Die Bürgermeister im Kreis Reutlingen, von denen zuletzt einige empfindliche Dämpfer einstecken mussten, würden sich freuen: Die Wahlen einfach per Beifall durchführen – dann wäre die Wiederwahl nur Formsache. Bei Bürgermeisterwahlen per Akklamation abstimmen ist allerdings nicht erlaubt. Bei der Präsidentenwahl des Fußball-Weltverbands Fifa dagegen schon. Beim Fifa-Kongress in Kigali entschieden die Delegierten mit ihren digitalen Wahlgeräten über die Tagesordnung, das Protokoll und die Suspendierungen von einigen Nationen. Nur über die Hauptsache nicht. Gianni Infantino wurde als Präsident durch Beifall wiederbestimmt. Der Schweizer hatte keinen Gegenkandidaten, dennoch wäre es interessant und richtig gewesen, wenn es Zahlen über das Abstimmungsverhalten der 208 Verbände gegeben hätte.
In der Funktionärsriege des Weltfußballs mischten schon viele Schurken mit. Doch Infantino ist der Oberschurke. Der 52-Jährige leistete sich in sieben Jahren Allein-Herrschaft dermaßen viele Affären, dass einem die Spucke wegbleibt. Von Transparenz gibt es in seinem Wirken keine Spur, fast alle Turniervergaben sind zweifelhaft, in der Schweiz ermitteln zwei Sonderstaatsanwälte in einer undurchsichtigen Justiz-Affäre gegen Infantino, er reist auf Verbandskosten mit dem Privatjet durch die Welt. Und, und, und.
Bernd Neuendorf, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hat Infantino bei der Wahl nicht unterstützt. Richtig so. Der DFB erhielt bei verschiedenen Fragestellungen – das Sponsoring Saudi-Arabiens für die Frauen-WM oder der Entschädigungsfonds für Arbeitsmigranten in Katar – von der Fifa keine oder nur unzureichende Informationen. Keine Antworten, keine Zustimmung. Der seit einem Jahr an der DFB-Spitze stehende Neuendorf hat in Kigali Pluspunkte gesammelt.