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Sky-Formel-1-Kommentator: Das zeichnet Nico Hülkenberg aus

Nico Hülkenberg versetzt die Formel-1-Welt mit seinen Leistungen ins Staunen. Sky-Kommentator Sascha Roos gibt dem GEA spannende Einblicke über einen Mann, dessen Karriere schon beendet schien.

Nico Hülkenberg versetzt die Formel-1-Welt mit seinen Leistungen ins Staunen.
Nico Hülkenberg versetzt die Formel-1-Welt mit seinen Leistungen ins Staunen. Foto: Neis/Eibner
Nico Hülkenberg versetzt die Formel-1-Welt mit seinen Leistungen ins Staunen.
Foto: Neis/Eibner

SILVERSTONE. Es wäre spannend zu wissen, wie breit das Grinsen von Nico Hülkenberg unter seinem Helm aktuell ist, wenn er mit seinem Sauber über die Formel-1-Strecken dieser Welt rast. Seit drei Jahren sitzt der letzte verbliebene Deutsche in der Motorsport-Königsklasse jetzt wieder in seinem schmalen Cockpit und steuert Boliden, denen nachgesagt wurde, zu den Langsamsten im gesamten Feld zu zählen. Doch seit drei Jahren straft Hülkenberg die Skeptiker regelmäßig mit Lügen und entgegnet achselzuckend: Was juckt mich euer Geschwätz von gestern?

Der 37 Jahre alte Routinier bringt die Teamchefs und Formel-1-Fans ins Staunen, weil er trotz dieser schwierigen Ausgangslage die Konkurrenz alt aussehen lässt und immer wieder in die Punkteränge fährt. Das schaffte er mit seinem allenfalls mittelmäßigen Sauber-Fahrzeug vom Stake F1 Team in jedem der letzten drei Rennen. Ein beeindruckendes Kunststück. Mit 22 Zählern liegt der gebürtige Emmericher zudem auf einem bockstarken zehnten Platz in der WM-Wertung und kehrt an diesem Wochenende nach Silverstone (Rennen: Sonntag 15 Uhr/Sky) zurück. An genau den Ort, der ihm vor fünf Jahren eine zweite Karriere schenkte. Denn eigentlich schien seine Zeit in der Formel 1 bereits vorbei.

Nico Hülkenberg hat mit dem grün-schwarz-lackierten Sauber C45 in den vergangenen drei Rennen immer gepunktet.
Nico Hülkenberg hat mit dem grün-schwarz-lackierten Sauber C45 in den vergangenen drei Rennen immer gepunktet. Foto: Neis/Eibner
Nico Hülkenberg hat mit dem grün-schwarz-lackierten Sauber C45 in den vergangenen drei Rennen immer gepunktet.
Foto: Neis/Eibner

Hülkenberg hatte, wie 2010 nach seiner starken Rookie-Saison bei Williams, im Jahr 2019 bei Renault keinen neuen Vertrag mehr bekommen. Es war der Schlussakt eines dreijährigen Kapitels, das mit verheißungsvollen Zukunftsaussichten begann und in einer großen Enttäuschung endete. Der Deutsche wurde beim ambitionierten Werksteam des größten französischen Auto-Herstellers nie glücklich. Zwar holte er 2018 als WM-Siebter die beste Platzierung seiner Karriere, doch irgendetwas stimmte nicht in der Beziehung zwischen Renault und dem Wahl-Monegassen. Es folgte die Trennung. Da kein anderes Team vor der Saison 2020 bei ihm anklopfte, stand Hülkenberg nach acht Jahren plötzlich wieder ohne Formel-1-Cockpit da.

Der Deutsche wechselte fürs Erste den Job: Raus aus dem Auto und ab vor die Kamera. Er fungierte zu Beginn der Corona-Saison 2020 bei einigen Rennen als Experte für den TV-Sender RTL. Währenddessen blieb auch die Formel 1 nicht vom Virus verschont. SARS-CoV-2 grassierte vor dem Großen Preis von Großbritannien im Fahrerlager und setzte den Mexikaner Sergio Perez (damals Racing Point) außer Gefecht. Der Rest ist Geschichte: Teamchef Otmar Szafnauer ließ Hülkenberg kurzerhand per Privatjet nach Silverstone einfliegen. Am Rennen konnte er aufgrund eines technischen Defekts zwar nicht teilnehmen. Doch nur sieben Tage später fuhr der Deutsche den Racing Point als Ersatzfahrer nach monatelanger Pause und praktisch ohne Übung in England sensationell als Siebter ins Ziel. Wow.

Sascha Roos kommentiert seit 2013 für Sky die Formel-1-Rennen. Der GEA sprach mit ihm über Nico Hülkenberg.
Sascha Roos kommentiert seit 2013 für Sky die Formel-1-Rennen. Der GEA sprach mit ihm über Nico Hülkenberg. Foto: Memmler/Eibner
Sascha Roos kommentiert seit 2013 für Sky die Formel-1-Rennen. Der GEA sprach mit ihm über Nico Hülkenberg.
Foto: Memmler/Eibner

Drei Monate später dann das gleiche Spiel. Perez' Teamkollege Lance Stroll wurde nur wenige Stunden vor dem Qualifying beim Großen Preis von Deutschland positiv auf Corona getestet. Hülkenberg saß damals an einem Samstagmorgen nichtsahnend mit einem Freund bei einem entspannten Cappuccino in einem Kölner Cafe, als ihn Szafnauer erneut anrief und fragte: Nico, bist du ready? Was für eine Frage! Nach einer Blitz-Anreise an den Nürburgring mit dem eigenen Auto, war für ihn im Qualifying nur wenige Augenblicke später erwartungsgemäß wenig zu holen. Am Tag darauf überquerte er im Rennen allerdings grandios als Achter die Linie, nachdem er vom letzten Platz gestartet war und wurde zum Fahrer des Tages gewählt.

Der Deutsche war endgültig zurück. Aus Hülkenberg wurde »Hülkenback«. Und »Hülkenback« zum gefeierten Helden bei den Fans. Eine neue Situation. Denn viele Jahre seiner Karriere hatte der Formel-2-Champion von 2009 ein Schattendasein gefristet. Er reihte sich unauffällig hinter den beiden anderen deutschen Fahrer Sebastian Vettel und Nico Rosberg ein, die als Weltmeister die Schlagzeilen in der Bundesrepublik und einstigen Motorsport-Hochburg bestimmten. Jetzt war Hülkenberg plötzlich der Star.

Das Dilemma um Hülkenberg

Sky-F1-Kommentator Sascha Roos erinnert sich im Gespräch mit dem GEA an das erstaunliche Blitz-Comeback: »Nico hat in Silverstone den Racing Point praktisch aus dem Flugzeug in die zweite Startreihe bei der Quali gestellt. Es war kein Zufall, dass ausgerechnet Hülkenberg damals als Ersatz eingeflogen wurde.« Roos, der seit 2013 für die deutschen Fans die Rennen kommentiert, ergänzt: »Er ist in der Lage auf Knopfdruck abzuliefern. Viele sagen sogar, dass er zu den besten fünf Qualifying-Fahrer aller Zeiten gehört. Er setzt sich ins Cockpit, denkt nicht groß nach und knallt dann einfach eine super Zeit hin. Andere Fahrer, die vielleicht im Gesamtpaket noch besser sind als er, brauchen dagegen teilweise länger um auf Geschwindigkeit zu kommen. Hülkenberg hat aber sofort die Pace. Das zeichnet ihn ganz klar aus.«

Und genau an dieser Stelle beginnt das Dilemma um seine Person. Jeder denkt es, jeder weiß es und jeder sagt es: Dieser Mann ist solch ein begnadeter und schneller Rennfahrer. Wer 238 Formel-1-Rennen (Platz 13 in der ewigen Bestenliste) bestritten hat, der hat alles erreicht in seiner sportlichen Karriere. Und doch gilt Hülkenberg als der Unvollendete. Das hat vor allem einen Grund: Noch immer wartet er auf die erste Podestplatzierung. Hülkenberg hält den Rekord des Fahrers mit den meisten Starts ohne Podium. Das nagt an ihm. Chancen dazu waren immer wieder da. Doch Hülkenberg nutzte diese nicht. Zur Wahrheit gehört jedoch auch: Meistens kämpfte er mit unscharfen Waffen. Hülkenberg drehte bislang praktisch ausschließlich für Mittelfeld-Teams (Williams, Force India, Sauber, erneut Force India, Renault, Haas und seit diesem Jahr wieder Sauber) seine Hotlaps. Auch das hat seine Gründe.

Enorm hohes Standing

»Als er in der Blüte seiner 20er war, waren die Plätze bei den besten Teams schon alle besetzt mit absoluten Top-Fahrern. Der Schritt zu Renault damals war eigentlich richtig. Doch das hat am Ende leider nicht funktioniert. Es gibt viele gute Fahrer, die sich irgendwann einmal - aus welchen Gründen auch immer - falsch entschieden haben oder in die falsche Richtung gezogen wurden und deshalb gar nicht so performen konnten, wie sie es eigentlich könnten. Der Weg zu einem Top-Team ist dann eigentlich ausgeschlossen«, nennt Roos das Schicksal vieler Fahrer beim Namen. Auch dem 53-Jährige kommt das Wort »unvollendet« über die Lippen, wenn er über Hülkenberg spricht. Wenn der Nürnberger ein finales Urteil über die Karriere des Routiniers fällen müsste, würde er jedoch eher das Kämpfer-Gen des Deutschen hervorheben. Sky-Kommentator Roos betont: »Nico ist ein Stehaufmännchen. Er kämpft immer, holt stets das Maximale raus und lässt sich durch nichts unterkriegen.«

Nicht viele Fahrer haben sich nach einer drei Jahre langen Zwangspause zurück ins heiß begehrte Fahrerfeld gekämpft. Wer so lange raus in der Formel 1 raus ist, ist eigentlich für immer raus. Nicht so der Le-Mans-Sieger von 2015. Allein das zeigt, welch hohes Standing der Deutsche in diesem knallharten Business hat. »Es gibt glaube ich niemand, der negativ über Nico Hülkenberg spricht. Er ist sehr beliebt im Fahrerlager und wird extremst respektiert. Das liegt auch daran, dass er kein Fahrer ist, der dumme Sachen macht, wenn man bei über 300 km/h Rad an Rad um Positionen kämpft. Nico ist ein sehr harter, aber fairer Fahrer. Außerdem baut er äußerst selten Unfälle«, erzählt Roos. Dass er »nur« für Mittelfeld-Teams das Gaspedal gedrückt hat, »damit hat er sich glaube ich abgefunden und ist mittlerweile auch glücklich«, meint der Experte.

Hülkenberg hat offenbar seine ganz persönliche Nische gefunden

Hülkenberg ist mit sich im Reinen. Anders lassen sich die starken Ergebnisse seit seinem Comeback nicht erklären. Er hat es trotzdem nochmals allen gezeigt. Und es geht ungebremst weiter. Ab 2026 wird er das Aushängeschild von Audi sein, die das Sauber-Team zur kommenden Saison übernehmen. Allerdings könnte es ein schleppender Start für das deutsche Team werden. Rund um den Einstieg gab es einige Störgeräusche und immer wieder auch ungeplante personelle Veränderungen. Zudem passiert es selten, dass neue Teams in die Formel 1 kommen und direkt durch die Decke gehen. Da braucht es Fahrer, die das Maximale oder sogar noch mehr aus dem Auto rausholen, das nicht zu den stärksten im Feld zählt.

Und wer, wenn nicht Hülkenberg könnte besser dafür geeignet sein? Der Deutsche ist ein Mittelfeld-Team-Verbesserer und hat offenbar seine ganz persönliche Nische in der Motorsport-Königsklasse gefunden. Vor allem aber ist er zu einer echten Marke geworden. Roos formuliert abschließend: »Nico hat seine Fußstapfen hinterlassen und wird es hoffentlich noch einige weitere Jahre tun.« Am Besten schon wieder am Sonntag in Silverstone. Mit einem fetten Grinsen im Gesicht. (GEA)