STUTTGART. Die einen Mannschaften logieren während der Fußball-Europameisterschaft mitten in der Großstadt, andere genießen die Ruhe der Abgeschiedenheit. Wie die Schweizer, die im Degerlocher Waldhotel Quartier bezogen haben, wo schon zahlreiche Sportler bei Großereignissen untergebracht waren und auf Erfolgs-Kurs gingen. Radrennfahrerin Hanke Kupfernagel feierte 2007 hier ihren WM-Titel im Einzelzeitfahren, die deutschen Handballerinnen mit dem damaligen Bad Uracher Bundestrainer Ekke Hoffmann hatten in Sichtweite des Fernsehturms ihre Kraftquelle für den Gewinn der WM-Bronzemdedaille.
Die Fans glücklich machen
Es könnte also ein gutes Omen sein, dass nun die Eidgenossen von der DegerlocherAbgeschiedenheit aus in die K.o.-Runde der EM durchstarten wollen. Nach vier Punkten in den ersten beiden Spielen geht es am Sonntag (21 Uhr) in Frankfurt gegen die deutsche Elf um den Gruppensieg. »Wir sind eine gute Mannschaft und werden alles geben, um die Fans glücklich machen zu können«, sagt Ricardo Rodriguez. Vor den Spielern von Bundestrainer Julian Nagelsmann hat der Außenverteidiger eine hohe Meinung: »Als Mannschaft sind sie überragend.«
Wie kann man die seit Turnierbeginn groß aufspielende deutsche Offensive mit Jamal Musiala, Florian Wirtz, Kai Havertz und Ilkay Gündogan stoppen? »Bei denen geht es sehr schnell. Wenn du nicht konzentriert bist, bekommst du Probleme«, unterstreicht Rodriguez. Die Bundesliga kennt er genau, lief der 31-Jährige doch fünf Jahre für den VfL Wolfsburg auf. Felix Magath hatte ihn damals in die VW-Metropole geholt. Natürlich wird er nach seinen Erfahrungen mit dem speziellen Coach befragt. »Ich habe viel gelernt und hatte ein gutes Verhältnis mit ihm.« Und die berühmt-berüchtigten Trainingseinheiten des alten Haudegens? »Es war sehr anstrengend, aber ich habe es gut überstanden«, erntet Rodriguez mit dieser Aussage Lachen und Schmunzeln unter den Medienvertretern. Es sei eine gute Zeit gewesen.
Eine Rückkehr in die Bundesliga könnte nun wieder ein Thema werden, nachdem sein Vertrag beim FC Turin in Italien, wo er zuletzt auch Kapitän war, nach vier Jahren ausgelaufen ist. An die Zeit in Deutschland denkt er gerne zurück. Es habe ihm sehr gut gefallen, lautet sein Eindruck, es sei eine Phase »mit vielen Highlights« gewesen. Auf die Wolfsburger Jahre folgten Stationen beim AC Mailand und PSV Eindhoven, ehe er nach Turin wechselte. In der Schweizer Nationalmannschaft ist er schon seit Jahren eine feste Größe, liegt mit 117 Länderspielen für die »Nati«, wie die Eidgenossen ihr Fußball-Team nennen, auf Rang drei hinter Granit Xhaka (127) und Xherdan Shaqiri (124). Dass er dazu bereits insgesamt sechs EM- und WM-Teilnahmen erlebt hat – »das macht mich stolz«, sagt der gefährliche Freistoß-Schütze.
Zurückhaltung an Playstation
Er genießt die Europameisterschaft. Am freien Tag fuhren die Schweizer Spieler in die Stuttgarter Innenstadt. Sie wurden auch von Fans erkannt, gaben Autogramme. Und als sie dann wieder im Waldhotel waren, spielten einige Playstation. Das hat Rodriguez früher auch gemacht, aber inzwischen hält er sich dabei zurück. Weil die jungen Spieler dann erst richtig loslegen würden. »Wenn sie mal drin sind, hören sie nicht mehr auf«, sagt Rodriguez lächelnd und sorgt damit wieder für Erheiterung. Jungen Spielern würde er übrigens zu einem Wechsel in die Bundesliga raten: »Das ist für sie sicher gut. Die Sprache hilft.«
Nachdem die Schweizer zu Beginn ihres Aufenthaltes in Degerloch im Stadion den Rasen als wellig moniert hatten, hatten sie zwischenzeitlich in Stuttgart im Robert-Schlienz-Stadion trainiert. Auf der Waldau wurde ein neuer Rasen verlegt. Am Freitagnachmittag stand die erste Trainingseinheit auf dem neuen Untergrund bevor. Rodriguez hofft, »dass er besser als der alte ist«. (GEA)