STUTTGART. Der VfB Stuttgart hat in der Ligaphase der Champions League die zweite Niederlage kassiert. Gegen Europa-League-Sieger Atalanta Bergamo unterlag der Bundesliga-Vizemeister mit 0:2 (0:0). Die Partie am Mittwochabend war dabei ein eindrucksvolles Lehrstück dafür, dass der oft zitierte italienische Catenaccio seine besten Tage längst hinter sich hat. Nichts liegt weiter entfernt zwischen Atalanta Bergamo und dem klassischen Abwehrriegel, wie er dem italienischen Fußball selbst heute noch fälschlicherweise immer wieder pauschal zugeschrieben wird. Das ist längst nicht mehr State of the Art.
VfB bekommt die Wucht von Atalanta zu spüren
Frage nach bei Trainer-Urgestein Gian Piero Gasperini, der die Gäste aus der Lombardei 2016 als graue Maus übernommen hatte und sie Schritt für Schritt in der Spitzengruppe der Serie A etabliert hat. Der 66-Jährige setzt auf ein sehr dominantes Spiel mit dem Ball und ein brutal mannorientiertes sowie extrem hohes Pressing, das maßgeblich dafür verantwortlich war, dass Bayer Leverkusen im letzten Spiel der vergangenen Saison - beim italienischen 3:0-Erfolg im Europa-League-Finale in Dublin - doch noch die Ungeschlagen-Serie und den krönenden Triple-Gewinn zum Abschluss aus der Hand gab.
Diese Wucht bekam nun auch der VfB am eigenen Leib zu spüren. Es war deshalb keine große Überraschung, dass die Hausherren im ersten Durchgang, der sich chancentechnisch sehr ausgeglichen gestaltete, nur auf 43 Prozent Ballbesitz kamen. Mit anderen Worten: Bergamo diktierte den Stuttgartern ihr Spiel, das unter Gasperini in jeder Phase einem genauen Plan folgt. Die Mannen um VfB-Kapitän Atakan Karazor hatten immer wieder Probleme, sich durch die erste Pressinglinie der Italiener - teilweise attackierte Atalanta den Spielaufbau mit bis zu sechs Mann nahe des Strafraumes - durchzuspielen.
Das Mann-gegen-Mann-Pressing schlägt gnadenlos zu
Es waren wieder einmal Sequenzen, in denen man den Wert der beiden im Sommer abgewanderten letztjährigen Innenverteidiger Waldemar Anton und Hiroki Ito erkannte. Viele trauern vor allem Rekord-Torjäger Serhou Guirassy hinterher. Doch Anton und vor allem Ito waren entscheidende Garanten für den Erfolg unter der spielfreudigen und dominanten Herangehensweise von Trainer Hoeneß. Beide Verteidiger waren absolute Meister darin, selbst unter größtem Druck die Ruhe zu bewahren und dennoch mit einer hohen Präzision immer wieder gefährliche Angriffe durch ihre Übersicht und vertikalen Pässe einzuleiten. Diese Elemente fehlen dem VfB in dieser Saison gegen hoch anlaufende Gegner häufig schmerzhaft.
Das Mann-gegen-Mann-Pressing von Atalanta schlug nach 51 Minuten dann so richtig gnadenlos zu. Der in der 13. Minute für den Ex-Schalker Sead Kolasinac eingewechselte Odilon Kossounou - letztes Jahr fester Bestandteil in der Abwehrkette von Leverkusen - eroberte tief in der Stuttgarter Hälfte gegen Deniz Undav energisch den Ball. Der Nationalspieler der Elfenbeinküste bediente den zum Wiederanpfiff ins Spiel gekommenen Charles de Katelaere auf der linken Seite. Der junge Belgier vernaschte VfB-Linksverteidiger Maximilian Mittelstädt und bediente in der Mitte Stürmer Ademola Lookman, der zur 1:0-Führung für die Gäste einschob. Der Torschütze ist genau jener Akteur, der nach seinem Wechsel 2019 für 18 Millionen Euro als Transfer-Flop in die noch junge Vereinsgeschichte bei RB Leipzig einging und jüngst bei der Weltfußballer-Wahl auf Platz 14 landete. Der Fußball schreibt einfach immer wieder verrückte Geschichten.
Undav am Oberschenkel verletzt
Kurz danach hätten die Stuttgarter beinahe den Ausgleich erzielt, Bergamo-Verteidiger Berat Djimsiti klärte allerdings wenige Zentimeter vor dem Tor und dem einschussbereiten Ermedin Demirovic. Der 26-Jährige war wenige Sekunden zuvor für den am Oberschenkel verletzten Deniz Undav ins Spiel gekommen. Damit ist der deutsche Nationalspieler der zweite Akteur nach Jamie Leweling mit einer Verletzung am Oberschenkel.
Wirklich zwingend gefährlich wurden die Hausherren im weiteren Verlauf des zweiten Durchgangs aber nicht mehr. Einzig ein Torabschluss ans Außennetz des in der 80. Minute überraschend eingewechselten Jarzinho Malanga, der bislang ausschließlich für die zweite Mannschaft in der 3. Liga am Ball war und dort regelmäßig auf sich aufmerksam macht, sorgte für ein Raunen in der MHP-Arena. Für die Entscheidung sorgte derweil Nicola Zaniolo auf der anderen Seite. Sein Treffer zum 2:0-Endstand (88.) wurde durch den über den Ball schlagenden VfB-Verteidiger Anthony Rouault begünstigt. Somit stand unter dem Strich nicht nur eine verdiente zweite Niederlage in der neuen Ligaphase, sondern auch die erste Pleite des VfB vor heimischer Kulisse seit Oktober 2023. Das war vor exakt 375 Tagen. Das deutlich abgezocktere Atalanta Bergamo war an diesem Abend eine Nummer zu groß für den VfB Stuttgart. (GEA)