STUTTGART. Tränen lügen nicht! Mit ergriffener Stimme verabschiedete sich Claus Vogt am frühen Sonntagnachmittag von den Mitgliedern, verließ mit seiner Frau und den drei Kindern geknickt und fast fluchtartig den Innenraum der Porsche-Arena. Kurz zuvor war der 54-Jährige im Rahmen der Mitgliederversammlng als Präsident des VfB Stuttgart abgewählt worden. Noch deutlich mehr als die nötige Dreiviertelmehrheit, genau gesagt 86,03 Prozent der etwas mehr als 1.600 anwesenden Mitglieder, hatten gegen Vogt gestimmt. Was sich im Vorfeld der Veranstaltung angedeutet hatte, wurde damit also wenig überraschend wahr. »Natürlich bin ich enttäuscht, natürlich geht mir das nah und natürlich blutet mir das Herz«, sagte Vogt, der im Dezember 2019 als Nachfolger von Wolfgang Dietrich gewählt worden war.
Er habe »alles für den VfB gegeben«. Die Mitglieder sehen das offenbar diametral anders. Denn wenige Stunden später wurde der Unternehmer aus Waldenbuch nicht für das Geschäftsjahr 2023 entlastet. Unmittelbar vor Vogts Amtszeit war bereits die von Rainer Adrion als Vize-Präsident zu Ende gegangen. Sein Abwahlantrag hatte mit 70,02 Prozent zwar nicht die erforderliche Mehrheit erreicht, der 70-Jährige hatte jedoch im Vorfeld der Abstimmung die Vertrauensfrage gestellt. Er hatte seinen Rücktritt im Falle von mehr als 50 Prozent angekündigt: »Das Vertrauen in mich, die Zukunft des VfB positiv zu gestalten, ist nicht mehr da.« Adrion wurde von der Versammlung zumindest für sein Tun entlastet.
Der Machtkampf, bei dem es in den vergangenen eineinhalb Jahren unter anderem um Millionendeals und geheime Absichtserklärungen ging, endete für Vogt nun mit einer schallenden Niederlage. Hintergrund der breit in der Öffentlichkeit ausgetragenen Querelen ist sein Bruch mit dem Versprechen, wonach der Präsident seit der Ausgliederung der Profiabteilung im Jahr 2017 immer auch Vorsitzender des Aufsichtsrates bleiben sollte. Deshalb – und auch wegen mangelnder Transparenz forderten immer mehr der mittleweile 110.000 VfB-Mitglieder den Rücktritt des gesamten Präsidiums. Jetzt sind Vogt & Co. also Geschichte.
»Natürlich bin ich enttäuscht, natürlich geht mir das nah, natürlich blutet mir das Herz. Aus meiner Sicht habe ich alles für den VfB gegeben«, sagte Vogt, der im Dezember 2019 als Nachfolger von Wolfgang Dietrich gewählt worden war. Die Abwahl des Präsidenten bringt den Vereinsbeirat auf den Plan, der nun unverzüglich eine außerordentliche Mitgliederversammlung einberufen und einen Interimspräsidenten ernennen muss.
Die Zeichen stehen jetzt auf Neuanfang. Nach schwierigen Jahren scheint der VfB nun aber nicht nur präsidial und sportlich, sondern auch wirtschaftlich auf dem Weg der Genesung. Erstmals seit 2019 wurde von der AG im Geschäftsjahr 2023 wieder ein Gewinn von immerhin 700.000 Euro erwirtschaftet. Der Vorstandsvorsitzende Alexander Wehrle sprach von einer »schwarzen Null«. Nach der unter anderem auch finanziell schwierigen Corona-Pandemie sei der »finanzielle Turnaround« geschafft. Der Umsatz stieg in 2023 um 40 Prozent auf 218 Millionen Euro (2022: 155 Mio.). Diese deutliche Sprung hängt hauptsächlich mit dem gewinnbringenden Verkauf von Leistungsträgern wie Konstantinos Mavropanos, Wataru Endo und Borna Sosa. Dies habe, laut VfB-Finanzvorstand Thomas Ignatzi, etwa 55 Millionen Euro in die Kassen gespült. Wie vom damals noch für die Finanzen zuständigen, im April zurückgetretenen Vize-Präsidenten Christian Riethmüller vor einem Jahr angekündigt, erwirtschaftete der e.V. nach 535.000 Euro (2022) im abgelaufenen Geschäftsjahr sogar 704.000. (wil)