STUTTGART. Abrupter Tapetenwechsel bei Tennis-Superstar Alexander Zverev. Am Montagvormittag weilte der 28-Jährige noch auf Mallorca, um seinen Kopf vom Viertelfinal-Aus bei den French Open freizubekommen, gegen 16 Uhr marschierte der Olympiasieger dann mit einem breiten Grinsen im Gesicht auf das Gelände des TC Weissenhof, wo seit dem Vormittag die Hauptrunde des Rasenturniers in Stuttgart steigt.
Ganz offensichtlich scheint Zverev die frische Luft auf der Balearen-Insel gut bekommen zu sein. Über die 50-Meter-Menschenschlange, die sich bei der Ankunft binnen Sekunden hinter ihm bildete, freute er sich genauso wie über die Tatsache, dass er bei den mit 751.630 Euro dotierten Boss Open aufschlägt. Ein Ereignis, das viele Fans nicht kommen sahen, denn seit sechs Jahren war der Hamburger auf dem Killesberg nicht mehr dabei. »Das hatte aber gute Gründe, wie ich finde«, sagt Zverev und spielt auf seine erfolgreichen Teilnahmen bei den French Open in den Vorjahren an, durch die ein Start in Stuttgart kaum möglich war. »Die Verletzungsgefahr auf Rasen ist höher, wenn man nicht ganz fit ist«, ergänzt er. Nach seinem Kurzurlaub ist genau das aber wohl nicht der Fall. »Es war wunderschön. Jetzt bin ich wieder bereit, Tennis zu spielen«, betont Zverev vor seinem Auftakt in die Rasensaison.
»Es war wunderschön. Jetzt bin ich wieder bereit, Tennis zu spielen«
Nach seinem Paris-Aus hatte er »sowas von keinen Bock auf Tennis« und sei direkt nach Mallorca geflogen. Dort spielte er mit Freunden Golf, um abzuschalten. Und Golf. Und? Richtig: Golf. Bis zu acht Stunden am Tag. Viel Zeit zum Hadern oder für sonst irgendwas blieb nicht. Auch nicht für den Ballermann. »Da wirst du mich nie sehen«, betont das Tennis-Ass, das in Stuttgart erst am Donnerstag ins Geschehen eingreift, weil er ein Freilos für die erste Runde erhalten hat.
Zeit blieb auf Mallorca auch keine, sich mit Kommentaren von Legende und Experte Boris Becker herumzuschlagen, der eine Trennung vom Vater als Trainer als logischen Karriereschritt gefordert hatte. »Wir hatten ein super Verhältnis. Ich weiß nicht, warum es so kommen musste«, meint Zverev, der sich aber ohnehin aufs Sportliche konzentrieren will.
»Wenn ich hier bin, will ich alles geben, um weit zu kommen und zu gewinnen«
Geht es nach dem ehrgeizigen Sportler, soll der Start gleich einen ordentlichen Selbstbewusstseins-Schub geben. »Wenn ich hier bin, will ich alles geben, um weit zu kommen und zu gewinnen.« Ein kleines Hindernis gibt es aber: Schließlich sieht sich Zverev nicht als ausgewiesenen Experten auf dem grünen Boden. Er habe »noch nicht rausbekommen, wie man sich auf dem Belag richtig bewegt.« Was dem auf Position eins gesetzten Akteur in Stuttgart dennoch Hoffnung macht: »Letztes Jahr habe ich das beste Rasentennis meiner Karriere gespielt. Bis zur Verletzung.« Und: Der Weissenhof ist ihm gut in Erinnerung geblieben. Als junger Spieler schon habe er stets Wildcards bekommen und Spaß in Stuttgart gehabt.
Was bereits passiert ist
Die Fans jubelten am Pfingstmontag nicht nur über die Ankunft von Tennis-Ass Alexander Zverev in Stuttgart, sondern auch über den ersten deutschen Erfolg der Hauptrunde. Der mit einer Wildcard ausgestattete Jan-Lennard Struff setzte sich mit 6:4, 6:4 gegen den Italiener Matteo Arnaldi durch. Es war erst der fünfte Sieg des 35-Jährigen in diesem Jahr. Schon die Qualifikation auf dem Weissenhof, die seit Samstag lief, hatte es in sich. Maximilian Marterer, Max Wiskandt und Patrick Zahraj schieden aus. Damit blieb Yannick Hanfmann der einzige deutsche Starter, der über das Vorturnier in die Hauptrunde kam. Neben Zverev, Struff und Hanfmann ist auch das deutsche Top-Talent Justin Engel dank einer Hauptfeld-Wildcard dabei. (kil)
Ein leichtes Feld erwartet den Hamburger nicht. Vor allem die US-Amerikaner Taylor Fritz (Weltranglistenplatz 6) und Ben Shelton (12) könnten zum Stolperstein auf dem Weg zum Triumph werden. Erschwerend kommt hinzu, dass Zverev bis zum Montagabend noch nicht eine einzige Trainingseinheit auf Rasen absolviert hatte. Aber vielleicht hilft es ja, einfach mal ganz unbedarft an die Sache heranzugehen. Quasi aus dem Flieger zum Coup. Im Prinzip bleibt ja ohnehin alles wie in den letzten Tagen. Zverev steht auf dem Platz, mit einem Schläger in der Hand. Geht auch der Spaßfaktor nicht verloren: Was soll dann schon schiefgehen? (GEA)