KASAN. Vorwärts in Richtung Achtelfinale, aber der Bundestrainer und der Team-Manager warnen vor Südkorea, einem Team, das bei der Weltmeisterschaft in Russland noch nichts gewonnen hat. »Es war ein emotionales Ende gegen Schweden, viele denken schon, eine neue Nationalmannschaft ist gefunden, aber wir sind noch nicht für die nächste Runde qualifiziert«, warnte Oliver Bierhoff im Elektron-Stadion. Der Weltmeister musste auf das Trainingsgelände des Nachwuchses von Rubin Kazan ausweichen, weil ein Gewitter nach der Landung im heißen Kazan die Planungen des Titelverteidigers durcheinander warf und das eigentlich in der Kazan-Arena angesetzte Training dem Starkregen zum Opfer fiel.
Auch Joachim Löw warnte davor, die Dinge vor dem dritten und letzten Gruppenspiel zu leicht zu nehmen: »Ob wir die Euphorie des 2:1 mitnehmen können, muss sich erst noch zeigen.« Sebastian Rudy wird nach seiner Nasenoperation noch nicht spielen können, Jerome Boateng ist am heutigen Mittwoch (16 Uhr) nach Gelb-Rot gesperrt, aber alle anderen sind einsatzbereit. Der DFB-Coach ließ bei allen Warnungen keine Zweifel an seinen Zielen, wirkte fast entspannt. »Wir wollen mit unserem Ergebnis Klarheit schaffen, es ist unser Ziel, mit zwei Toren Unterschied zu gewinnen«, sagte Löw. »Mit einem Unentschieden gegen Schweden hätten wir sehr schlecht ausgesehen, das 2:1 hat die Konzentration geschärft in Richtung Südkorea.« Na also.
»Südkorea kann schnell umschalten und ist nicht nur Heung-Min Son«
Bierhoff erwähnte, dass selbst Südkorea noch eine theoretische Chance auf das Achtelfinale habe, das wirkte dann aber doch ein wenig übertrieben. Er musste selbst lachen: »Wir dürfen das Spiel aber nicht im Hinterkopf schon als gewonnen abhaken. Natürlich hat die Mannschaft die Klasse, das Spiel zu gewinnen, gegen Schweden war ein klarer Fortschritt, das müssen wir mitnehmen.« Alle bemühten sich, das Spiel noch nicht als gewonnen zu betrachten, dabei wäre alles andere als ein Sieg für den Weltmeister ein Ding der Unmöglichkeit. Löw: »Schweden war defensiv stark, aber die Südkoreaner haben das Vermögen, schnell umzuschalten und offensiv zu spielen. Und Südkorea ist nicht nur Heung-Min Son.«
Dass der Bundestrainer möglicherweise erneut umstellen könnte, Bierhoff hält das für keinen Nachteil. »Wir haben schon in unterschiedlichen Konstellationen gespielt, ich sehe bei unserem ausgeglichen Kader überhaupt keinen Nachteil in der Rotation.« Dabei muss doch auch Bierhoff klar sein, dass die Besetzung gegen Schweden mehr als nur eine andere Aufstellung war, sie war ein Fingerzeig auf die Zukunft. Und deshalb wird Löw sie vermutlich beibehalten, mit zwei, drei neuen Optionen. »Mats Hummels ist absolut fit«, sagt Löw. Dieser wird den gesperrten Boateng ersetzen, neben ihm spricht die Schnelligkeit für Antonio Rüdiger, aber auch Niklas Süle behält seine Chance. Im Mittelfeld könnte Ilkay Gündogan neben Toni Kroos auflaufen, möglicherweise kehrt aber auch Mesut Özil zurück, eher unwahrscheinlich scheint die Rückkehr von Sami Khedira.
»Es ist ein Vorteil, flexibel reagieren zu können, viele spielen auf einem Level«, sagt Bierhoff. »Wir wollen noch lange in diesem Turnier bleiben. Wir brauchen alle.« Für Löw ist wichtig, »die positive Stimmung mitzunehmen«. Klar ist aber auch, dass es noch Potenzial nach oben gibt. Der Bundestrainer stärkte auch Thomas Müller nach zwei schwachen Auftritten den Rücken: »Er ist ein absolut wichtiger Spieler.« Ob das eine Einsatzgarantie ist, bleibt offen. »Wer Thomas kennt, der weiß, dass er auch nach schlechten Vorstellungen positiv nach vorne schaut.«
Marco Reus, in Russland neben Timo Werner inzwischen ein zentraler Faktor in den Überlegungen Löws, demonstrierte Selbstbewusstsein. »Die Entscheidung in letzter Sekunde gegen Schweden hat ein gutes Gefühl ausgelöst, da habe ich mit dem BVB auch schon einmal in Malaga erlebt. Das setzt Kräfte frei, ich glaube an eine Initialzündung, damals wie heute. Wir haben aktuell nur ein großes Ziel, und das ist ein Sieg gegen Südkorea und die Qualifikation für das Achtelfinale.«
Man brauche bei einem Turnier selbst bei hoher Qualität des Kaders auch das notwendige Glück, davon ist Reus aufgrund seiner langjährigen Erfahrung als Profi überzeugt. »Aber dieses Glück muss man sich bei einer WM erkämpfen, wie wir gegen die Schweden, dann wird aus einem Sieg in letzter Sekunde ein verdienter Sieg.« Ob das schon die Geburtsstunde einer neuen Nationalelf war, will Reus nicht beurteilen: »Das kann ich nicht sagen, aber wenn alle ihre Leistung bringen, wird es schwer für Südkorea.« (GEA)