FRANKFURT. Was hat eine Covid-19-Erkrankung bei Leistungssportlern für Folgen? Und was müssen Hobby-Sportler berücksichtigen, wenn sie wieder kicken oder laufen? Die Deutsche Sporthochschule in Köln und Regenerationsexperte Ingo Froböse beschäftigen sich damit. »Wenn die Erkrankung richtig zuschlägt, kann es sogar zu einem Karriereende führen«, sagt der Sportwissenschaftler im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur. Seiner Ansicht nach spielt der Fußball die Erkrankung bei betroffenen Profis oft herunter, um deren Marktwert nicht zu beeinträchtigen.
Was weiß man in der Kürze der Zeit über Nachwirkungen einer Covid-19-Erkrankung für Leistungssportler?
Ingo Froböse: Das hängt natürlich davon ab: Wie intensiv bin ich erkrankt. Grundsätzlich ist das eine Geschichte, die man aktuell noch nicht richtig erklären kann, weil wir noch nicht so viele Erfahrungen mit Spitzensportlern haben. Was man aber weiß, ist natürlich: Wenn die Erkrankung richtig zuschlägt, kann es sogar zu einem Karriereende führen. Gerade im Bereich des Ausdauersports kann es dann zu massiven Veränderungen kommen, zum Beispiel zu Entzündungen in den beiden entscheidenden Organen: Herz und Lunge. Das muss dann zu lang andauernden Trainingspause führen.
Was sind die größten Gefahren in so einem Fall?
Froböse: Dass zu früh mit dem Training begonnen wird und zu intensiv. Und wenn dies eine massive Schädigung nach sich zieht, dass wir dann Long Covid haben. Eine häufige Müdigkeit, die dann in den Knochen zurückbleibt, und damit auch die Trainierbarkeit und die Leistungsfähigkeit letztendlich stark reduziert. Sehr belastbare Zahlen für den Leistungssport insgesamt gibt es noch nicht. Aber so etwas kann ein Jahr Karriere kosten.
Welche Schritte soll ein Erkrankter zunächst gehen?
Froböse: Wir brauchen dringend 'Return to competition'-Programme. Wir brauchen unbedingt Maßnahmen, die ein ganz behutsames Vorgehen bei der Rückkehr in den Wettkampfsport betreffen. Das heißt auf jeden Fall nach überstandener Erkrankung erstmal eine klassische Diagnostik, auch eine Leistungsdiagnostik zu machen. Das halte ich für ganz wichtig. Dazu eine engmaschige Betreuung, eine Trainingsdiagnostik, gerade die ersten drei Monate, das sind die entscheidenden. Auf die alten Trainingspläne kann man da nicht mehr unmittelbar zurückgreifen. Wir brauchen eine ganz behutsame, noch aus Unkenntnis bestehende Trainingsplanung.
Inwieweit gibt es »Return to sport«-Programme schon?
Froböse: Der DOSB hat schon so etwas aufgelegt. Für den Spielsport ist das auch einfacher. Im Ausdauersport ist mir das noch nicht bekannt, da haben wir noch viel zu wenig Erfahrung bezogen auf die Athleten. Da geht es ja um viel größere Umfänge, um viel größere Belastungen, gerade im Spitzenbereich, wo wir zehn, zwölf Trainingseinheiten in der Woche haben. Wir wissen aber, dass es gelingen kann - und diese positive Botschaft gebe ich auch -, wieder in die maximale Leistungsfähigkeit zurückzukehren. Also zum Beispiel, dass selbst die Olympischen Spiele, wenn man möglicherweise im Herbst infiziert war, immer noch ein Ziel sein können.
Das ist ein langer Zeitraum für einen Leistungssportler.
Froböse: Ein halbes Jahr ist so der Zeitraum, den man benötigt, um wirkliche Wettkampffähigkeit wieder zu erreichen.
Was können die Verbände tun, um erkrankten Spitzensportlern wieder auf die Beine zu helfen?
Froböse: Dem Sportler sollte so schnell wie möglich eine medizinische Diagnostik und Beratung angeboten werden - bereits auf Landesverbandsebene und unter Einbezug der Olympiastützpunkte. Dann brauchen wir zeitnah Symposien, die sich mit dem Thema Long Covid beschäftigen. Wir brauchen einen wissenschaftlichen Austausch, am besten über die jeweiligen Sportarten. So wie die Task Force bei den Fußballern unter meinem Kollegen Tim Meyer Daten sammelt. Da ist auch das Bundesinnenministerium gefordert: Wir brauchen Studien, die genau das begleiten: Return to sport - wie mache ich das überhaupt? Da ist das Bundesinstitut für Sportwissenschaft genau die richtige Institution. Dieses muss mit mehr Geldern ausgestattet werden.
Im Fußball geht es oft ziemlich schnell, dass zuvor infizierte Profis auf den Platz zurückkehren. Gerade in der Bundesliga heißt es bei solchen Fällen zunächst fast immer: Der Spieler zeigt keine - oder allenfalls leichte - Symptome. Wird da etwas heruntergespielt?
Froböse: Das werfe ich seit vielen Jahren dem Fußball vor: Es geht ja um Marktwerte, das muss man ganz klar sagen. Jeder Spieler hat einen Marktwert und der würde darunter leiden, wenn man von größeren und langwierigen Problemen spricht. Deswegen spielt man das gerne herunter. Die Öffentlichkeit wird oft nicht richtig informiert und manchmal sogar bewusst fehl informiert. Da ist der Fußball leider kein gutes Vorbild, was Transparenz und Ehrlichkeit betrifft. Das kreide ich ihm nicht nur bei Covid-19 an, sondern auch bei Verletzungen.
Zum Beispiel?
Froböse: Es gibt im Fußball ja angeblich keine chronischen Erkrankungen. Keine chronischen Achillessehnenverletzungen, keine chronischen Schambeinentzündungen, keine chronischen Gelenkentzündungen. Warum nicht? Weil sie natürlich für die Spieler und damit für die Vereine eine absolute Degression, ein Verlust par excellence wären. Ich finde es nicht fair und nicht richtig, wenn man zum Beispiel weiß, dass Borussia Dortmund ein Aktienunternehmen ist. Da würde ich als Aktionär verlangen, offenzulegen, was für ein Kapital habe ich da noch. Deswegen: Es kann nicht sein, dass Fußballer bei Corona symptomlos bleiben, wenn viele andere Sportler unter Symptomen leiden. Bei Einzelfällen zeigt sich, dass das nicht gestimmt hat.
Was ist mit Hobby-Kickern und mehr oder weniger ambitionierten Läufern: Wie sollen die nach einer Infektion wieder einsteigen?
Froböse: Sie sollten auf jeden Fall Selbstdiagnostik betreiben, Atem- und Herzfrequenz und Regenerationsfähigkeit beobachten. Wenn jemand unsicher ist, sollte er sich in ein leistungsdiagnostisches Zentrum begeben: Zum Sportmediziner gehen und sagen: Check mich mal durch! Gerade in den ersten vier bis sechs Wochen nach Corona sollte man unbedingt im sauerstoffreichen Bereich laufen, also erstmal wieder Grundlage aufbauen. (dpa)
DOSB-Positionspapier »Return to sport«
Medizinisch-hygienisches Konzept für die 1. und 2. Fußball-Bundesliga