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Topathleten first? Corona-Impfungen: Ein heikles Thema

Die Olympischen Spiele in Tokio und die Fußball-EM rücken näher - und die Pandemie ist längst nicht besiegt. Das Thema Impfen ist für den Weltsport und die Athleten von großer Bedeutung - und umstritten?

Karl Lauterbach
Ist gegen eine Bevorzugung von Sportlern bei den anstehenden Corona-Impfungen: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Foto: Kay Nietfeld/dpa
Ist gegen eine Bevorzugung von Sportlern bei den anstehenden Corona-Impfungen: SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Foto: Kay Nietfeld/dpa

FRANKFURT/MAIN. Topathleten first? Das Thema Impfen wirft auch für den Weltsport bedeutsame Fragen auf - ethische, moralische, ökonomische. Besonders für das sichere Gelingen der Olympischen Spiele in Tokio und der Fußball-Europameisterschaft im nächsten Sommer ist das Impfen ein wichtiger Baustein.

Spitzensportler und Profifußballer deshalb bevorzugt gegen das Coronavirus zu impfen, ist umstritten und heikel. »Ich finde es nicht unproblematisch, dass Sportler zuerst geimpft werden, damit sie dem Profisport nachgehen können«, sagte der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach.

Bei der Festlegung der Prioritäten bei der Impfung müsse man sich auf die Empfehlungen der Ethikräte und der Ständigen Impfkommissionen verlassen. Dennoch erscheine es ihm fragwürdig, »dass wir Sportler impfen und ältere Ungeimpfte noch erkranken und um ihr Leben kämpfen« müssten, meinte der 57 Jahre alte Mediziner. Der Sprecher der Spitzenverbände pflichtet ihm bei. »Ich habe einen 91-jährigen Vater und wünsche mir, dass er einer der Ersten ist, der den Impfstoff erhält«, sagte Ingo Weiss. »Der Sport muss sich dahinter anstellen.«

Die Mehrheit der Bundesbürger teilt diese Ansicht. 66 Prozent sind gegen bevorzugte Corona-Impfungen für Sportler, 19 Prozent dafür. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur unter 2045 Befragten. 15 Prozent machten keine Angaben.

»Wir haben den Traum, zu Olympia zu gehen. Trotzdem sollte das, was für die Gesellschaft das Wichtigste ist, im Vordergrund bleiben«, betonte die Turnerin Elisabeth Seitz. Für sie sei es wichtig, dass dadurch keine Risikogruppen oder Ärzte und Krankenhauspersonal benachteiligt werden: »Sie sollten vor uns Sportlern stehen.« Außerdem möchte die Olympia-Vierte am Stufenbarren von Rio 2016 »vorher alle Risiken und Nebenwirkungen« abgeklärt wissen. »Impfen ist nicht schlecht«, meinte ihr Turn-Kollege Marcel Nguyen. »Ich möchte trotzdem nicht der Erste sein, der das ausprobiert.«

Weniger Bedenken haben andere Sportler, allen voran Max Hartung. »Ich werde mich impfen lassen«, kündigte der Vorsitzende von Athleten Deutschland und Säbelfechter an. Auch die sechsmalige Olympiasiegerin der Dressurreiter, Isabell Werth, werde es »sofort machen«. Eine »hohe Bedeutung« hat die Impfung für Tischtennis-Ass Dimitrij Ovtcharov. »Nicht nur in Bezug auf den Sport, sondern auf die ganze Pandemie-Situation bezogen«, erklärte er. Er plane, wenn möglich, sich »sehr zeitnah impfen zu lassen.«

Auch die Boxerin Nadine Apetz ist für das Impfen, sieht für sich aber aktuell keine Notwendigkeit. »Da ich eine der Sportlerinnen bin, die schon mit Corona infiziert war, habe ich noch Antikörper in mir«, berichtete die mehrfache WM- und EM-Dritte. Von daher wisse sie nicht, ob eine Impfung derzeit sinnvoll sei.

Ähnliche Gedanken hegt Ringer Frank Stäbler, der sich auch infiziert hatte. Laut seiner Ärzte habe er aktuell starke Antikörper und sei keine Gefahr für andere. »Ich glaube aber, dass die Impfbescheinigung ein Türöffner werden dürfte an Flughäfen, in Hotels oder wo wir uns sonst überall in der Welt bewegen«, sagte er. »Wenn es erforderlich ist, um meinen Olympia-Traum ohne weitere große Hindernisse zu verwirklichen, würde ich mich selbstverständlich impfen lassen.«

Fraglich ist indes, ob sich jeder Olympia-Starter impfen lassen will. »Ich denke, es gibt einige Sportler, die das nicht machen wollen«, sagte Turner Andreas Toba. »Dann ist die Frage: Was macht man mit den Sportlern? Dürfen sie aufgrund des Nicht-Impfens nicht zu den Olympischen Spielen?«

Eine Impfpflicht für die Tokio-Spiele vom 23. Juli bis 8. August wird es nicht geben, versicherte Thomas Bach. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees ist jedoch sicher, von Schnelltests und Impfungen bei der Organisation sicherer Spiele zu profitieren. »Impfungen sind kein Allheilmittel«, unterstrich er.

»Ich könnte mir vorstellen, dass es eine Regelung geben wird, wonach man nur starten darf, wenn man geimpft ist«, sagte Gesa Kraus. Im Leistungssport müsse man sich mit Dingen arrangieren, die man diskutieren könne. »Meine übergeordneten Ziele stehen jedoch über so etwas«, sagte die Hindernislauf-Europameisterin. Sie sehe sich als Teil des Prozesses: »Ich habe nicht die riesengroße Angst in Corona-Zeiten, da ich ein positiv denkender Mensch bin.«

Der Sportsoziologe Gunter Gebauer sieht ungeachtet der Impf-Problematik vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie generell ein erhebliches Risiko für die Austragung der Tokio-Spiele. »Bei 10 000 Athleten im Olympischen Dorf ist der Gefahrenherd gewaltig«, sagte er. »Wenn das nicht beherrschbar ist, ist es sicher besser, man lässt die Spiele ausfallen, als dass man so etwas wie einen Super-Super-Spreader veranstaltet.« Denn hinterher würden alle wieder in alle Weltgegenden nach Hause fahre - »und dann ist die Pandemie nochmal potenziert, falls eine Pandemie überhaupt potenzierbar ist«. (dpa)