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»Zettel-Ewald«: Ewald Lienen spricht in Nehren Klartext

Ewald Lienen war nicht nur Fußballspieler und Trainer, sondern beschäftigte sich schon immer mit Themen außerhalb des Rasens. Mit Moderator Joachim Kreibich führte er im Gasthaus Schwanen in Nehren ein Gespräch über seine Karriere, Politik und Gesellschaft.

Für Ewald Lienen gibt es mehr als nur Fußball.
Für Ewald Lienen gibt es mehr als nur Fußball. Foto: Andreas Stephan
Für Ewald Lienen gibt es mehr als nur Fußball.
Foto: Andreas Stephan

NEHREN. Er nippt am Wasser, gestikuliert, setzt seine runde Brille mit dem markanten schwarzen Rahmen immer wieder auf, dann wieder gleich ab. Spricht direkt und ohne Blatt vor dem Mund. Und macht sich in den Redepausen - natürlich - Notizen. Ewald Lienen, ehemaliger Fußball-Bundesligaspieler und Trainer, ist in seiner Komfortzone, als er im Gasthaus Schwanen in Nehren zum Gespräch geladen ist. Im Rahmen einer von Thomas Puchan ins Leben gerufenen Interviewreihe des Forums Nachhaltigkeit Nehren (FNN) ist der Fußballexperte zu Gast in dem beschaulichen Örtchen. Mit Moderator Joachim Kreibich führt er in den Pausen eines Vier-Gänge-Menüs ein Gespräch, in dem er nicht nur über Fußball referiert, sondern »über Gott und die Welt fabuliert«, wie er es selbst ausdrückt.

Ein Bild hat man gleich im Kopf, wenn man seinen Namen liest. Der aufgeschlitzte Oberschenkel, der Lienen über sein fußballerisches Talent hinweg berühmt machte. Der ballverliebte Dribbelkünstler, für den ein Schuss wie ein Ballverlust war, sagt über die Verletzung: »Sie war komplett harmlos, sah aber spektakulär aus.« Genutzt habe er sie jedoch, um auf die Rücksichtslosigkeit aufmerksam zu machen, die damals auf dem Fußballplatz teilweise vorherrschte. Um den Einfluss eines Schlüsselspielers des Gegners möglichst kleinzuhalten, habe es damals auch mal die Anweisung des Trainers gegeben: »Den müsst ihr ausschalten.« Lienen beschreibt so manchen Abwehrspieler mit den Worten: »Kein Mensch, kein Tier, es ist die Nummer Vier.«

Mehr als nur Fußball

Zu einer erfolgreichen Karriere im Fußball hat es der Großneffe des ehemaligen deutschen Nationalspielers Herbert Burdenski trotzdem gebracht. Mit Borussia Mönchengladbach wurde er als Spieler Uefa-Pokalsieger, als Trainer war »Zettel-Ewald« unter anderem für den 1. FC Köln tätig, den er in die Bundesliga führte. Aber für Lienen, der in Liemke in Nordrhein-Westfalen geboren wurde, gibt es aber schon immer mehr als nur den Rasensport. In den Achtzigern engagierte er sich schon politisch als Mit-Initiator von »Sportler gegen Atomraketen« und er kandidierte als parteiloser Kandidat bei den Landtagswahlen in NRW für das linke Wahlbündnis Friedensliste. »Ich habe das absolute Spitzenergebnis von 2,7 Prozent erreicht«, berichtet er augenzwinkernd.

Und wenn er im Gespräch mit Moderator Kreibich von seinen Fußballwegen erzählt, wird deutlich, wie gesellschaftskritisch der einmalige Nationalspieler die Themen beleuchtet. Angesprochen auf seine Bestnote in der Trainerausbildung, kommt Lienen in Fahrt. »Was ist Erfolg?«, fragt er in den ausverkauften Saal. »Nicht eine Bestnote zu haben. Sondern mit sich selbst zufrieden zu sein.« Alleine vor dem Spiegel zu Hause müsse man mit sich klarkommen. »Die Gesellschaft ernährt die Seele nicht.« Er bemängelt, dass es in unseren Schulen die Möglichkeit gebe, aus den Kindern bessere Menschen zu machen, aber nur nach den besten Noten gestrebt werde. Lienen, der auch Kurse zum Thema Führungskultur gibt, hat den Gastraum im Griff. Seine direkte, humorvolle Art kommt an.

Selbst noch viel gelernt

Seine makellose Trainerausbildung habe ihm für den Trainerjob nichts gebracht. »Es geht um Charakterbildung, um Kommunikation«, betont der 1,76 Meter kleine ehemalige Linksaußen. »Die Sache und der Mensch sind wichtig.« Ein Trainer müsse führen. Und das könne man nur, wenn man Einfluss hat. »Den habe ich aber erst, wenn ich eine Beziehung zu meinem Gegenüber aufgebaut habe«, erklärt er. Das alles habe er erst lernen müssen.

Inzwischen hat der 71-Jährige seine Trainerkarriere beendet und ist nur noch als Fernsehexperte tätig. Sein Fokus liegt nun im Klimaschutz. Er engagiert sich im UrLand in Oerlinghausen, einem Naturschutzgebiet im Teutoburger Wald mit einer Klimaerlebniswelt und Archäologischem Freilichtmuseum. »Wir fördern nachhaltigen Tourismus«, sagt er. Es sei ein Dauerthema, wie die Welt sich verändert und wie man sich anpassen kann. Im UrLand könne man das hautnah erleben. Lienen erläutert: »Das Vorhaben der Vereinten Nationen, das Klima zu retten, ist löblich. Aber zu glauben, dass sich die gemeinsam zu etwas entschließen, ist naiv.« Er ist überzeugt: »Eine Transformation funktioniere nur über Menschen.«

Am Ende des sehr launischen Abends stellt Lienen dann fest: Er sei das erste Mal, dass er im hier im Süden Deutschlands sei für so einen Termin. Gut, dass er hier sei, denn »wenn der Puchan mich nicht eingeladen hätte, dann würde die Region hier gar nicht nach vorne kommen«. (GEA)