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Hans Wilhelm Gäb: Ein Philantrop auf allen Ebenen

Hans Wilhelm Gäb war die ideale Kombination von Sport und Politik. Ein Leben als Erfolgsgeschichte

Ein Menschenfreund, der Haltung bewies: Hans Wilhelm Gäb ist im Alter von 89 Jahren gestorben. FOTO: DPA
Ein Menschenfreund, der Haltung bewies: Hans Wilhelm Gäb ist im Alter von 89 Jahren gestorben. FOTO: DPA
Ein Menschenfreund, der Haltung bewies: Hans Wilhelm Gäb ist im Alter von 89 Jahren gestorben. FOTO: DPA

KÖLN. Es gibt Momente, die man nicht vergisst. »Wie schön, dass Sie wieder im Lande sind«, sprach Hans Wilhelm Gäb. Wir hatten uns drei, vier Jahre nicht gesehen, was eine lange Zeit war. Nicht nur für Sportjournalisten. Ich hatte 2007 gerade meinen neuen Job als Sportchef der Westdeutschen Zeitung in Düsseldorf angetreten Wir trafen uns im Tischtennis-Zentrum bei einem Spiel von Borussia Düsseldorf. Gäb kam immer gerne zum Tischtennis, kein Wunder bei einem, der an der Platte ein Meister war. Und er war nicht nur da ein Meister, er war es überall, was er auch anfasste.

Gäb war Sportjournalist, angefangen hat er bei Düsseldorfer Tageszeitungen und beim Sport-Informations-Dienst, das hat uns lebenslang verbunden. Ich kann immer noch nicht begreifen, dass Hans Wilhelm Gäb nicht mehr unter uns ist. Gestorben am 13. April, im Alter von 89 Jahren. Das kann doch gar nicht sein.

Gäb war das, was man einen Philantropen nennt, einen Menschenfreund. Und trotzdem einer, der seine Meinung sagte, unmissverständlich, nicht laut, aber immer klar und bestimmt. Das machte ihn aus. Gäb wusste, was er tat, er wusste, was er sagte. Gäb wusste um die Wirkung seiner Formulierungen. Ich erinnere Reden, die anders waren als andere Reden, sie hatten Gehalt, wo andere nur Sätze aneinanderreihten. Ich erinnere, dass er Nachfolger des charismatischen Willi Daume werden sollte – als Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland. Es gab keinen Besseren als Gäb.

Seine Lebertransplantation stand dem im Weg. Als wir uns wieder trafen, redeten – und daran erinnerte, sagte er nur: »Es hat ja nicht alles funktioniert.« Gäb war das, was man sich als ideale Kombination von Sport und Politik vorstellte, einer, der um seine Wirkung wusste, sie aber nie in den Vordergrund stellte. Gäb war ein Sportler durch und durch, einer, der mit unbändiger Freude gewinnen konnte – und stets mit Würde verlor. Wenn es einen im deutschen Sport gegeben hat, dem Fairness die höchste aller Orientierungen war, dann war es Hans Wilhelm Gäb.

Michael Ilgner, von Gäb zu seinem Nachfolger als Vorsitzender der Stiftung Deutsche Sporthilfe gemacht, sagte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gerade einen Satz, der mich tief beeindruckt hat. »Er hatte den stärksten inneren Kompass, den ich jemals in der Sportpolitik erlebt habe«, sagte Ilgner. Genau das ist es. Gäb hatte immer eine Orientierung, immer einen roten Faden in seinem Leben, von dem er nicht abwich, auch nicht abweichen musste, weil der Kompass immer stimmte. Die Lebertransplantation überlebte Gäb 31 Jahre lang, und vor der Operation stand es Spitz auf Knopf. Seit Gäb wieder in der Spur war, habe ich meinen Organspendeausweis. Den Verein für Organspende gründete Gäb wie selbstverständlich. Nicht alle folgten ihm.

Sein Leben ist eine Erfolgsgeschichte. Tischtennis-Nationalspieler, 45 lange Jahre arbeitete er in unterschiedlichen Positionen für den Deutschen Tischtennis-Bund, 2020 wurde er in die Hall of Fame des deutschen Sports aufgenommen, die Ruhmeshalle war eine Idee von ihm. Und er stimmte erst zu, als er sicher wusste, dass sein Vater nicht in der SS gewesen war. Das war damals die große Diskussion, weil es doch Einige gab, die in die Hall of Fame aufrückten, aber ihre Vergangenheit im Nationalsozialismus verschwiegen. Gäb gründete die Auto-Zeitung und war Chefredakteur des Blattes, danach rückte er in den Vorstand der Ford AG auf, wechselte zur Opel AG nach Rüsselsheim – und trat 1998 als Vizepräsident der Opel AG Europa aus Protest gegen den Kurs des Mutterkonzerns aus dem Aufsichtsrat zurück. Auch den Olympischen Orden des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gab er 2016 zurück, weil der Kurs des olympischen Zirkels im Umgang mit dem Dopingbetrug Russlands nicht seiner sein konnte. Konsequenz war etwas, das das Leben von Gäb auszeichnete. Und zwar in jeder Hinsicht – und auf jeder Ebene.

Anstand und Würde

Das war es. Konsequenz. Gäb folgte immer seiner Richtschnur, ein Menschenfreund. Dass Hans Wilhelm Gäb 89 Jahre alt wurde, ist vielleicht angesichts seiner schweren Lebererkrankung ein Geschenk, er hat das selbst immer so gesehen. Und trotzdem geht er viel zu früh. In diesen schweren Zeiten im Sport, in der Politik, in Zeiten der internationalen Konflikte, war Gäb einer, der Haltung bewies, Anstand lebte, stets Würde zeigte, einer, der Orientierung bot, einer, dem man folgen konnte. Was für ein immenser Verlust, dass dieser große Sportführer, er hätte dieses Wort niemals selbst gebraucht, nicht mehr unter uns ist. Ruhe in Frieden, Hans Wilhelm Gäb. (GEA)