BELGRAD. Auswärtsspiele bei Roter Stern Belgrad sind in der Champions League berühmt berüchtigt und meist von Reisewarnungen für die Fans begleitet. So auch am Mittwoch wieder, wenn der VfB Stuttgart in Serbiens Hauptstadt gastiert. Dabei wird Ermin Demirovic ganz besonders im Rampenlicht stehen. Als bosnischer Nationalspieler in Serbien zu spielen, ist kein Zuckerschlecken. Der 26-Jährige macht sich deshalb auf einiges gefasst. »Das kann eklig werden«, prophezeite der Stürmer der Schwaben zuletzt im Kicker und führte aus: »Entweder die Roter-Stern-Fans sagen, wir scheißen auf ihn. Oder: Den machen wir fertig.« Vorsorglich stelle er sich mal auf beides ein.
Aus Stuttgarter Sicht darf sich die Sommerpausen-Verpflichtung darauf einstellen, das er als einziger gelernter zentraler Stürmer besonders im Augenmerk stehen wird. Zwischen El Bilal Touré, Deniz Undav und Ermedin Demirovic ist in den vergangenen Wochen ein Dreikampf um die zwei Positionen an vorderster Font ausgebrochen. Hoeneß hatte im Angriff die Qual der Wahl - und entschied sich zuletzt immer öfter gegen den Bosnier. Nun, da die beiden Kontrahenten verletzungsbedingt ausfallen, wird Hoeneß ihn wohl als einzigen Stürmer aufbieten. Die zuletzt überraschenden Youngster Nick Woltemade und Justin Diehl dürfen aufgrund der »Local-Player«-Regelung nicht in der Königsklasse eingesetzt werden, weil sie, laut Champions-League-Statuten, nicht vom VfB ausgebildet wurden.
Ein Dreier ist für Demirovic Pflicht, »auch wenn es natürlich richtig, richtig schwer wird, dort zu bestehen.« Dies wird auch ganz entscheidend mit seiner Person in Verbindung gebracht. Zunächst stimmte beim Zugang vom Ligarivalen FC Augsburg in der Offensive mit fünf Treffern aus sechs Pflichtspielen zwar noch die Torquote, der Angreifer wirkt aber bis heute nicht so gut eingebunden wie sein Vorgänger Serhou Guirassy. Seit dem 6. Oktober wartet Demirovic nun auf eine »Bude«. Hoeneß muss darauf hoffen, dass sich der gebürtige Hamburger jetzt schnell weiterentwickelt. Aber auch beim 2:0 gegen Bochum wirkte er unglücklich.
»Er hat wie immer viel gearbeitet und Strafraumszenen erarbeitet«, attestierte Sportvorstand Fabian Wohlgemuth der von ihm geholten neuen Nummer neun einen ordentlichen Auftritt am Samstag, wünschte ihm aber nicht ohne Eigennutz, »dass er nun wieder zum Torerfolg kommt«. Diese würde »sicherlich auch seinem Kopf guttun.« Denn in den sieben wettbewerbsübergreifend noch ausstehenden Partien bis Weihnachten wird er als Goalgetter »mit viel Spielzeit gefragt sein« (Wohlgemuth). Demirovic bietet sich immer an und hat im Spielverlauf auch zahlreiche Ballkontakte, tut sich aber gerade gegen tief stehende, massive Abwehrreihen schwer, weil er einfach ein anderer Stürmertyp ist wie Vorgänger Guirassy.
Dem Bosnier droht im Stadion Rajko Mitic ein Spießrutenlaufen. Die berüchtigte und hitzige Atmosphäre im »Marakana« könnte »eklig werden« - und zwar nicht nur für ihn und die Mannschaft, sondern auch für die treuen Anhänger, die sich auf den Weg in die serbische Hauptstadt gemacht haben. Bereits im Vorfeld hatte der VfB die eigenen Fans - 2.400 sollen Karten für den Gäste-Bereich im Stadion haben - vor unkalkulierbaren Risiken und einem »hohen Gefahrenpotenzial« bei der Reise nach Belgrad gewarnt. Teile der Ultras von Roter Stern gelten als gewaltbereit und werden sogar der organisierten Kriminalität zugeordnet. Deshalb gilt Warnstufe Rot. Man empfehle »kein sichtbares Tragen von Fanartikeln am Spieltag und während des gesamten Aufenthalts«, appellierten die Stuttgarter eindringlich.
Doch Roter Stern Belgrad ist viel mehr als nur Gewalt und, für den unvoreingenommenen Beobachter, beeindruckende Pyroshows auf den Rängen. Im ehemaligen Jugoslawien ist Roter Stern mit insgesamt 19 Titeln zum Rekordmeister geworden. 1991 gewann der Club den Europapokal der Landesmeister und schlug dabei im Finale Olympique Marseille im Elfmeterschießen. Der große Glanz bröckelte seit dem Zerfall Jugoslawiens. Auf die Rückkehr in die Champions League musste man bis zur Spielzeit 2018/19 warten. Gegen die in dieser Königsklassen-Saison noch punktlosen und damit vorletzten Belgrader wird ein Erfolg für den VfB mit Blick auf die Achtelfinal-Play-offs entsprechend wichtig sein, weil der deutsche Vizemeister mit vier Zählern aus vier Spielen auch nur auf Rang 27 steht. (GEA)