DOHA. Gelb ist eigentlich gar nicht die Farbe der japanischen Nationalmannschaft. »Samurai Blue« werden sie im Land der aufgehenden Sonne genannt, und entsprechend knallblau sind ihre Nationaltrikots, mit denen sie auch im ersten WM-Gruppenspiel gegen Deutschland im Khalifa International Stadium (Mittwoch 14 Uhr/ZDF) auflaufen werden. Doch wenn sie auf dem besten gepflegten Rasenplatz im weitläufigen Sportkomplex des katarischen Erstligisten al-Sadd SC ihre Aufwärmrunden drehen, tragen alle sonnengelbe Jerseys. Ergibt prima Fotomotive in der Abenddämmerung für die Hundertschaft Fotografen, die diesem Nationalteam in die Wüste gefolgt sind.
Es ist mal wieder eine historische Mission für den japanischen Fußball, der nach mehr Geltung drängt. Erstmals in der Geschichte soll das WM-Viertelfinale erreicht werden, doch dafür müsste der Fifa-Weltranglisten-24. einen der Weltmeister Spanien oder Deutschland hinter sich lassen – und Costa Rica sowieso. »Ich bin zuversichtlich«, hat Nationaltrainer Hajime Moriyasu in der Pressekonferenz gesagt. Und eines wisse er, versicherte der ehemalige Nationalspieler, der nach dem unglücklichen Achtelfinalaus bei der WM 2018 gegen Belgien – 2:3 nach 2:0-Führung – vom Co- zum Cheftrainer aufstieg: »Wir glauben an die Kraft und Fähigkeiten unser Spieler. Ich selbst bin aufgeregt und versuche ruhig zu bleiben.«
Wer dem Kader in Katar zuschaut, spürt schnell, dass diese Delegation genau wie vor vier Jahren im russischen Quartier in Kasan ein sehr harmonisches Zusammenspiel hinbekommt. In diese Harmoniewelt wird der begleitende Medientross nicht als Störfaktor angesehen. Im Gegenteil: Im Medienzelt ist die Mixed Zone integriert, durch die täglich mehrere Spieler spazieren. Aus Rücksicht wird von allen Maske getragen. Immer wieder wird versichert, dass das aktuelle Ensemble mindestens so gut wie die Generation mit Shinji Kagawa, Makoto Hasebe oder Keisuke Honda. Aktueller Kapitän ist der für den FC Schalke 04 spielende Maya Yoshida, der am Dienstag neben seinem Trainer mehrmals seine Hände knetete. Eine gewisse Nervosität ist beim Abwehrspieler nur verständlich, der kurz vor der WM-Abreise in der Bundesliga dem FC Bayern unterlag. »Gegen diese großen Spieler zu spielen, ist noch einmal etwas anderes, als sie auf dem Video zu sehen«, gestand der 24-Jährige. Teamgefährte Ritsu Doan vom SC Freiburg hatte sich im Teamcamp ganz ähnlich angehört. Gegen Deutschland zu spielen, sei doch so wie gegen die Bayern anzutreten. Mit ihrer Deutschland-Erfahrung reden sich insbesondere die acht Bundesliga-Legionäre stark.
Wataru Endo vom VfB Stuttgart, dort immerhin mit dem Kapitänsamt betraut, argumentiert so. »Wir haben eine Chance, gegen Deutschland zu gewinnen«, verkündete die Mittelfeld-Arbeitsbiene, auch Ko Itakura, der erst in der Aufstiegssaison auf Schalke herausstach und dann zu Borussia Mönchengladbach wechselte, steht für das angehobene Level. Der spielintelligente Allrounder ist nach einem Innenbandanriss wieder fit. Ihnen überragt mit seinen individuellen Qualitäten vielleicht nur noch Daichi Kamada.
Enger Draht zu deutschen Clubs
Für diese Protagonisten hat Naoki Tsumura eigens in Düsseldorf ein Büro bezogen, von dem der Europa-Direktor der Japan Football Association (JFA) regelmäßig zu Beobachtungstouren ausschwärmt. Es imponiert ihm, wie die japanischen Profis in der Bundesliga an der körperlichen Konstitution gearbeitet hätten. Ihre physische Verfassung sei eine ganz andere als früher. Der 44-Jährige unterhält engen Draht zu mehreren Bundesligavereinen, hilft bei Kooperationen mit Fußballschulen oder Netzwerken mit der Wirtschaft. Er weiß genau, wie wichtig es wäre, auf der WM-Bühne all die Fortschritte vorzuführen. Einen besseren Gegner als den vierfachen Weltmeister Deutschland gibt es nicht – aber sagen möchte Tsumura zu diesem Spiel lieber nichts. Verneigt sich höflich und geht bei untergehender Sonne. (GEA)