PFULLINGEN. Viele Achtjährige rennen gerne einem Fußball hinterher, andere steigen lieber aufs Fahrrad. Aber nur wenige machen das, was Ben Bayer im zarten Alter von acht Jahren gemacht hat – eine Skischanze runterbrettern. »Ich war früher ein bisschen Kamikaze«, erklärt der heute 19-Jährige lachend. Der erste Sprung habe ihn deshalb kaum Überwindung gekostet: »Ich bin zweimal den Auslauf der großen Schanze in Pfullingen runtergefahren und danach direkt gesprungen.«
Auf seinen Alpin-Skiern fühlte sich der damals Achtjährige schon längst zuhause. Aber seit besagtem Tag lebt Bayer für das Skispringen. »Ich habe die Woche drauf direkt das Training besucht und seitdem nicht mehr aufgehört.« Heute ist er Mitglied im B-Kader des Deutschen Skiverbands (DSV) und die längste Zeit seines Lebens Vereinsmitglied beim VfL Pfullingen. Das große Ziel: »Olympia und Weltcup«, gibt der 19-Jährige unumwunden zu.
Bayers jüngste Erfolgsserie lässt das Ziel in greifbare Nähe rücken. Bronze bei den Olympischen Jugendspielen im finnischen Lahti und Bronze im Team bei der Junioren-WM in Kanada sind das Ergebnis harter Arbeit und Selbstdisziplin. Sein Abitur hat der Pfullinger erst kürzlich im Ski-Internat Furtwangen bestanden. »Das ist eine ganz normale Schule, aber hier wird eine Schulzeitstreckung und spezielles Training angeboten«, erklärt Bayer. Die Kursstufe wird dabei um ein Jahr verlängert, um richtig trainieren und an Wettkämpfen teilnehmen zu können – drei Jahre statt zwei Jahre Oberstufe. Morgens Schule, nachmittags Training, von Montag bis Freitag. Am Wochenende häufig Wettkämpfe oder Lehrgänge.
»Ich war früher ein bisschen Kamikaze«
Bevor sich der Pfullinger allerdings nach reiflicher Überlegung im Alter von 16 Jahren dazu entschlossen hatte, das Internat zu besuchen, hatte er bereits »Kaderstatus« beim DSV. »Das Training beim VfL Pfullingen war top«, sagt Bayer. Aber um weiter zu kommen, war klar: »Das Internat ist die einzige Wahl, die du hast. Da geht’s ernster zu. Mir war klar, dass ich das jetzt durchziehe, egal was kommt«. Mit der neuen Schule wurden die Wettkämpfe immer internationaler: Alpencup, Continentalcup, Junioren-WM – Bayer ist alleine oder im Team immer auf dem Podest gestanden.
Diese Leistungen werden nun belohnt: »Wenn man nach der Schule weiterhin den Kaderstatus hat – wie ich jetzt im B-Kader –, kann man für das weitere Training die Unterstützung von verschiedenen Sportbehörden bekommen«, erklärt der Pfullinger. Er selbst sei daher beim Zoll angestellt. Was erst einmal befremdlich klingt, hat in Deutschland aber eine weitreichende Tradition: Seit 1952 fördert die Zollverwaltung den Skisport.
Zuerst nur die eigenen Beamten, mittlerweile hat sich daraus eine nationale Spitzensportförderung entwickelt, seit 2015 auch für die Disziplin Skisprung. »Dadurch kann ich mir eine Wohnung leisten und alles, was halt dazugehört«, sagt Bayer. »Dann kann ich mich ganz aufs Training fokussieren.«
Besonders in der Sommerzeit sei das wichtig, schließlich müsse man sich auf die Veranstaltungen im Winter vorbereiten. Und auch ohne Schnee können die Athleten durch die Luft segeln: »Da springt man dann auf Kunststoffmatten, die gewässert werden. Das fühlt sich beim Landen fast an wie Schnee«, weiß der 19-Jährige. Für ihn sei das nichts Neues, so habe er schließlich in Pfullingen auch angefangen. Eine aufregende Erfahrung steht Bayer noch bevor: die Skiflugschanzen. »Die gehen über 200 Meter weit. Es ist aber schwer, da zu trainieren, weil die nur für die Weltcups flottgemacht werden.« Nervosität hört man dabei nicht in der Stimme des 19-Jährigen. Nur Vorfreude auf den nächsten Schritt. (GEA)