KÖLN. Die Meinungen über ihn gehen weit auseinander. Den einen gilt er als eine der potenziell prägenden Trainerfiguren der Zukunft, wenn nicht gar schon der Gegenwart. Den anderen gilt er als einer, der nie eine Antwort schuldig bleibt, dessen Sätze aber nicht unbedingt den Gesetzen der Diplomatie folgen. Lukas Kwasniok hat noch nie in der Bundesliga gearbeitet – und in Köln einen Vertrag bis 2028 unterschrieben. Zwei erfolgreichen Jahren beim 1. FC Saarbrücken in der 3. Liga folgten vier erfolgreiche beim SC Paderborn in der 2. Liga. Eigentlich wollte er nach der Saison eine Auszeit nehmen, alles längst bekannt, dann kam der Anruf von Sportdirektor Thomas Kessler. Und mit dem FC war es dann, wie bei einer Hochzeit: »Wenn es dich trifft, musst du es machen. Es gibt manchmal Chancen im Leben, die gibt es nur einmal. Ich wusste sofort, ich will nach Köln.«
Kwasniok nutzte seinen ersten Auftritt und präsentierte sich den Kritikern in Köln als ein Mann, der sich mit 44 Jahren nicht mehr verstellen muss – und vor allen Dingen auch nicht verstellen will: »Du musst in diesem Geschäft bleiben, wie du bist.« Als Friedhelm Funkel in den letzten beiden Zweitligaspielen des FC von Gerhard Struder übernahm, sie überzeugend gewann und als Meister aufstieg, galt der Senior als Favorit auf eine Weiterbeschäftigung in Köln. Zumal Funkel keinen Zweifel daran ließ, dass er sich dafür als absolut geeignet einstufte.
Einer wie Podolski
Als Funkel aber merkte, dass in Köln nicht alle so dachten, sagte er konsequenterweise direkt ab. Kessler suchte – und fand schnell Kwasniok, ein gebürtiger Pole, aufgewachsen in Karlsruhe, noch nie auf den Mund gefallen. Einer wie Lukas Podolski, der Weltmeister machte früh für Kwasniok Stimmung in Köln. Wenn »Poldi« in Köln etwas sagt, hat das eine Bedeutung. Man wurde sich schnell einig, kein Gedanke mehr an Urlaub. Kwasniok stürzt sich in seine neue Aufgabe, kann es gar nicht erwarten, am 7. Juli beginnt die Vorbereitung, Trainingslager in der Steiermark, am 17. August erstes Pflichtspiel im DFB-Pokal bei Drittligist Jahn Regensburg. Kwasniok enttäuschte sein Publikum bei seiner Vorstellung am Mittwoch im Stadion nicht: »Fußball ist verrückt, wir arbeiten in der Showbranche, wenn Sie einen eher langweiligen Typ suchen, bin ich vermutlich der falsche.«
Wie er seine gescheiterte Fußballkarriere referiert, das hatte Witz. »Als junger Mensch habe ich viele Fehler gemacht, ein halbes Jahr vor dem Abitur die Schule abgebrochen, um Fußballprofi zu werden. Und spätestens mit 24 Jahren musste ich erkennen, dass das nichts wird. Ein Strumpfkicker war ich, ich habe es nicht geschafft, es hat nicht gereicht. Zwischen 15 und 18 lief es mal ganz ordentlich, Karlsruhe, Bielefeld, Sandhausen, Raststatt, das war es dann.« Und startete eine Ausbildung in der Verwaltung: »Ich bin Beamtenanwärter.«
Vorbilder? Steffen Baumgart vielleicht? Kwasniok will beim 1. FC Köln Spuren hinterlassen – und den FC nach der Bundesligarückkehr »in ein möglichst ruhiges Gewässer führen«. Vergleiche zu Baumgart, der 2021 wie nun auch Kwasniok vom SC Paderborn nach Köln gewechselt war, lehnte Kwasniok ab: »Wir ähneln uns nur auf den ersten Blick, die Allergrößten sind wir beide nicht. Es gab einen Baumi 1.0, jetzt gibt es einen Luki 1.0.« Ein konkretes Ziel gab Kwasniok vor seiner ersten Bundesliga-Saison nicht aus, »Fußball mit Herz« will er spielen, wer will das nicht: »Diese Mannschaft hat die Qualität, in der Bundesliga zu bestehen, ein unangenehmer Gegner zu sein und an der einen oder anderen Stelle hoffentlich für Spektakel zu sorgen.«
Er freut sich auf Köln, auch das nimmt man ihm ab. Köln habe »die Größe einer Metropole und die Freundlichkeit eines Dorfes. Und wenn du nicht ganz doof bist, dann lässt du dich von dieser Stadt umarmen.« Auf den Rosenmontagszug freut er sich schon jetzt, weil ein Bundesliga-Trainer eben auch ein Entertainer sein muss. Jede Saison sei eine Herausforderung, zumal in Köln in der Bundesliga, sagt der neue Mann. »Ich freue mich auf die Challenge, du musst euphorisch sein können, aber eben auch Demut empfinden können. Es geht nicht um Träume, sondern um realistische Ziele.« Schon klar.
Am Ende vor Gladbach landen
Als einer ihn auf die vor ihm liegenden Duelle mit Bayer Leverkusen und Borussia Mönchengladbach anspricht, sagt er: »Ich hoffe, meine Spieler sind für diese Duelle gemacht, es wäre schön, wenn wir am Ende der Saison vor Borussia Mönchengladbach landen würden.« Und merkt gleich, dass er da sicher einen Schritt zu weit gegangen ist. Aber das macht einem wie Kwasniok gar nichts. Zu notwendigen weiteren Verstärkungen wollten sie am Mittwoch nichts sagen. Sportdirektor Thomas Kessler, der die nichtssagenden Sätze der Branche schon lange internalisiert hat: »Wir sind in guten Gesprächen, aber zu verkünden gibt es nichts.«
Sehr variabel will er spielen, sagt Kwasniok, dem Nachwuchs eine realistische Chance geben. Von dem haben sie in Köln einige. Soll nicht nochmal so etwas passieren wie mit Florian Wirtz, der, ausgebildet in Köln, nach Leverkusen ging, das Double gewann und nun für 150 Millionen Euro an die Anfield Road zum FC Liverpool wechselte. Dem FC bleiben von dem spektakulären Wechsel des Nationalspielers in die Premier League zwei Millionen Euro als Dankeschön, einen potenziellen Weltfußballer aufs Gleis gehoben zu haben. (GEA)