WUPPERTAL. Klare Kante ist seine Devise, Herbert Reul, der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen, bringt die Dinge gerne auf den Punkt. Auch auf die Gefahr hin, nicht von allen verstanden zu werden. Das regt einen erfahrenen Politiker im Alter von 72 Jahren nicht mehr auf, aufregen kann sich der Mann aber über die Gewalt im Fußballstadion.
Reul, seit 2017 im Amt, sieht in der Umlegung von Polizeikosten bei Hochrisikospielen auf die Bundesliga-Vereine keine Lösung auf dem Weg zu einem gewaltfreien Profifußball. »Wenn mir einer erklären kann, dass mit dem Beschluss aus Karlsruhe keine Gewalt mehr stattfindet, würde ich darüber nachdenken«, sagte der CDU-Politiker bei der Mitgliederversammlung des Verbandes Westdeutscher Sportjournalisten (VWS) im Stadion am Zoo in Wuppertal: »Damit lösen wir das Problem der Gewalt im Stadion doch nicht. Gewalt findet weiter statt, auch wenn der Verein bezahlt.«
Problem nicht gelöst
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Januar einen zehn Jahre dauernden Streit zwischen der Freien und Hansestadt Bremen und der Deutschen Fußball Liga (DFL) um eine Übernahme der Kosten für Hochrisikospiele beendet und die Beschwerde der DFL abgelehnt. Die Bundesländer dürfen die Mehrkosten für die Polizei bei Hochrisikospielen nun in Rechnung stellen. Öffentlich wird der hohe, aus Steuergeldern finanzierte Mehraufwand seit Jahren mit dem Argument kritisiert, das Milliardengeschäft Profifußball generiere doch genug Geld, um die Sicherheit im Stadion selbst zu bezahlen, statt dem Staat auf der Tasche zu liegen. Reul sieht das anders und nennt das »eine typisch deutsche Neiddebatte«. Die Rechnungen, die die Vereine nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts stellen dürfen, »haben das Problem doch nicht gelöst. Gewalt gibt es in den Stadien nach wie vor«.
Reul sieht bei einer Umlegung von Kosten ausschließlich im Fußball die Gefahr, dass die Abgrenzung zu anderen kommerziellen Großveranstaltungen schwerfällt: Wenn man einmal damit anfange, »gibt es kein Ende«. Reul argumentiert: Nicht die Fans an sich sind das Problem, »das Problem sind einige Bekloppte, die wir fast alle auch noch kennen. Und denen treten die Vereine nicht entschlossen genug entgegen. Auf Chaoten wird in den Vereinen zu viel Rücksicht genommen, weil sie als Mitglieder in den Clubs stimmberechtigt sind. Und Clubverantwortliche wollen gewählt werden.« Reuls Vorschlag in Wuppertal: »Vielleicht muss der Verband die Strafen verhängen, wenn es die Vereine selbst nicht schaffen, aber bitte nicht der Staat. Für mich bleibt ein Rätsel, wie diese Leute fortgesetzt Tonnen von Pyrotechnik ins Stadion bringen können. Wir müssen schärfer kontrollieren, Stadionverbote aussprechen. Das Mittel muss häufiger angewendet werden, ich habe wenig Verständnis dafür, dass das immer noch nicht passiert.«
Clubs in die Pflicht genommen
Das Land Nordrhein-Westfalen macht von der neuen Regelung (bisher) noch keinen Gebrauch, wie die meisten CDU-regierten Bundesländer.
SPD-regierte Länder begrüßten dagegen die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als richtungsweisend. Reuls Amtskollege in Bremen, Ulrich Mäurer von der SPD, stellt die Kosten für Hochsicherheitsspiele schon seit 2014 vergeblich in Rechnung – und prozessiert seitdem ohne Erfolg durch alle Instanzen. Bis das Verfassungsgericht die Beschwerde der DFL jetzt ablehnte: Es gebe keinen Verfassungsgrundsatz, »nach dem polizeiliche Gefahrenvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung steht«. Wie der Beschluss aus Karlsruhe deutschlandweit umzusetzen ist, wird in der DFL weiter diskutiert. Reul sprach sich in Wuppertal erneut für die Personalisierung von Tickets aus und nahm die Proficlubs in die Pflicht: »Die Polizei hat die Aufgabe, für Sicherheit und Ordnung zu sorgen, und zwar überall. Vereine haben für ihr Stadion ein Hausrecht, das kann man wahrnehmen.« (GEA)