TARENT. Während die Leute in seiner Heimat bei Temperaturen um den Gefrierpunkt mit der Mütze tief ins Gesicht gezogen umherlaufen, schlendert der Rottenburger Jan Zimmermann bei milden 15 Grad und Sonne durch Tarent in Süditalien. In Apulien spielt der 31-jährige Volleyballer seit dieser Saison für die »Gioiella Prisma Taranto« in der ersten Liga und hat Gefallen am Leben in »Bella Italia« gefunden.
Dass die Uhren hier anders ticken, erfuhr der Nationalspieler bereits bei seiner Ankunft. Als er im Sommer seine Wohnung bezog, stellte er fest, dass noch Handtücher fehlten. Also packte Zimmermann schnell seine Siebensachen zusammen und ging einkaufen. Zumindest war das der Plan. Beim Geschäft angekommen, stellte er allerdings fest, dass der Laden nicht offen hat. »Dann bin ich erstmal an den Strand gegangen«, erzählt das Volleyball-Ass im Podcast »Lucky Experience«. Auswahl hatte er genug, denn schließlich kommt der Zuspieler innerhalb von 20 Minuten an vier verschiedene Örtchen am Meer.
»Das Leben hier ist sehr entspannt und langsam«
Wie er erzählt, ist es nichts Besonderes, dass Einkaufen nur eingeschränkt möglich ist. »Das Leben hier ist sehr entspannt und langsam.« Selbstverständlich sei ein Mittagspäuschen von ein Uhr bis halb fünf. Aber auch was die Zeit des Wiederaufmachens angeht, handhaben es die Süditaliener locker. »Wenn es gut läuft, ist um 16.30 Uhr wieder auf, manchmal aber auch erst um 17.30.«
»Es gibt keinen Trubel hier, du kannst richtig runterkommen«, sagt Zimmermann über seinen Lebensmittelpunkt. Kurz nach den Olympischen Spielen mit der Nationalmannschaft genau das richtige für den Rottenburger. Doch nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: Selbstverständlich entspannt der Profi nicht den ganzen Tag unter der Sonne, sondern genießt den Lifestyle nur dann, wenn gerade kein Training oder Spiel ansteht. Denn sonst geht es der ehrgeizige Sportler sehr professionell an, trainiert hart und achtet auf seinen Körper. Wie er dem GEA vor dem Ausflug nach Paris 2024 erzählte, meditiere er täglich und schreibe seine Gedanken nieder, um einen klareren Kopf zu haben.
Clubs wie Unterhosen
Jan Zimmermann will etwas erleben und wechselt seine Clubs daher fast so häufig wie die Unterhose. Der 31-jährige Volleyball-Nationalspieler lief bereits in Deutschland, Frankreich, Polen, Belgien, der Türkei und Italien auf. Besonders das letzte Ziel hat es ihm angetan. Hier spielte der Rottenburger schon für Mailand, Padua, Perugia und nun Tarent. (kil)
Vielleicht gar keine schlechte Idee. Denn seine neuen Mitspieler bei Tarent besitzen das berühmt-berüchtigte italienische Temperament und nehmen kein Blatt vor den Mund, wenn es um Kritik geht. Kein Problem für den offenen Zimmermann, der sein Leben mit über 35.000 Followern in den Sozialen Medien teilt. »Ich finde das gut. Dann sind die Sachen direkt geklärt und danach ist alles wieder in Ordnung.«
Auch die Sitten in der Kabine sind selbstredend anders als beispielsweise beim TV Rottenburg, bei dem Zimmermann seine Karriere startete. Pizza nach dem Spiel? Selbstverständlich! Strafenkatalog? Ja, aber anders. In Tarent wird kein Geld verlangt. Stattdessen wird Essen und Trinken bezahlt. »Meistens ist es Pizza eigentlich«, erklärt Zimmermann und lacht. »Wir haben es aber geändert und führen zwei Strafen zusammen. Dann gibt es dafür einen Grillabend. Ein Abend als Team, jeder kann Besuch mitbringen. Das ist echt ganz nice.« Und dann ist sie da doch, die Parallele zum TVR. »Der Verein erinnert mich an den TV Rottenburg, weil alles sehr familiär ist.«
»Ich gehe gerne auf den Markt und kaufe frische ein. Da bekommt man alles, was man braucht. Von 30 Euro kann ich gefühlt eine Woche lang essen«
Sportlich läuft es für Zimmermann, der auch schon in Istanbul spielte, aber noch nicht so »nice«. 4 Siegen stehen 14 Niederlagen gegenüber, was den letzten Platz im Zwölfer-Tableau bedeutet. Abstiegskampf ist angesagt und damit hatten die wenigsten bei seinem Club gerechnet.
Was die Ernährung angeht, eröffnen sich Zimmermann im Süden ganz neue Welten. Und das liegt nicht an der klassischen Pizza. »Das Essen ist wirklich mega gut. Ich gehe gerne auf den Markt und kaufe frische ein. Da bekommt man alles, was man braucht. Von 30 Euro kann ich gefühlt eine Woche lang essen«, erzählt der Volleyballer. »Hier gibt es noch richtig die Kultur, dass alles aus der Region kommt. Das ist richtig geil. Du schmeckst den Unterschied.«
»Die fahren auf dem Motorroller mit ihrer ganzen Familie. Mann, Frau, Kind. Kein Problem«
Und weil Zimmermann weiß, dass das Profi-Leben zeitlich begrenzt ist, achtet er besonders auf seine Mahlzeiten, die er frisch zubereitet. "Ich weiß genau, dass irgendwann der Zeitpunkt kommt, deswegen muss ich präventiv eingreifen. Pizzateig gibt es deshalb aus Linsen - und selbst das schmeckt in Italien. Ein gutes Eis ab und an darf aber auch nicht fehlen.
Aufpassen muss er im Straßenverkehr. Denn die Menschen seien »wild« unterwegs. »Die fahren auf dem Motorroller mit ihrer ganzen Familie. Mann, Frau, Kind. Kein Problem.« Und natürlich nur in seltenen Fällen mit einem Helm. In vielen Bereichen hinke man in Süditalien noch etwas hinterher. Doch wie Zimmermanns Geschichte zeigt, muss genau das nicht immer zwangsläufig ein Nachteil sein. Von Vorteil wäre es aber natürlich, wenn seine »Taranto Volleys« zumindest sportlich gesehen einen Gang hochschalten, um auch in der kommenden Spielzeit in einer der stärksten Ligen der Welt zu spielen. (GEA)