Beginn der vergangenen Woche ungefähr so ausgesehen: Erst Roter Stern Belgrad und dann Werder Bremen? Da gibt es deutlich schwerere Aufgaben - nicht wahr? Sieben Tage später lautet das Ergebnis dieser vermeintlich machbaren Woche: Ein Punkt und ein Torverhältnis von drei zu sieben.

Auf den ersten Blick wirkt das wie eine ernüchternde Ausbeute. Dennoch machte sich bei den Kickern aus Bad Cannstatt am frühen Samstagabend im hohen Norden eher Freude über das erreichte 2:2-Unentschieden gegen Bremen breit. Was daran lag, dass der Punktgewinn im Weserstadion sich für den VfB eher wie ein Auswärtssieg anfühlte und Balsam für die Seele war nach dem krachenden 1:5-Debakel in der Champions League im Hexenkessel von Belgrad. Warum das der Fall war? »Ich habe bei meiner Mannschaft gesehen, dass sie sich am Limit bewegt«, meinte Stuttgarts Chefcoach Sebastian Hoeneß.

Der VfB konnte nicht wie gewohnt, wollte aber unbedingt

Was der 42-Jährige auch hätte sagen können: Wie der VfB, der, das konnte am Samstag jeder sehen, tatsächlich auf der wirklich allerletzten Rille geht und aktuell vieles von seiner Leichtigkeit des Seins in der Vorsaison eingebüßt hat, gegen diesen unangenehm zu bespielenden Gegner sich nach Rückstand gleich zweimal ins Spiel zurückkämpfte, war ein Musterbeispiel für den viel zitierten Mentalitäts-Begriff im Fußball. Der extrem verletzungsgeplagte VfB konnte mal wieder nicht wie gewohnt, wollte aber unbedingt. Und das trotz aller Widrigkeiten.

Schließlich folgte der nächste Nackenschlag für Kapitän Atakan Karazor und Co, nach der heftigen Abreibung in Serbien bereits nach gerade einmal sechs Zeigerumdrehungen am Osterdeich. Bremens extrem dynamischer Stürmer Justin Njinmah nickte aus sechs Metern ins linke Eck gegen den chancenlosen VfB-Keeper Alexander Nübel ein. Noch schöner war jedoch die zuvor perfekte Hereingabe von Angreifer Marvin Ducksch von der rechten Seite. Flanke, Kopfball, Tor. Fußball kann manchmal so einfach aussehen.

Demirovic und die pure Erlösung

Gleiches Muster, andere Seite: Das lässt sich über den 1:1-Ausgleich von Ermedin Demirovic eine knappe Viertelstunde später sagen. VfB-Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt zog eine Flanke von der linken Seite traumhaft an den zweiten Pfosten. Dort lauert der bosnische Nationalspieler und vollendet aus ganz kurzer Distanz. Bei seinem Torjubel wischte sich der 26-Jährige symbolisch all den Frust und die vergebenen Torchancen der vergangenen Wochen von seinem Trikot. Dieser Treffer war für Demirovic die pure Erlösung.

Auch beim 2:2-Ausgleich aus dem Nichts in der 85. Minute, den er mit einem technisch hochanspruchsvollen Lupfer erzielte, präsentierte der Sommerzugang einen Torjubel mit viel Aussagekraft. Dieses Mal hob der Angreifer seinen Zeigefinger hinter das Ohr, was übersetzt ungefähr so viel bedeutete wie: Was wollt ihr denn noch alles von mir? Diese Frage darf durchaus mal gestellt werden. Natürlich trauern viele VfB-Fans dem letztjährigen Rekord-Torjäger Serhou Guirassy immer noch nach. Doch sieben Tore nach zwölf Bundesliga-Spieltagen (geteilter vierter Platz ligaweit) wäre auch für den Nationalspieler Guineas kein Selbstläufer gewesen. Rein statistisch hat sich die Verpflichtung von Demirovic bislang voll ausgezahlt.

Woltemade beinahe mit dem Lucky Punch

Beinahe wäre dem VfB mit der letzten Aktion des Spiels tatsächlich noch der Lucky Punch gelungen. Doch der Schuss des eingewechselten und langjährigen Bremers Nick Woltemade aus aussichtsreicher Position von der Strafraumgrenze war zu unplatziert. Wobei das des Guten auch sicherlich zu viel gewesen wäre. Schließlich schienen die Stuttgarter nach der 2:1-Führung durch Jens Stage - nach einem der etlichen brandgefährlichen hereingetretenen Standards durch Ducksch - bereits nach 77 Minuten praktisch erledigt. Bremen war in Durchgang zwei klar am Drücker. Dann lieferte erneut Demirovic. Weiter gehts für den VfB am Dienstag im Pokal-Achtelfinale (18.00 Uhr, Sky) in Regensburg, bevor am Freitagabend der 13. Bundesliga-Spieltag gegen Union Berlin in der MHP-Arena eröffnet wird. Ein machbares Programm. Doch das dachten viele Stuttgarter Anhänger vor der vergangenen Woche auch. (GEA)