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Vier Fehler von Hansi Flick bei der WM

Bundestrainer Hansi Flick durchlebt seine erste Krise. FOTO: GAMBARINI/DPA
Bundestrainer Hansi Flick durchlebt seine erste Krise. FOTO: GAMBARINI/DPA

DOHA. Er ist einer der wenigen im Team mit internationaler Klasse – und er hat bei der WM zwei Wochen lang geschwiegen. Bis auf den letzten Augenblick, da sagte Antonio Rüdiger das, was keiner im Team wahrhaben will: »Die letzte Gier, dieses etwas Dreckige – das fehlt uns«, befand der Innenverteidiger in der Nacht nach dem WM-Aus. Gestern Mittag ist der DFB-Tross gen Deutschland gestartet. Mit einer schweren Hypothek im Gepäck.

Die Frage, wo der deutsche Fußball stehe, wollte Bundestrainer Hansi Flick vor dem Spiel gegen Costa Rica nicht beantworten. »Fragen Sie mich morgen.« Nach dem vogelwilden 4:2-Rumpelsieg gegen Costa Rica verriet alleine die Miene des Bundestrainers die Antwort: Deutschland ist nach der WM 2018 erneut in der Gruppenphase ausgeschieden, diesmal waren die Japaner die Ursache, die im Eröffnungsspiel in 20 Minuten die deutsche Schwäche offengelegt haben.

Flick sagte das deutlich: »Was uns früher ausgemacht hat, war das Defensiverhalten, Deutschland konnte immer gut verteidigen.« Diesmal nicht. Auch gegen Costa Rica habe die Mannschaft durch individuelle Fehler den Gegner stark gemacht, einen Gegner, den sie zuvor im Griff zu haben schien. Flick benannte das zweite Problem: »Wir müssen die Chancen reinmachen, dann kannst du das Spiel schnell in eine andere Richtung drehen.«

Dass die hochgelobten Spanier auch gegen Japan verloren haben, machte Flick in der bittersten Stunde seiner Karriere nicht zum Thema. Dass es an Qualität in der Nationalmannschaft fehle, ließ er durchblicken. Es werde immer viel über Ausbildung in den Vereinen geredet, und doch gebe es beispielsweise keine Neuner oder Außenverteidiger auf Weltniveau. Ob er sich selbst etwas vorzuwerfen habe? Flicks Antwort: »Ich bin immer einer, der sehr, sehr kritisch ist.« Gegen Spanien habe sein Team gut gespielt, gegen Japan in 60 Minuten auch und die Pflichtaufgabe gegen Costa Rica erfüllt. Das klang nicht nach Selbstkritik.Flick in der KritikDabei hat der Bundestrainer einen erheblichen Anteil an diesem Misserfolg:

1. Fehler: Es fing im Oman an. Trotz der kurzen Vorbereitungszeit nutzte Flick das Freundschaftsspiel nicht zum letzten Test für eine Stammformation, stattdessen rotierte er munter durch.

2. Fehler: Nach 60 guten Minuten im Japan-Spiel nahm er Ilkay Gündogan vom Feld, offenbar um Leon Goretzka den Frust auf der Bank zu ersparen.

3. Fehler: Aus dem ordentlichen Auftritt gegen Spanien zog er keine Konsequenzen. Obwohl Tore vonnöten waren, hielt er an Thomas Müller fest, der bis dahin in keinem Spiel auf das Tor geschossen hatte, statt Niclas Füllkrug zu bringen, seinen einzigen Stürmer, der tatsächlich gezeigt hatte, wo das Tor steht. Der Mainstream war schon bei Joachim Löw kein guter Begleiter. Wenn alle Experten Füllkrug fordern, macht auch Flick das Gegenteil.

4. Fehler: Noch fataler der Kimmich-Wechsel. Obwohl er den Münchner gerade noch als einen der besten Sechser auf der Welt gelobt hatte, verschob er ihn auf die Position des Rechtsverteidigers, um in der Halbzeit sein Missgeschick zu korrigieren.

Flick widersprach am Abend den Vermutungen von Bastian Schweinsteiger, dem die Mannschaft zu wenig »gebrannt« habe und in der der Funke nicht übergesprungen sei. »Das ist Quatsch«, sagte Flick. An der Mentalität seiner Kicker ließ er keine Zweifel aufkommen.

Wohl aber sein Innenverteidiger Antonio Rüdiger. »Die letzte Gier, dieses etwas Dreckige – das fehlt uns«, sagte der auf Weltniveau spielende Innenverteidiger von Real Madrid und dann diesen bemerkenswerten Satz: »Viel Talent, alles schön und gut. Aber da gehört mehr dazu als einfach nur Talent, da spielen auch andere Faktoren eine Rolle.« Laut Rüdiger steht die deutsche Nationalmannschaft »wieder bei Null«. Das sei die harte Realität. Die Kritik am Abwehrverhalten kann Rüdiger nachvollziehen. »Ich denke, ich kann mich da nicht ausnehmen, als Mannschaft haben wir defensiv nicht funktioniert, das muss man so ganz ehrlich sagen.« Doch auch offensiv hätte es besser laufen können: »In beiden Mannschaftsteilen fehlt einiges.«

DFB-Präsident Bernd Neuendorf kündigte gestern vor dem Rückflug eine Krisensitzung mit Hansi Flick, Oliver Bierhoff und DFL-Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke an. Dass Flick zur Disposition steht, ist nicht zu erwarten. Er freue sich auf die EM, sagte der Bundestrainer noch in der Nacht: »Es macht mir Spaß.«

Ein Blick in die Statistik: In zwölf Länderspielen im Jahr 2022 spielte Deutschland nur zweimal zu Null – gegen Israel und Oman. (GEA)