Bischofshofen (dpa) - Der goldene Adler ist für Karl Geiger so greifbar wie seit 18 Jahren für keinen deutschen Skispringer. Mutig, angriffslustig und zuversichtlich geht der Oberstdorfer trotz des missglückten Auftritts in Innsbruck ins letzte Springen um die Siegertrophäe der Vierschanzentournee.
Wettkampf abhaken, Blick nach vorn - so lautet das Motto. Keine 24 Stunden nach dem achten Platz im verrückten Windlotto von Tirol sprang Geiger schon wieder weiter. Auf der Final-Schanze in Bischofshofen belegte er in der Qualifikation mit einem Satz auf 128 Meter allerdings nur den 16. Platz.
»Das war jetzt noch nicht so der Hit«, stellte Geiger anschließend fest. Seinen Optimismus ließ sich der 26-Jährige am Sonntag dennoch nicht nehmen: »Das war jetzt mal zum warm werden. Morgen zählt's dann!«.
Bundestrainer Stefan Horngacher blieb ebenfalls zuversichtlich. »Es war jetzt nicht ganz optimal für den Karl heute, aber wir wissen, was er machen muss«, sagte er in der ARD. »Wir werden das jetzt analysieren«, meinte der Coach und fügte hinzu: »Morgen wird er genau das besser machen, was er machen muss, um weiter zu springen.«
Auf der Paul-Außerleitner-Schanze hat Geiger am Montag immer noch eine realistische Chance, der erste deutsche Tourneesieger seit Sven Hannawald 2002 zu werden. »Es ist möglich, und die Form stimmt: Das nehme ich jetzt mit«, sagte Geiger.
Der Kampf um die Adler-Trophäe für den Gesamtsieger ist in diesem Jahr so eng wie lange nicht. Aus dem Dreikampf zwischen Vorjahressieger Ryoyu Kobayashi, Geiger und dem Polen Dawid Kubacki ist ein Vierkampf geworden. Kubacki, der in Innsbruck die Führung eroberte, hat die besten Chancen. Umgerechnet fünf Meter dahinter liegt der norwegische Garmisch- und Bergisel-Sieger Marius Lindvik. Geiger fehlen etwa sieben Meter auf die Spitze, ganz knapp hinter dem Oberstdorfer lauert Kobayashi. Der 23-Jährige war aus dem Top-Quartett mit einem Sprung auf 134 Meter in der Qualifikation am stärksten.
Aus dem deutschen Team machten vor allem Constantin Schmid als Quali-Vierter und Stephan Leyhe an seinem 28. Geburtstag einen super Job. Der Hesse wurde Fünfter. Markus Eisenbichler ist am Montag ebenfalls dabei, springt selbst und drückt nebenher seinem Zimmerkollegen und Freund Geiger die Daumen. »Der Karl ist eine Wundertüte«, sagte der Dreifach-Weltmeister des Vorjahres.
Seit Hannawald, der als Erster alle vier Springen bei der Tournee gewann, war kein DSV-Adler vor dem letzten Wettkampf mehr so nah am Gesamtsieg dran wie Geiger jetzt. Er kündigte an: »Ich werde alles riskieren.«
Horngacher gab sich ebenfalls kämpferisch. »Wir geben noch nicht auf«, sagte er. Am Umgang mit seinem Athleten und an seiner grundsätzlichen Herangehensweise hält der 50-Jährige auch vor dem großen Finale fest. »Wir schauen von Sprung zu Sprung«, wiederholt Horngacher weiter sein Tournee-Mantra. Was die Konkurrenten machen sei ihm »eigentlich relativ egal. Ich muss schauen, dass der Karl im richtigen Zustand ist.«
Die Chance, dass Geiger in Bischofshofen seine Leistung bringt, ist auch nach der nicht optimalen Qualifikation recht hoch. Der ruhige Sportler hat sich im vergangenen Jahr enorm entwickelt und ist zu einem Musterbeispiel an Konstanz geworden. Viermal sprang Geiger in diesem Winter schon aufs Podest, Rang acht von Innsbruck ist seine bisher schwächste Platzierung im Weltcup 2019/20.
Das Problem: Nur Konstanz wird nicht reichen, Geiger muss schließlich aufholen. Er muss am Montag einen absoluten Sahnetag erwischen und zudem auf Fehler der Konkurrenz hoffen. Nur wenn alles zusammenkommt, kann es mit dem glänzenden Adler noch klappen.
Informationen zur Vierschanzentournee
Geschichte der Vierschanzentournee