BADEN-BADEN. Abendkleid und Smoking statt Trikot und Trainingsanzug: der deutsche Sport feierte im Baden-Badener Kurhaus bei der 78. Auflage von »Sportler des Jahres« eine glamouröse Party. Insgesamt 51 Medaillengewinner der Olympischen Spiele von Paris waren am Ende eines großen Sportjahres mit Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften in den Benazétsaal gekommen und über Baden-Baden lag tatsächlich der Goldglanz von Paris. Die Geehrten wurden als Aushängeschilder des deutschen Sports gefeiert. Eine Botschaft der Sportgala: der Sport in diesem Land hat auch außerhalb des Fußballs großartige Repräsentanten zu bieten.
Atemberaubende Karriere
»Ich bin einfach nur glücklich«, sagte die erst 18 Jahre alte Sportgymnastin Darja Varfolomeev (Fellbach-Schmiden). Als erste deutsche Olympiasiegerin der Rhythmischen Sportgymnastik wurde sie als erste Vertreterin ihrer Sportart zur Sportlerin des Jahres gekürt. Als Welt- und Europameisterin hatte sie in Paris die Sportwelt mit Ball, Band, Seil, Reifen und Keule begeistert. Die Perfektionistin auf dem Viereck hat eine bemerkenswerte Karriere hinter sich. Mit zwölf Jahren war sie ohne Eltern und Sprachkenntnisse, aber mit einem deutschen Großvater aus Sibirien nach Deutschland gekommen und hat als sechsfache Weltmeisterin und zweifache Europameisterin eine atemberaubende Laufbahn hingelegt.
»Es ist ein unglaubliches Gefühl, dass sich meine Arbeit, mein Schweiß, die ganzen Schmerzen gelohnt haben«, fasste sie ihre Gefühle zusammen. Die Woche vor der Gala war »hart«, wie sie sagte. Im Abschlussjahr ihrer Realschulklasse musste sie noch drei Klassenarbeiten schreiben. Inzwischen findet ihre sportliche Klasse und ihre Ausstrahlung auch international große Akzeptanz. Sie wurde bereits in vier europäische Länder zu Lehrgängen eingeladen. Im Januar steht eine Reise in die USA an. Für Weihnachten hat sie nur den Wunsch, ihre gesamte Familie zusammenzubringen.
Kugelstoß-Olympiasiegerin Yemisi Ogunleye (Mannheim) landete denkbar knapp hinter Varfolomeev auf Platz zwei. In Paris war die gläubige Christin völlig überraschend zum Olympiasieg gekommen. Nachdem sie im ersten Versuch im Ring gestürzt war, holte sie sich im letzten Durchgang Gold. »Hinfallen, aufstehen, weiterkämpfen« lautet dabei ihre Botschaft. Ogunleye begeisterte auf der Bühne mit einem gesanglichen Auftritt ihres Gospelchores aus Karlsruhe, in dem auch ihr Pastor als ständiger Begleiter mitgesungen hatte.
Ruderer Oliver Zeidler überragte mit seinen 2,03 Meter Körpergröße, aber auch sportlich, alle im Kursaal. In Paris ließ er nach seinem Olympiasieg im Einer seinen Emotionen freien Lauf: Tränen und Jubel wechselten sich ab. »Ich habe meinen Traum erfüllt«, brachte er seine Gefühle auf einen Nenner. Für einen Gänsehautmoment sorgte sein Vater und Trainer Heino Zeidler, als dieser seinem Sohn mit einer innigen Umarmung die Trophäre als Sportler des Jahres überreichte. »Du bist ein unglaublicher Athlet mit einem unglaublichen Willen«, kam ein Lob aus väterlichem Mund.
Kritk am Sportsystem
Am Rand der Gala kritisierte Zeidler das deutsche Sportsystem als »viel zu bürokratiebeladen« und forderte hier eine deutliche Korrektur. »Dieses System ist nicht für Spitzensport ausgelegt«, meint der Hüne. Zeidler ist inzwischen nach Lausanne gezogen und rudert auf dem Genfer See für mögliche künftige Erfolge.
Die Entscheidung für Zeidler fiel wie bei den Frauen denkbar knapp aus. Schwimmer Lukas Märtens, erster deutscher Olympiasieger in Paris, wurde Zweiter vor dem Ironman-Hawaii-Triathlon-Sieger Patrick Lange.
Bei den Teams lagen drei Ballsportarten vorne. Die Olympia-Silbermedaillengewinner im Handball als Dritte, die Fußballer von Bayer Leverkusen wurden im »Vizekusen-Modus« Zweite. Körperlich und im Glanz ihrer olympischen Goldmedaille wurden die 3 x 3-Basketballerinnen ganz oben auf dem Podest gefeiert. Nach dem Erfolg der Männer (Weltmeister 2023) sorgten auch die Basketballerinnen für große Höhepunkte. »Ihr habt alle bewegt«, rief Laudatorin Laura Ludwig den Frauen am roten Ball zu.
Turnerin Kim Bui (Tübingen) wurde für ihre herausragenden sportlichen Leistungen und soziales Engagement mit dem Sparkassenpreis geehrt. Die Dritte der Europameisterschaft 2022 mit dem Team engagiert sich nach ihrem Karriereende für Aufklärung über Essstörungen im Sport und leistet Hilfestellung für den Nachwuchs. Ihre Stimme nützt sie auch, um Themen wie seelischen Missbrauch und Sexualisierung im Sport öffentlich zu machen. »Ich möchte dem Sport damit etwas zurückgeben«, sagt die 35-Jährige. Die Hälfte des Preisgelds (40.000 Euro) will Kim Bui an den Förderkreis krebskranker Kinder in Stuttgart sowie die Kinderturnstiftung Baden-Württemberg spenden. (GEA)