Doha (dpa) - Von seiner erhöhten Beobachterposition hatte Hasan Salihamidzic einen idealen Blick auf den Trainingsplatz.
Aber der Sportdirektor wurde immer wieder abgelenkt, sein Handy lief am Donnerstag bei ein paar seltenen Regentropfen im Wüstenstaat Katar heiß. Salihamidzic war auf seinem weißen Plastikstuhl ständig am Telefonieren.
Überraschend war das nicht. Trainer Hansi Flick hatte zuvor wegen der »mauen Personalsituation« mit der eindringlichen Forderung nach Verstärkungen den Druck auf die Vereinsführung und besonders Sportdirektor mit Kalkül massiv erhöht. Salihamidzic reagierte nach dem Training entsprechend verstimmt. »Ich war überrascht über diese mediale Kaderplanung, die der Hansi betrieben hat«, sagte er und betonte: »Ich bin einfach kein Freund von medialer Kaderplanung.«
Flick hatte wegen des Verletzungsalarms in der Abwehr (Süle, Hernández, Martínez) und auf den offensiven Außenbahnen (Coman, Gnabry) einen Notruf abgesetzt. »Wir brauchen auf jeden Fall noch Verstärkung«, sagte er der »Süddeutschen Zeitung« (Donnerstag).
Inhaltlich zeigte Salihamidzic durchaus Verständnis. »Hansi Flick hat die gegenwärtige Situation bewertet und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass wir uns verstärken müssen. Das muss man verstehen. Das tue ich auch. Der Hansi spürt jetzt als Cheftrainer den Erwartungsdruck«, sagte der 43-Jährige: »Da gibt es keine Meinungsverschiedenheit.«
Flicks Vorgehen ist nachvollziehbar. Als Trainer ist er in letzter Instanz verantwortlich für den Erfolg und die Saisonziele - sprich Titel. Da ist es für ihn sinnvoll, frühzeitig zu mahnen, notfalls auch extern. Der 54-Jährige spielt in den kommenden Wochen und Monaten auch um seine weitere Zukunft als Trainer des FC Bayern.
Diese ist nur bis zum Saisonende fixiert. Flick formulierte es in Doha selbst drastisch: »Wir sind hier bei Bayern München. Und da ist es so: Wenn du in der Bundesliga Zweiter wirst mit einem Tor Unterschied, hast du keine gute Saison gespielt.« Die Bayern gehen mit vier Punkten Rückstand auf RB Leipzig in die Rückrunde.
Bevor Flick liefern muss, ist erst mal Salihamidzic am Zug. Er prüft mit den Scouts »die Optionen, die in dieser Transferperiode schwierig zu finden sind«. Sein Problem: »Unsere Mannschaft zu verstärken, ist schwer. Und die Topspieler werden im Winter von den Clubs nicht freigegeben.« Zumal auch der finanzielle Rahmen passen müsse.
Salihamidzic hat noch bis Ende des Monats Zeit. Raschen Vollzug wird er aber kaum vermelden können. »Wir sind noch in keiner Sache weit«, verriet er. Weil ein Spieler sofort helfen müsse, sei der noch am Knie verletzte Nationalspieler Leroy Sané im Winter »kein Thema«.
Einen Konter des Sportchefs an den Chefcoach gab es auch noch. Die Realisierung der Saisonziele macht Salihamidzic nicht von Zugängen in der Winterpause abhängig. »Die Zukunft des FC Bayern hängt nicht von einem Rechtsverteidiger ab«, sagte Salihamidzic.
Auch beim zweiten Aufregerthema des am Freitag endenden Münchner Wintercamps bezog der künftige Sportvorstand deutlich Stellung. Salihamidzic stuft die ablösefreie Verpflichtung von Schalke-Keeper Alexander Nübel »strategisch und qualitativ« als »Riesengewinn« für den Rekordmeister ein. »Ich kann ihnen garantieren, dass er für unsere Mannschaft ein Gewinn sein wird«, erklärte Salihamidzic.
Eine angebliche Zusage des Vereins über eine gewisse Anzahl von Spielen an Nübel bestätigte der Sportchef nicht. Manuel Neuer hatte in Doha jedoch deutlich gemacht, nicht auf Einsätze verzichten zu wollen. »Manuel ist Welttorhüter, Weltmeister, unser Kapitän und unsere Nummer 1. Das verlangen wir von ihm, dass er so einen Ehrgeiz hat«, meinte Salihamidzic. Nübel sei ebenfalls ehrgeizig und sehr selbstbewusst, »aber er wird sich unterordnen«. Ob der 23 Jahre alte Nübel ausgeliehen werden könnte, beantwortete der Sportdirektor klar mit »Nein«.
Mit dem bald 34-jährigen Neuer strebt der Verein weiter eine Ausweitung der Zusammenarbeit bis 2023 an. »Ich habe Manuel schon vor der Winterpause gesagt, dass wir sehr daran interessiert sind, den Vertrag mit ihm zu verlängern«, sagte Salihamidzic.