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Löw hält an Traumjob fest: jetzt müssen andere zittern

Joachim Löw gibt dem DFB das erhoffte Ja-Wort. Der Langzeit-Bundestrainer traut sich den Neubeginn nach dem von ihm verantworteten WM-Fiasko zu. Jetzt müssen andere zittern: im Trainerstab, im Team hinter dem Team und vor allem auf Spielerseite.

MÜNCHEN. Joachim Löw will seinen Traumjob weiter ausüben, auch wenn er den Neubeginn nach dem historischen Vorrunden-Aus in Russland mit einem schweren WM-Rucksack angehen muss.

Nach einigen Tagen Bedenkzeit im Anschluss an den Tiefpunkt der Nationalmannschaft beim blamablen 0:2 gegen Südkorea übermittelte der Bundestrainer dem Deutschen Fußball-Bund (DFB) seine Entscheidung zum Weitermachen. Dies bestätigte der DFB am Dienstag, nachdem bereits die »Sport Bild« und »Bild« als erste Medien die Nachricht verbreitet hatten.

Zur Mittagszeit konferierte der DFB-Präsidialausschuss um Präsident Reinhard Grindel, Vizepräsident Rainer Koch und Generalsekretär Friedrich Curtius bei einer kurzfristig anberaumten Sitzung mit Teammanager Oliver Bierhoff und Löw. In der Sitzung sollten Bierhoff und Löw dem DFB »eine erste Analyse vorlegen«, warum es zum WM-Unfall gekommen war. So hatte es Grindel nach der Rückkehr des Nationalteams aus Russland angekündigt. »Und dann wird sich der Bundestrainer auch zur Zukunft äußern.«

Aus der Bundesliga reagierte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke als erster Spitzenvertreter. »Jeder, der die Szene seit vielen Jahren kennt, konnte daran riechen, dass es genau so kommen wird. Das war für mich keine Sensation.« Vorher hatte es aus der Liga keine Rücktrittsforderungen an Löw gegeben.

Löw will nach dem ersten Turnier-Fiasko seiner Amtszeit auch die Wende herbeiführen. Er traut sich den schwierigen Neubeginn zu. Nur direkt nach dem krachenden WM-Aus schien Löw ernsthafte Zweifel zu haben. Er müsse sich erstmal »sammeln«. Er erbat sich Bedenkzeit. In Kasan schien ein Rücktritt eine ernsthafte Option für ihn zu sein.

Am Tag danach kündigte er nach der Landung auf dem Frankfurter Flughafen »tiefgehende Maßnahmen« an, dachte aber wohl schon da nicht in erster Linie an sich selbst. Löw ist der erste Bundestrainer, der sich nach einem Vorrunden-Aus bei einem Turnier im Amt halten könnte.

Jupp Derwall (1984), Erich Ribbeck (2000) und Rudi Völler (2004) mussten jeweils nach einem K.o. in der Gruppenphase bei EM-Endrunden ihren Posten räumen - oder taten das freiwillig. Völler etwa wollte am letzten deutschen Tiefpunkt den Weg für einen unbelasteten Neuanfang Richtung WM 2006 freimachen.

Löw will wagen, was bei Berti Vogts vor 20 Jahren schiefging. Nach dem Viertelfinal-Aus bei der Weltmeisterschaft in Frankreich machte der Europameister von 1996 zunächst weiter. Das hinausgeschobene Vogts-Ende kam aber schon Anfang September nach einem enttäuschenden 2:1 gegen Malta und einem 1:1 gegen Rumänien. Erich Ribbeck übernahm.

Löws Neustart erfolgt ebenfalls im September. Am 6. September empfängt der gestürzte Weltmeister in München Frankreich im Rahmen der neuen Nations League. Drei Tage später ist Peru in Sinsheim Testspielgegner. »Es braucht klare Veränderungen«, sagte Löw. Grundsätzliche Zweifel an sich und seinem Kurs äußerte er nie: »Wir haben jetzt 14 Jahre den Weg nach oben gemacht. Wir haben, glaube ich, die konstanteste Mannschaft gehabt in den letzten zehn Jahren.«

Während seiner Bedenkzeit in Freiburg konnte Löw wohlwollend vernehmen, dass nur wenige in Deutschland ihn aus seinem Paradies Nationalmannschaft vertreiben möchten. Vor allem die nicht, die es könnten: die Verantwortlichen im DFB um Präsident Grindel und Manager Bierhoff, mit dem Löw seit 2004 zusammenarbeitet. Wie auch?

Es genügt eine Rückblende auf den 15. Mai 2018. Grindel nutzte die Bühne der WM-Kadernominierung zur vorzeitigen Vertragsverlängerung mit der gesamten Sportlichen Leitung und zu einer Ode auf Löw. »Wir möchten lange Linien ziehen. Insbesondere, wenn man einen so herausragenden Bundestrainer hat, der mit seiner Ausstrahlung ein glaubwürdiges Gesicht des deutschen Fußballs ist, nicht nur in unserem Land, sondern mittlerweile weltweit«, schwärmte Grindel damals im Dortmunder Fußballmuseum. »DFB und Nationalmannschaft sind so eng beisammen wie nie«, fügte der Präsident noch hinzu.

Löw liebt seinen Job. Er hat sich in ihm eingerichtet. Er hat die Nationalmannschaft und ihr Umfeld ganz nach seinen Vorstellungen ausgerichtet. Sie war - bis zum kompletten Systemausfall in Russland - sein Jogi-Wunderland. Von der Außenwelt hat sich der gefeierte und bewunderte Fußballlehrer Löw im Ruhm des WM-Triumphes von 2014 in Brasilien weitgehend abgekoppelt. »Früher habe ich mehr wahrgenommen, was aus der Öffentlichkeit kam. Inzwischen mache ich mich frei davon«, sagte er vor zwei Jahren in einem dpa-Interview.

Ein einfaches Weiter-so will der DFB aber nicht zulassen. Denkbar sind Veränderungen im Trainerstab, auch im Team hinter dem Team. Ein Umbruch muss beim Spielerkader erfolgen. Löw wird personell neue Reize setzen müssen, sich für einen überzeugenden Aufbruch auch von einigen verdienten Weltmeistern trennen müssen.

Bei der Vertragsverlängerung hatte er den Schnitt angedeutet, den er nach dem Confed-Cup-Gewinn 2017 mit einem jungen Perspektivteam um Draxler, Werner, Goretzka oder Kimmich nicht konsequent ziehen wollte. »Wir haben einige Spieler, die 30 und etwas älter sind, die schon lange dabei sind. Es kann durchaus sein, dass es nach der WM Veränderungen gibt«, sagte Löw und skizzierte selbst ein Bild der Zukunft: »Eine Mannschaft in einem Zeitraum von vier Jahren von einer WM zur nächsten mit vielen jungen Spielern vorzubereiten, das macht mir unheimlich Spaß. Deswegen habe ich mit Freude verlängert.«

Löw wird jetzt liefern müssen, wie es ihm bis zum auch eigenen Versagen in Russland in den Jahren zuvor meist gelungen war. Nach der Verlängerung bis 2022 sprach er von »einer großen Verantwortung, verbunden mit einer Verpflichtung, auch die nächsten Jahre die Nationalmannschaft weiterzuentwickeln, in der Weltspitze zu etablieren und Grenzen einzureißen, um noch besser zu sein«.