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Aktuell INTERVIEW

Isaiah Hartenstein: »Für die NBA muss man viel opfern«

Profi- Basketballer Isaiah Hartenstein über die Play-offs, seine Hilfsorganisation und die Familie als Rückhalt

Center Isaiah Hartenstein (links) – hier im Duell mit Superstar Luka Doncic – hat mit Thunder Meisterschafts-Chancen.  FOTO: BIL
Center Isaiah Hartenstein (links) – hier im Duell mit Superstar Luka Doncic – hat mit Thunder Meisterschafts-Chancen. FOTO: BILLINGS/DPA
Center Isaiah Hartenstein (links) – hier im Duell mit Superstar Luka Doncic – hat mit Thunder Meisterschafts-Chancen. FOTO: BILLINGS/DPA

OKLAHOMA. Am Osterwochenende starten die Play-offs in der NBA, der besten Basketball-Liga der Welt. Mittendrin dann: Isaiah Hartenstein. Der in Quakenbrück im Landkreis Osnabrück aufgewachsene Center spricht im GEA-Interview über das Ziel Meisterschaft und seine Rückkehr in die deutsche Nationalmannschaft. GEA: Isaiah Hartenstein, wie erklärt man einem Außenstehenden am besten den Unterschied zwischen der regulären Saison und den Play-offs in der NBA?

Isaiah Hartenstein: In der regulären Saison haben wir 82 Spiele, da geht die Beobachtung und das Scouting des Gegners nicht so ins Detail wie in den Play-offs. Auch die Intensität in den Spielen ist viel höher, das merkt man in jedem Moment. Das Spiel wird gleichzeitig etwas langsamer und es kommt viel mehr auf Kleinigkeiten an. Außerdem ist die Stimmung in der Stadt und der Halle anders. Ich hatte letzte Saison das Glück, in New York zu spielen und die Fans da sind crazy. Aber auch hier in Oklahoma City sind es mit die besten in der Liga. Als wir vom letzten Saisonspiel zurückgekommen sind, haben viele am Flughafen auf uns gewartet.

»Wir gehen mit dem richtigen Mindset rein, sind nicht zu locker und wissen, was es braucht«

Mit 68 Siegen und 14 Siegen haben Sie mit den Thunder die beste Bilanz aller NBA-Teams. Da kann in den Play-offs doch nur der Titel das Ziel sein.

Hartenstein: Für uns ist es wichtig, dass wir von Tag zu Tag gehen. Man muss sich immer wieder beweisen und es sich verdienen. Viele können sagen, dass wir in der Saison so gut waren und es jetzt einfach wird, das zu wiederholen – aber so sind die Play-offs nicht. Wir gehen mit dem richtigen Mindset rein, sind nicht zu locker und wissen, was es braucht, um zu gewinnen. Wir haben das Selbstbewusstsein, dass wir in maximal sieben Spielen jeden schlagen können.

Sind Sie persönlich fit und fühlen sich bereit für den Höhepunkt der Saison?

Hartenstein: Ja, ich fühle mich gut. In den letzten beiden Spielen konnten wir Spieler schonen, das hat uns gut getan, außerdem hatten wir dann noch eine Woche frei. Jetzt gibt es wieder Vollgas und man ist körperlich und mental voll fokussiert. Bei mir ist es auch gut, dass die Familie genau weiß, wie es ist. Meine Frau macht einen hervorragenden Job, besonders jetzt auch mit unserem kleinen Sohn Elijah. Ohne Familie wäre das alles nicht möglich, meine Eltern sind ja auch hier und halten mir den Rücken frei.

Auf dem Weg zum Spieler in der Starting Five des besten Teams der Saison in der NBA sind Sie nicht den geraden Weg gegangen, sondern mussten einige Umwege nehmen.

Hartenstein: Ich würde im Rückblick nichts ändern, auch wenn nicht alles lief wie ich es mir vorgestellt habe. Im Draft bin ich schon später gezogen worden als erwartet wegen einer medizinischen Sache, die aber gar nicht mehr vorlag und im ersten Jahr musste ich fast komplett in der G League (Entwicklungsliga der NBA, d. Red.) spielen. Aber egal wo ich war, bin ich besser geworden und habe etwas daraus gelernt. Ich wollte nie Zeit verschwenden und habe immer darauf geachtet, dass ich etwas lernen kann, um konstant in der NBA auf dem Feld zu sein. Ich wusste immer, dass ich das Talent habe, aber ich musste mein Spiel dafür auch etwas anpassen. Jetzt glaube ich, dass ich jüngeren Spielern mit meinem Weg helfen kann.

Wie meinen Sie das?

Hartenstein: Auch wenn es in den ersten Jahren vielleicht nicht klappt, kann man es immer noch schaffen. Die NBA war immer die Nummer eins für mich, auch wenn man viel dafür opfern muss, sei es die Nationalmannschaft oder Urlaube oder Freizeit. Ich glaube, viele in Deutschland wissen nicht, dass die NBA nicht so wie Fußball ist. Hier sind Dinge wie eine Welt- oder Europameisterschaft total egal, man muss es vor Ort beweisen. Im Fußball spielt man eine starke WM und bekommt dann irgendwo einen Riesenvertrag, hier spielt das keine Rolle.

2020 haben Sie etwas Interessantes gesagt: Sie meinten, dass Sie in fünf Jahren einer der besten Center der NBA sein wollen. Das wäre Ende diesen Jahres – oder ist es jetzt sogar schon so weit?

Hartenstein: Ich bin immer noch bescheiden und weiß, dass ich mich weiter verbessern kann. Aber ich habe auch schon bewiesen, dass ich einer der TopBigs der Liga bin und dabei helfe, Spiele zu gewinnen. Meine Statistiken (mit 11,2 Punkten und 10,7 Rebounds diese Saison im Schnitt jeweils Karrierebestwerte, d. Red.) sind auch keine leeren Zahlen, sondern helfen meinem Team.

Sie haben im vergangenen Jahr einen Dreijahres-Vertrag über 87 Millionen Dollar bei den Thunder unterschrieben. Macht es Sie in der täglichen Arbeit ruhiger, dass Sie sich um das Finanzielle nie wieder Gedanken machen müssen?

Hartenstein: Ich glaube auf jeden Fall, ja. Ich weiß, dass meine Familie ok ist. Alle sind hier und sie haben viel dafür aufgegeben. Mein Vater hätte als Coach in Deutschland weiter arbeiten können, aber als es in Denver nicht so gut lief, habe ich ihn gefragt, ob er kommen kann. Und mit der Unterschrift zu wissen, dass meine Eltern und meine ganze Familie sicher sind, ist auf jeden Fall ein besseres Gefühl.

Es hat sich viel getan, seit Sie 2017 in die USA gegangen sind, auch außerhalb des Basketballs. Sie haben geheiratet und sind Vater geworden. Wie hat sich Ihr Blick auf das Leben seitdem verändert?

Hartenstein: (überlegt länger) Ich glaube, gar nicht so viel. Meine Eltern haben einfach einen guten Job gemacht mich seit der Jugend bodenständig zu halten, aber auch Leuten in Not zu helfen. Da habe ich in den letzten Jahren schon etwas mehr gesehen, was das bedeutet und so habe ich vor einiger Zeit eine Hilfsorganisation gegründet. Als Mensch bin ich sicher erwachsener geworden in der Zeit, aber insgesamt hat sich nicht viel verändert für mich.

»Wenn ich mich körperlich gut fühle, will ich wieder mehr für das Nationalteam spielen«

 

 

 

Im Spätsommer steht eine Europameisterschaft auf dem Programm. Sie haben bereits geschildert, dass es in der Vergangenheit nicht einfach für Sie war in Sachen Nationalmannschaft. Wie sieht es aktuell aus?

Hartenstein: Ich weiß es ganz ehrlich noch nicht. Mein Hauptfokus sind jetzt natürlich die Play-offs, aber wenn ich mich körperlich dann gut fühle, will ich ja wieder mehr für das Nationalteam spielen. Meine Vertragssachen sind jetzt fester und ich habe ja bereits gesagt, dass ich mehr für Deutschland tun will. Ich werde aber nie lügen und sagen, dass das meine Nummer eins ist. Das ist immer die NBA, damit helfe ich meiner Familie und bekomme die Möglichkeit, Leuten in Not zu helfen.

Gab es denn schon Kontakt zum neuen Bundestrainer Alex Mumbru?

Hartenstein: Ja, er war vor ungefähr einem Monat hier, das war gut. Ich habe ihm das Gleiche gesagt: Ich will spielen, aber wenn ich mich körperlich nicht gut fühle und die Saison lang ging, werde ich mich nicht zwingen.

Sie haben es schon mehrfach angesprochen: Sie haben seit einiger Zeit eine eigene Hilfsorganisation, die Hartenstein Foundation. Was steckt dahinter und was haben Sie damit alles vor?

Hartenstein: Auch hier möchte ich mehr zurückgeben, vor allem konstant. Wir haben mehrere Aktionen im Monat und das sind dann nicht nur einmalige Dinge. Es gibt ein paar Programme, mit denen wir dauerhaft zusammenarbeiten und es geht nicht nur darum, Zeit und Mittel zu geben, sondern auch die eigene Zeit. Ich bin jetzt in einer Situation, in der ich mehr Geld habe und das will ich auch für etwas Gutes nutzen.

Was macht Isaiah Hartenstein in fünf Jahren und wo macht er es?

Hartenstein: Hoffentlich bin ich dann NBA-Champion und darf mich immer noch als Top-Center in der Liga beweisen. Privat muss ich mit meiner Frau in Sachen Kinder nochmal reden. Früher wollten wir zwei, jetzt sind wir bei einem. Aber das klappt und deswegen sage ich, dass es dann zwei sein werden. (GEA)

 

ZUR PERSON

Isaiah Hartenstein, geboren am 5. Mai 1998 in Eugene/Oregon, wodurch sich auch seine Rückennummer 55 erklärt. Sein Vater Florian spielte am dortigen College Basketball, 2001 ging es mit der Familie (Mutter Theresa, Schwester Jasmine) nach Deutschland. 2014 holten der Vater als Trainer und Isaiah als Spieler mit den Young Rasta Dragons in der Jugend-Basketball-Bundesliga den Meister-Titel. Nach der Station Zalgiris Kaunas (Litauen) wurde der Center an 43. Stelle von den Houston Rockets ausgewählt. Er spielte danach für die Denver Nuggets, Cleveland Cavaliers, Los Angeles Clippers, New York Knicks. Seit 2024 ist Hartenstein bei Oklahoma City Thunder. (GEA)