Logo
Aktuell Fussball

Wie Harry Kane vom Pummelchen zum Superstar wurde

Früher klein, nicht besonders schnell und etwas dicklich. Heute ein Fußball-Superstar. Wie Harry Kanes Erfolg mit seiner Vergangenheit zusammenhängt.

Harry Kane hielt den Ball auch in der Jugend regelmäßig in der Hand. Damals allerdings als Torwart.
Harry Kane hielt den Ball auch in der Jugend regelmäßig in der Hand. Damals allerdings als Torwart. Foto: Markus Fischer/Witters
Harry Kane hielt den Ball auch in der Jugend regelmäßig in der Hand. Damals allerdings als Torwart.
Foto: Markus Fischer/Witters

MÜNCHEN. Er ist die personifizierte Tormaschine. Ein Phänomen. Am Samstag unterstrich Harry Kane beim 4:0 seiner Bayern im Südgipfel gegen den VfB Stuttgart mit einem lupenreinen Hattrick seine Torgefahr. Nach sieben Einsätzen in der diesjährigen Bundesliga-Spielzeit steht der Ausnahme-Stürmer bereits wieder bei acht Treffern und vier Vorlagen. Auch in der Champions League läuft es wie gewohnt. Vor dem Duell der Münchner am Mittwochabend (21 Uhr/Dazn) beim FC Barcelona erzielte er in zwei Begegnungen schon wieder vier Buden. Weltklasse.

Dass genau dies eines Tages aus Kane werden würde - damit hatte niemand gerechnet. Damit konnte niemand rechnen. Denn die Karriere des Briten begann alles andere als rosig. Immerhin war die Leidenschaft, seit jeher da. Im Alter von fünf Jahren kritzelte der Torjäger eine Notiz auf seinen Schreibtisch. »Ich will Fußball spielen.« Und das tat der Bub aus Nordlondon.

Fußball ohne Fußbälle

Allerdings erst mal nicht mit Fußbällen, sondern mit Tischtennisbällen. Denn erstere waren an seiner Schule verboten, also mussten Alternativen her und Spaß machte es dem Blondschopf so oder so. Und es half. Denn später erinnerte sich der dreifache Torschützenkönig der Premier League, dass vielleicht ausgerechnet diese Zeit bedeutend war, um besser zu werden. Denn mit den kleinen Kugeln zu spielen, war viel schwieriger, erforderte mehr Präzision und Genauigkeit. Umso leichter fiel es Kane, als er später auf dem Fußballplatz mit richtigen Bällen kicken konnte.

Doch dort gab es andere Probleme. Kanes Jugendtrainer wussten nicht so recht, was sie mit ihm anfangen sollten. Mal stand der Bub im Sturm, mal im Mittelfeld und dann bei seinem Heimatverein Ridgeway Rovers FC auch immer wieder im Tor. »Er war klein, nicht besonders schnell, ein bisschen pummelig. Es war schwer für ihn, seine Eigenschaften wirklich zur Geltung zu bringen«, erinnert sich sein ehemaliger Mitspieler Chuks Aneke in einem Interview. Eines, da waren sich alle einig, hatte er nicht: großes Talent. Zwar arbeitete der pausbäckige Junge damals schon hart, schoss Tore und machte so auf sich aufmerksam, doch das reichte nicht. Nachdem ein Scout des FC Arsenal ihn entdeckt hatte, musste er dort bereits nach kurzer Zeit wieder gehen. Dafür heuerte er bei den Tottenham Hotspur an und durchlief die Jugendteams - zunächst als defensiver Mittelfeldmann.

Durchbruch lässt auf sich warten

Doch der Durchbruch ließ auf sich warten. Kane war allerdings auch keiner, der ins Rampenlicht drängte. Als vornehm zurückhalten beschreibt ihn Sportjournalist Mario Krischel in seiner Biografie »The Torjäger«. Deshalb wurde der Brite unter verschiedenen Trainern wieder und wieder verliehen. Immerhin rückte er als 16-Jähriger während seiner Zeit in der Jugend bei Tottenham eine Position nach vorne auf die 10.

Die große Kane-Show begann aber erst in der Saison 2014/2015 in der Premier League unter Trainer Mauricio Pochettino. 21 Mal traf Kane in seiner ersten kompletten Spielzeit in Englands Oberhaus für Tottenham. Der Rest ist bekannt. Der 1,88-Meter-Mann ist seit diesem Zeitpunkt nicht mehr zu bremsen, egal was die Verteidiger dieses Planeten auch versuchten. Dreimal wurde er Torschützenkönig der Premier League, je einmal bei der Weltmeisterschaft, der Europameisterschaft und in der Champions League.

Torschüsse nur noch mit dem linken Fuß

Was aber hatte dem nicht sonderlich talentierten Fußballer den Durchbruch beschert? Zweifelsohne liegt die Antwort in Kanes mustergültiger Arbeitseinstellung. Der 31-Jährige war der erste auf dem Platz und auch der Letzte, der »bye« sagte. Zusätzlich machte er stopp beim Gym, boxte und wurde kräftiger. Er trainierte hart, vor allem aber auch smart.

Weil er das Gefühl hatte, dass sein Abschluss mit seinem starken Fuß außergewöhnlich gut war, nahm er ab einem gewissen Zeitpunkt einfach nur noch den anderen. Drei Monate lang zog er im Training bei Tottenham nur noch mit links ab. Das Ergebnis: Plötzlich konnte Kane auch mit seinem »Schwachen« richtig draufhämmern und Treffer erzielen, hatte vielen seiner Mitstreiter einiges voraus. Auch, dass er immer wieder als defensiver Mittelfeldmann aufgelaufen war, nützte ihm. Kane verstand die Laufwege seiner Mitstreiter besser als jeder andere, hatte im Gefühl, wann er abspielen musste, oder mit einem Antritt in einen unbesetzten Raum starten.

Noch heute ist Kane weder der klassische Stürmer noch ein Spielmacher, sondern eine »Neuneinhalb«, wie es Les Ferdinand, Techniktrainer der Spurs, formulierte. Einer, der immer weiß, welche die beste Option ist. Einer der immer richtig steht und über einen hervorragenden Schuss verfügt. Rückblickend ist es fast klar: Wer mit Tischtennisbällen trifft, der schafft das auch mit Fußbällen. Mit links und rechts. (GEA)