HAMBURG. Als die HSV-Fans den heiligen Aufstiegsrasen stürmten und ihre Souvenirs ausbuddelten, waren sieben Jahre des Leidens auf einen Schlag vergessen. Der Hamburger SV, die Legende des Nordens, die Drama-Queen mit Raute, einst unabsteigbar, dann aber plötzlich unaufsteigbar, ist nach 2555 Tagen Zweitklassigkeit zurück in der Fußball-Bundesliga.
Vom Hafen bis zur Elbphilharmonie, vom Volksparkstadion bis zum Michel floss das Bier in Strömen und der Jubel kannte kaum Grenzen. Die wilde Party wurde aber getrübt. Die Feuerwehr Hamburg berichtete von einer lebensbedrohlich verletzten Person, 19 weitere erlitten schwere Verletzungen in der Arena.
»Es hat sich angefühlt, als wäre eine Flasche Champagner sieben Jahre lang geschüttelt worden und dann hat man den Korken aufgemacht. Alles kam raus«, beschrieb Sportvorstand Stefan Kuntz den ekstatischen Ausnahmezustand in der Hansestadt. »Ich habe so einen Platzsturm noch nie erlebt. Es war geil, es war geil mit den Leuten zu feiern«, jubelte auch Davie Selke mit heiserer Stimme als das große Ziel nach dem höchst unterhaltsamen 6:1 (1:1) gegen den SSV Ulm am 33. Spieltag erreicht war.
Hamburgs Toptorjäger (22 Saisontore) kämpfte wie seine Mitspieler mit den Tränen, verschwand dann für kurze Zeit in der Kabine und führte wenig später eine Polonaise durch die Innenräume des Stadions an. »Nie mehr zweite Liga« hallte es von allen Seiten.
Schnell trudelten die Gratulationen ein – vom Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher, vom Ex-HSV-Profi und heutigen Bayern-Trainer Vincent Kompany und vom ungeliebten Stadtrivalen. »Moin Nachbar*innen vom HSV, Gratulation zum Aufstieg in die Bundesliga vom Millerntor«, schrieb der FC St. Pauli in den Sozialen Netzwerken.
Merlin Polzin wurde unterdessen von seinen Emotionen überrollt. »Das ist der größte Moment, den ich mir hätte vorstellen können«, sagte der 34-Jährige, bevor er auf der Pressekonferenz um kurz vor Mitternacht von seiner Mannschaft mit einer Bierdusche überrumpelt wurde. Es sei ein »unvergesslicher« Tag für ihn, sein Team und die ganze Stadt, betonte Polzin, der sich als achter Trainer am Projekt Wiederaufstieg versuchen durfte – und dessen Vertrag nach dem Sprung ins Oberhaus nun automatisch verlängert wurde.
Es brauchte aber erst den frühen Rückstand und einen gehaltenen Elfmeter von HSV-Torhüter Daniel Heuer Fernandes beim Stand von 1:1, ehe die »Rothosen« so richtig ernst machten. Ransford Königsdörffer überragte mit zwei Toren, Daniel Elfadli sorgte vier Minuten vor dem Abpfiff für den Schlusspunkt. Danach war auch HSV-Legende Horst Hrubesch ergriffen: »Es hat sich angefühlt, als hättest du den Weltpokal gewonnen.« Für Ulm endet der Ausflug in die 2. Liga dagegen bereits nach nur einem Jahr. (SID)