REUTLINGEN. Der Drops ist gelutscht. Bayern mal wieder Meister und auch sonst alles beim Alten. Von wegen! Abgesehen vom Sieger geht die Saison 2024/2025 in der Fußball-Bundesliga wohl eher als die Runde der Überraschungen in die Geschichtsbücher ein. Der GEA blickt auf Gewinner und Verlierer.
Top 1: Michael Olise
Beim deutschen Meister Bayern München war ausnahmsweise nicht 100-Millionen-Mann und Superstar Harry Kane die große Überraschung. Diesen Rang lief ihm Flügelspieler Michael Olise ab, der vor der Saison für knapp 60 Millionen Euro von Crystal Palace aus der Premier League gekommen war. Der 23-Jährige entpuppte sich im Offensivspiel als wichtigster Erfolgsfaktor. Olise schoss nicht nur selbst 12 Tore. Der dribbelstarke Kicker steuerte mit 15 Vorlagen in den Münchner Reihen auch die meisten Assist bei und spielte sagenhafte 32 Großchancen heraus. Zum Vergleich: Joshua Kimmich kam als erster Verfolger aus den eigenen Reihen in dieser Wertung laut des Statistikportals Sofascore auf einen Wert von 16.
Top 2: Mainzer Bruchweg-Boys 4.0
Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet der FSV Mainz 05 in dieser Saison um die internationalen Plätze spielt, nachdem es in der vergangenen Runde um nichts anderes als den Klassenerhalt gegangen war. Einen großen Anteil am Höhenflug hatten Nadiem Amiri, Jonathan Burkardt und Paul Nebel. Zusammen kam das Offensiv-Trio auf 35 Saisontore und 11 Vorlagen. Die Belohnung für Amiri (28) und Burkardt (24): Ein Ticket für die deutsche Nationalmannschaft. Beim 22-jährigen Nebel scheint es lediglich eine Frage der Zeit, bis Bundestrainer Julian Nagelsmann sich meldet. Nicht zu vergessen: Torwart Robin Zentner, der mit starken Paraden überzeugte und das Erfolgs-Quartett komplettierte. Bei diesen Leistungen geraten die »Bruchweg-Boys« um André Schürrle, Lewis Holtby und Ádám Szalai fast schon in Vergessenheit. Mit Amiri, Burkardt, Nebel und Zentner ist die Version 4.0 der »Bruchweg-Boys« geboren.
Top 3: AlexanderBlessin und sein Super-Keeper
Dass der FC St. Pauli die Klasse halten konnte, ist ein voller Erfolg für das Nordlicht. Viele hatten den Hamburger Club neben Holstein Kiel von Beginn an als sicheren Absteiger ausgemacht. Grundstein für den Verbleib im deutschen Oberhaus war eine Defensiv-Meisterleistung, an der Trainer Alexander Blessin aus Altenriet und Keeper Nikola Vasilj maßgeblichen Anteil hatten. Blessin wusste genau um die Stärken und (Offensiv)Schwächen seiner Mannschaft. Er ließ deshalb extrem disziplinierten Verteidigungsfußball spielen. Das Ergebnis: Gerade mal 41 Gegentore - zweitbester Wert der Liga nach dem Münchner Rekordmeister. Im Fokus stand immer wieder Vasilj, der den Kasten mit teils unkonventionellen Paraden und schnellen Reflexen sauber hielt. Laut Sofascore ist der 29-Jährige beim Wert für verhinderte Tore mit Abstand die Nummer 1 der Bundesliga.
Top 4: Krösche und Frankfurt
Wer einen ablösefrei verpflichteten Spieler nur eineinhalb Jahre später für 75 Millionen Euro plus Boni in Richtung Manchester City verkauft, der dürfte als Adlerauge bei den Adlern eingehen. Das wird Eintracht-Sportvorstand Markus Krösche mit dem Transfer von Omar Marmoush in Frankfurt auch. Der 44 Jahre alte Ex-Zweitligaprofi vom SC Paderborn hat den Traditionsclub seit seinem Amtsantritt finanziell und dadurch auch sportlich auf ein neues Niveau gehoben. Unter Krösche erlöste die Eintracht in vier Jahren unglaubliche 322 Millionen Euro. Dieses Geld investierte der Sportvorstand sinnvoll und nachhaltig in eine junge und entwicklungsfähige Mannschaft. Die Belohnung: Platz drei und die direkte Champions-League-Qualifikation. Und das, obwohl Top-Scorer Marmoush in der Rückrunde ersetzt werden musste. Eine absolut beeindruckende Leistung. Allerdings könnte das französische Sturm-Juwel Hugo Ekitiké die Hessen nun verlassen. Egal, wen Krösche als Nachfolger an Land ziehen wird: Seine Verpflichtung war der wichtigste Transfer in der jüngeren Frankfurter Vereinsgeschichte.
Top 5: Tim Kleindienst
Gewissermaßen ist Tim Kleindienst eine doppelte Überraschung. Denn die Überraschung der Vorsaison überraschte erneut, weil die Überraschung eben nicht nur eine einfache Überraschung blieb. Nicht schlecht staunten viele Fans, über das starke Abschneiden in der letzten Runde beim 1. FC Heidenheim. Der Angreifer schoss 12 Tore und legte weitere 5 vor - der Aufsteiger hüpfte in die Conference League. Beim 29 Jahre alten Kleindienst gingen wohl fast alle von einer Eintagsfliege aus. Aber siehe da: Nach seinem Wechsel zu Borussia Mönchengladbach legte er gar eine Schippe drauf. 16 Treffer und 7 Assists stehen in seiner Bilanz. Doch die Nummer 11 kann noch mehr als das. Der Offensivmann ist in der Elf von Trainer Gerardo Seoane meinungsstarker Führungsspieler und eine nicht wegzudenkende Größe. Und das im ersten Jahr im neuen Club. Zudem schnappt sich Kleindienst den Titel als Bundesliga-Spieler mit den meisten gewonnen Zweikämpfen. Kein Wunder also, dass dem Angreifer auch der Sprung in deutsche Nationalmannschaft gelang.
Top 6: Nick Woltemade
Was seine Kollegen vom VfB Stuttgart in dieser Bundesliga-Saison zu selten zeigten, brachte Aufsteiger Nick Woltemade auf den Platz: Spielfreude und die nötige Kaltschnäuzigkeit vor dem gegnerischen Tor. Der Sturm-Riese war bei den Schwaben neben Angelo Stiller eine der wenigen positiven Personalien, entzückte mit seinen quirligen Dribblings auch die Fans. In Summe sprangen 12 Treffer und 2 Vorlagen raus, nachdem der 23-Jährige zu Beginn der Saison einen schweren Stand hatte und insgesamt in weniger als der Hälfte aller Spiele in der Startformation stand. Nur Ermedin Demirovic schoss bei den Cannstattern mehr Tore (15), brauchte dafür aber deutlich mehr Chancen. Woltemade kam vor der Saison ablösefrei vom SV Werder Bremen.
Flop 1: Bayer Leverkusen
Es ist eine gewagte These, den deutschen Vizemeister als Verlierer zu verkaufen. Und doch spricht einiges dafür. Bayer Leverkusen hat die Meisterschaft nicht nur nicht verteidigen können. Bayer Leverkusen hatte, so ehrlich muss man sein, in der aktuellen Spielzeit nicht mal ansatzweise das Zeug dazu, Thronfolger München zu ärgern. Ein Blick auf die Zahlen offenbart das Ausmaß des Abstiegs: 69 statt den sensationellen 90 Punkten der Vorsaison. Knapp 20 Tore weniger geschossen, dafür fast doppelt so viele Gegentreffer kassiert. Von der Spielfreude und Dominanz der vorigen Spielzeit ist nicht viel übrig geblieben. Kein Wunder also, dass sich auch das Personal-Karussell dreht. Meistermacher Xabi Alonso geht, Florian Wirtz sieht seine Zukunft bei den Bayern, Wirbelwind Jeremie Frimpong steht vor dem Absprung in die Premier League und auch Nationalspieler Jonathan Tah hat genug. Nach nur einer Saison hat Bayer nicht nur seinen Ruf als »Vizekusen« zurück, sondern auch die positive Strahlkraft verloren. Der größte Verlierer: Jonas Hofmann. Vom Leistungsträger wurde der ehemalige deutsche Nationalspieler zum Bankdrücker degradiert und spielte so gut wie keine Rolle mehr.
Flop 2: RB Leipzig
Benjamin Sesko und Louis Openda. Auf dem Papier gibt es in der Bundesliga kein besseres Sturmduo. Die Theorie ist das Eine, die Praxis das Andere. Irgendetwas scheint beim Red-Bull-Club in dieser Saison grundsätzlich im Argen zu liegen. Auch unter Interimstrainer Zsolt Löw fehlt die Konstanz. Die Leipziger haben erstmals seit dem Aufstieg 2016 die Qualifikation für den europäischen Wettbewerb verpasst, nachdem man sich zuletzt siebenmal in acht Jahren für die Champions League qualifiziert hatte. Nie war RB in der Bundesliga (Platz sieben) übrigens so schlecht wie jetzt. Auch, weil im Angriffsspiel der Schuh drückte. 53 Tore bedeuten im ligaweiten Vergleich nur Rang zehn. Auffällig: Nach stolzen 24 Buden in seinem Bundesliga-Premierenjahr kommt Openda in dieser Saison auf nur zehn Ligatreffer. Doch der belgische Angreifer dürfte im Sommer trotzdem heiß umworben sein. Noch mehr gilt das für Sturmpartner Sesko (immerhin 13 Tore) und Supertalent Xavi Simons. Weil RB nicht europäisch spielen wird, dürfte es nun zu einem XXL-Umbruch kommen. Ach ja: Ein Trainer ist auch noch nicht gefunden. Die Aussichten beim Brauseclub waren schon einmal deutlich besser.
Flop 3: João Palhinha
Thomas Tuchel wollte zwingend eine Holding Six, bekam sie aber nicht. Vincent Kompany zu seinem Amtsantritt im vergangenen Sommer hingegen schon. Doch es scheint, als fände der belgische Coach einfach keine dauerhafte Verwendung des 51 Millionen Euro teuren Sommerzugangs. Nach einem Jahr, nur neun Startelf-Einsätzen und einem Muskelbündelriss lässt sich festhalten: Das hat sich der deutsche Rekordmeister und vor allem auch Palhinha ganz anders vorgestellt. Selbst der bereits abgeschriebene Leon Goretzka, dem vor dem Saisonstart nahegelegt wurde sich besser einen neuen Club zu suchen, hat dem zweikampfstarken Portugiesen klar den Rang abgelaufen. »Das war eine der schwierigsten, wenn nicht sogar die schwierigste Saison meiner Karriere«, sagte der 29-Jährige kürzlich. Es kann nur besser werden. Was aber, wenn im Sommer für Palhinha ein gutes Angebot ins Haus flattert? Dann wird die Holding Six, besser gesagt der Holding-Bankwärmer, den FC Bayern womöglich schon wieder verlassen.
Flop 4: Offensivkünstler des VfB Stuttgart
Deniz Undav, Chris Führich und Enzo Millot sind ein Spiegelbild der Runde des VfB Stuttgart: Manchmal top, häufig aber eben nicht. Gerade von Undav und Führich, die in der Vorsaison kaum zu stoppen waren, kam deutlich zu wenig. Auch der hoch veranlagte Millot verlieh dem Offensivspiel nur sporadisch Glanz. So konnte der Weggang von Serhou Guirassy als Kollektiv nicht wettgemacht werden und der VfB schoss 14 Tore weniger als 2023/2024. (GEA)